Mein Herz hält meinem Kopf einfach den Mund zu. Der Kopf will so laut schreien, doch es kommt einfach kein Ton durch. Allgemein ist es sehr still. Denn das Herz spricht mit Gesten, mit Blicken. Sprache ist für das Herz überwertet.
Genau wie deine Worte. Auch du sprichst lieber mit Gesten als mit Worten. Und wenn du manchmal doch zu den Worten greifst, dann prallen sie einfach an mir ab. Mein Herz hält sich die Ohren zu. Es hört weder dich, noch hört es den Kopf. In seinem Ohr läuft nur der eine Song. Immer auf Repeat. Der Song, der davon erzählt, was sein könnte.
Kopf- oder Herzmenschen – es leiden alle
Kopf- und Herzmenschen. Immer wieder hört man, dass man die Menschen in diese Kategorien einteilen kann. Auf welcher Seite stehen hier die Gewinner:innen? Auf der Kopf- oder auf der Herzseite? Ich weiß es nicht. Wir leiden alle. Die Kopfmenschen und die Herzmenschen.
Die Kopfmenschen, weil sie zwischen all ihren Prinzipien, Strategien und Taktiken verlernt haben zu fühlen. Und die Herzmenschen, weil sie zwischen all ihren Gefühlen, den Höhen und den Tiefen verlernt haben zu denken.
Natürlich, die Mischung macht’s. Eine ausgewogene Balance zwischen Kopf und Herz. Bei mir ist der Kopf schon lange in hohem Bogen von der Wippe geflogen. Dabei hab ich es doch so sehr versucht mit der Balance. So viele kluge Sachen darüber geschrieben. Dass man nie, nie den Kopf verlieren darf. Und doch rollt er gerade irgendwo rum. Vielleicht unter dem Sofa, vielleicht habe ich ihn aber auch aus Versehen mit dem letzten Pizzakarton entsorgt.
In den Momenten, in denen es wirklich auf den Kopf ankommt, versagt er doch bei den Herzmenschen. Bei dir auf deine Art, und bei mir auf meine. Alles, was so mühsam in den letzten Wochen und Monaten fest postuliert wurde. Das wirklich, diesmal wirklich echte Bild von dir, das ich mir mit so viel Logik und Denken gemalt habe – es dauerte eine Sekunde und ich habe den ganzen Kram wieder über Bord geworfen. Das Herz hat den Kopf einfach zur Seite geschubst und das Ruder übernommen.
Schon beim Aussprechen der Worte weiß ich, dass es eigentlich egal ist, was du sagst. Wir sind gerade hier. Hier und jetzt. Alles ist jetzt. Wir bekommen wenigstens noch einmal ein paar gemeinsame Momente geschenkt und ich nehme das Geschenk gerade einfach an. Kein Umtauschrecht.
Mein Herz scheint sich immer wieder in Sackgassen zu verlaufen und wenn es dort erst einmal drinsteckt, fehlt ihm der Kopf, der ihm leise zuflüstert, dass es sich einfach umdrehen soll.
Folge deinem Herzen. Und was, wenn das Herz den Weg nicht kennt? Wenn es nur eine von vielen Floskeln ist, die sich irgendwer mal ausgedacht hat, weil es bei ihm oder ihr zufällig geklappt hat? Mein Herz scheint sich immer wieder in Sackgassen zu verlaufen und wenn es dort erst einmal drinsteckt, fehlt ihm der Kopf, der ihm leise zuflüstert, dass es sich einfach umdrehen soll. Da steht das Herz dann vor der großen Mauer und weiß einfach nicht mehr weiter.
Nach einer gewissen Lebenszeit ist die Hoffnung darauf, dass sich das einmal ändern wird, verblasst. Kein Lernen aus Fehlern, kein Sinn in dem Schmerz, kein Wachstum, keine Selbstentwicklung. Der Kopf weiß es so viel besser, aber das Herz hat einfach den dickeren Bizeps.
Doch irgendwo, in einer kleinen Spalte in der Mauer, auf die es gezwungen ist zu blicken, tief da drin in der Sackgasse, entdeckt das Herz etwas, was ihm Hoffnung macht. Dass es so unfassbar viele Narben auf seinem dicken Bizeps mit sich rumträgt, aber trotzdem noch so einwandfrei funktioniert. Dass es nie bitter geworden ist. Dass es voll ist – voll von Loyalität, von Ehrlichkeit, von Aufrichtigkeit und von Liebe.
Auf was kommt es wirklich an? Auf Momente, in denen die Realität einfach nicht mehr zählt?
Es wird immer ein bisschen stärker und ein bisschen lauter und ein bisschen verrückter sein als der Kopf. Und auch, wenn es manchmal so furchtbar weh tut, wenn eine neue Wunde hinzukommt, dann hat es doch mit Sicherheit viele atemberaubende Momente erlebt, die sich der Kopf niemals ausmalen könnte. Und geht es nicht darum? Um die Momente? Die, hinter denen die Realität verblasst, weil sie einfach nicht mehr zählt?
Kommt es denn mehr auf das Bild in meinem Herzen an, oder auf das Bild in meinem Kopf? Mein Herz zeigt auf das Bild des Menschen mit dem verdrehten Humor, der mich immer wieder so zum Lachen bringt, auch, wenn ich gar nicht will. Da ist jemand, der zugehört hat, nicht um zu antworten, sondern um zu verstehen. Jemand, der aufmerksam ist. Der seine eigenen Schwächen einzugestehen vermag und der auch meine sieht, aber nicht verurteilt. Der ein bisschen zu viel ist, zu laut und zu verletzt. Manchmal guckt mein Herz in einen Spiegel.
Mein Herz glaubt schon. Und ich auch. Und ich glaube, du eigentlich auch. Deshalb steht mein Herz jetzt einfach erstmal da, vor deiner Mauer. Im Hintergrund hört man leise die Abrisskugel heranrollen.
Headerbild: Vino Li via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und zugeschnitten.) Danke dafür!