„Ich liebe dich.“ Eigentlich sind es nur drei Worte. Ihre Präsenz in unserem Alltag ist beinahe erschlagend – sei es im Glanz der Hollywood-Filmwelt oder inflationär als Floskeln in Medien. Weil sie quasi überall lauern, tangieren sie uns tatsächlich persönlich nur selten – vielmehr sind sie in unserem Alltag als normal gewohntes Element eingebaut, ohne dass wir sie bewusst wahrnehmen. Eigentlich sind es aber doch drei sehr intime Worte, die nur zwischen zwei besonderen Menschen stattfinden – auf freundschaftlicher, familiärer oder romantischer Ebene.
Erst wenn man sie selbst einmal aus tiefster Inbrunst seines Herzens ausgesprochen hat, erfährt man, mit welch‘einer Wucht die Worte deinen Körper verlassen.
In der letzten Zeit habe ich über die wahrhaftige Bedeutung nachgedacht und versucht, beide Seiten zu verstehen, nämlich die desjenigen, der diese Worte ausspricht und demjenigen, der sie hört. Andersherum erfährt die Zurückhaltung der Aussprache oder Verwendung ebenso eine prägnante Gewichtung.
Erst wenn man sie selbst einmal aus tiefster Inbrunst seines Herzens ausgesprochen hat, erfährt man, mit welch einer Wucht die Worte deinen Körper verlassen, welche Erleichterung du spürst, wenn du dich frei von diesem Bedürfnis gemacht hast. Dieses mächtige Gefühl entspringt der Aussprache dieser drei kleinen Wörter – so als würde ein Pflanzenkeim im Nu zu einer prachtvollen Blume entspringen. Unfassbar, oder?
Ich denke, jede*r von uns ist schon einmal in die Situation gekommen, in der er*sie die Wörter sagen wollte, sich aber nicht getraut hat, nicht genügend Mut aufgebracht hat, das Schutzschild abzulegen und sich dem geliebten Menschen vollkommen zu entblößen. „Hier bin ich, das ist das große Ganze, das ich dir widmen und mich zugleich verletzlich zeigen, mich dir hingeben möchte.“ Die nackte Wahrheit.
Es braucht Mut und Reflexion, „Ich liebe dich“ zu sagen und zu meinen
Ein Gefühlsspektrum in seiner Gänze durchleuchtet, ertappt bei dem Schicksal, dass du nicht allein, sondern dein Leben mit genau diesem Menschen teilen möchtest, (im Optimalfall) auf ewig. Es braucht viel Mut und Reflexion bis du den nächsten Schritt gehen möchtest, denn sind die „magischen“ Worte einmal ausgesprochen, sind sie unwiderruflich. Dann beginnt erst die Phase, in der du, wie in den besagten schlechten Zeiten, keinen Rückzieher machen kannst – vorausgesetzt deine Worte waren ehrlich gemeint. In diesem Raum findet keine Floskel statt, nichts als pure Offenbarung.
Wie ist es dann eigentlich, wenn du dich zwar von dieser Last befreit, es endlich ausgesprochen hast, dein geliebter Mensch diese Worte jedoch nicht erwidert?
Ich gehe jetzt einfach mal von dem Szenario aus, dass du deinen Lieblingsmenschen schon ein Weilchen kennst, das heißt: dir sein Wesen vertraut ist. Könnte es sein, dass dein Gegenüber hierzu noch nicht bereit ist? Oder überfordert ist? Sich eventuell schämt, ein Liebesgeständnis auszusprechen?
Horchen wir doch einmal in den Raum der Möglichkeiten hinein und treten ein Stück von der Realität zurück, in uns hinein und betrachten diesen Spielraum mit ein wenig emotionaler Distanz. Ich kann aus Erfahrung nur sagen, dass dieser Spielraum sehr hilfreich sein kann, um die vermeintliche Verletzung zu mindern.
Nicht jede*r verbindet mit genau diesen drei Worten ebenso eine intime Hingabe, eine Offenbarung des Empfindens.
Nicht jede*r bringt den Mut auf, diese Worte auszusprechen. Nicht jede*r verbindet aber mit genau diesen drei Worten ebenso eine intime Hingabe, eine Offenbarung des Empfindens. Manch eine*r von uns hat vielleicht mit der Aussprache schlechte Erfahrungen gemacht, die im Kopf nachhallen, so wie ein fader Beigeschmack, wenn die Worte erklingen. Verletzung, Enttäuschung, Demut, Trauer können hiermit in Verbindung gebracht werden. Oder aber der*diejenige hat diese Erfahrung noch nicht erleben können und weiß gar nicht, was es bedeutet, jemanden wahrhaftig zu lieben.
Was bedeutet das Lieben eigentlich konkret? Ist es die sexuelle Anziehungskraft, der abgestimmte Alltagsablauf, das gemeinsame Konstrukt nach dem Motto „Partner in Crime“, das „du kannst meine Gedanken lesen“ oder die Seelenverwandtschaft?
Egal welche Tatsache hierbei zutrifft, es bleibt eine entscheidende Frage: Ist weniger der Weg entscheidend als das Ziel, dass deine Liebe wahrgenommen und anerkannt wird? Damit meine ich konkret, dass es Menschen gibt, die nicht weniger wortgewandt sind, für die jedoch die Aussprache von Wörtern weniger stark gewichtet wird als die Taten, die vollbracht werden? Sagen Taten wirklich mehr als tausend Worte?
Sind Taten mehr wert als Worte?
Wenn wir uns auf das Alltagskonstrukt beziehen, resultiert daraus die Partnerschaft, das Mitdenken, eine kleine Aufmerksamkeit oder ein Gefallen aber auch die Rücksichtnahme, der Verzicht gegenüber dem geliebten Menschen oder die Abnahme einer Last, um im Gesamtbild der Beziehung ein langfristig harmonisches Miteinander auszuleben?
Ist das füreinander Einstehen, gänzliches Vertrauen und Hingabe, eine*n gute*n Partner*in darzustellen ein Ersatz für diese drei Worte? Benötigt das reibungslose Miteinander, das Gleichgewicht auf der Beziehungsebene wirklich die Aussprache dieser drei besonderen Wörter? Oder ist das Spüren der unabdingbaren Liebe sogar viel mehr Wert? Wird die Partnerschaft, Liebe zwischen zwei Menschen tatsächlich aufgewertet, wenn die Worte ausgesprochen werden?
Wird die Liebe zwischen zwei Menschen tatsächlich aufgewertet, wenn die Worte ausgesprochen werden?
Ich muss zugeben, dass ich hin- und hergerissen bin. Auf der einen Seite bedingen die Worte „Ich liebe dich“ keine notwendige Aussprache, denn ich spüre die Zuwendung, Fürsorge und Vertrauen mit jedem ausgetauschten Blick, jedem Lächeln und jeder Berührung. Aber wenn all diese Taten so leicht nach dem inneren Impuls wie von selbst stattfinden können, wieso werden diese Worte im Vergleich immer noch so schwer gewichtet, so sehr geschätzt und als oberstes Privileg erachtet?
Für mich bedeutet es viel mehr Mut, all diese Kleinigkeiten zu handhaben, die im Großen und Ganzen zu einem Ausleben der empfundenen Liebe zusammenwachsen und trotzdem schadet es nicht, sich an einem romantischen Klischee der Liebe zu bedienen.
Egal welcher Typ du bist, gib dir einen kleinen Ruck und erläutere deine Auffassung, sei ehrlich und vermeide Verletzungen, erwecke keine falschen Hoffnungen und beende das sehnsüchtige Warten der Aussprache – denn nur das ist fair.
Headerbild: Ron McClenny via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!
Ich kann nur von meiner Erfahrung sprechen, aber inzwischen habe ich den Eindruck, dass so etwas wie Liebe nur in seltenen Fällen existiert.
Wir alle kennen das Gefühl, wenn uns Liebe entzogen wird, wenn wir nicht den Erwartungen entsprechen.
Nicht sind, wie man uns haben will.
Oder wenn man mal Fragen hat, weil man sich verarscht vorkommt und mit Ignoranz gestraft wird.
Zu oft erlebte ich diesen Liebes- und Sympathientzug. Als Druckmittel um mich zu ändern zum Beispiel.
Und was ist Liebe?
Ist es nicht oftmals durch das gesellschaftliche Umfeld geprägt, wen wir lieben sollen?
Vermittelt einem nicht ständig irgendjemand, dass man Leute weniger lieben soll, wenn Menschen zum Beispiel den Job verlieren?
Die größte Liebe, welche ich je gespürt hab, war die Liebe aus meinem tiefsten Innern zu mir selbst.
Rückblickend betrachtet wurde ich selten geliebt, wie ich bin und meistens nur geliebt, wenn ich einen Zweck erfüllt habe und ich kann deswegen nur jedem Menschen raten aufmerksam und wach zu sein und genau darauf zu achten, an wen man das eigene Herz verschenkt, bevor man so verletzt wurde, dass man nie wieder jemanden lieben kann.
Und ein Ich liebe dich kann auch für Menschen immer etwas anderes bedeuten.