Ich habe mir gestern Abend die Filme Lammbock und Lommbock angeschaut. Was das mit Instagram zu tun hat, dazu komme ich gleich – no worries. Lammbock sollte eigentlich jede*r mal gesehen haben – ein Klassiker, wirklich. Allein der alte BMW, in dessen Kofferraum ein Drogenfahnder und drei Kilogramm Gras eingeschlossen wurden – herrlich. Lommbock ist der zweite Teil, gleich hinterher damit, auf mich wartet nur meine Masterarbeit. Und Papier ist bekanntlich geduldig, auch leeres. Und in diesem Film, da gibt es eine Stelle, die hat mich an so viele Freunde, Bekannte und nicht zuletzt auch an mich selbst erinnert:
Stefan und Kai lehnen an ihrem Auto (ein älterer Benz, nur fürs Protokoll) und Stefan gesteht Kai, dass er nicht – wie angenommen – Karriere als Anwalt und CEO in Dubai gemacht hat. Sondern ein großzügiges Taschengeld von seinem Schwiegervater erhält – nichts weiter.
Die protzige Uhr, der schicke Anzug, alles kein eigener, kein echter Verdienst. Sein bester Freund Kai fragt ihn: „Warum hast du mir das nicht erzählt?“ Und im Inneren des Wagens erwacht Frank, ein Freund der beiden, den sie kurz davor aus einer nahe gelegenen Psychiatrie abgeholt hatten und sagt trocken: „Weil er nicht zu sich steht.“ Frank führt noch aus, dass Stefan schon immer nur auf das gehört hat, was andere über ihn sagen oder denken könnten.
Puh. Richtig. Das ist bei mir ganz genauso. Und es ist etwas, das mit dem ständigen Instagramspiel auch unserer Generation nicht nur mir langsam aber sicher verloren geht. Finde ich. Vor Freunden zu sich stehen können. Weil die doch auch nur die lachenden, coolen Bilder von Instagram kennen.
Man kann gar nicht mehr ehrlich sein, weil das echte, emotionale Ich so schrecklich weit von der Selbstdarstellung bei Instagram, Facebook und Snapchat entfernt ist.
Dann flöge der ganze Schwindel ja auf, ich müsste etwas eingestehen. Etwas, das mir fehlt – kognitive Dissonanz. Regelrecht beklemmend ist das. Man kann gar nicht mehr ehrlich sein, weil das echte, emotionale Ich so schrecklich weit von der Selbstdarstellung bei Instagram, Facebook und Snapchat entfernt ist.
Als ich mein letztes Foto bei Instagram ansehe, wird mir schlecht. Es ist ein strahlendes Bild: Sonnenbrille, Balkon, Kippe, ich sitze in einem Minipool. Kurz danach verflog mein Lachen, das war nur für die Kamera. »Sehe ich dünn aus?«, frage ich noch, während ich nach dem Smartphone schnappe. Es ist mir wichtiger, dass Fremde, Bekannte und Freunde sehen und denken: »Wow, tolle Frau, tolles Leben!«, als dass ich nur fünf Minuten wirklich so glücklich wäre, wie ich auf diesem Bild vorgebe zu sein.
Tolle Frau, tolles Leben. Bizarr. Und hierbei geht es darum, was ich mit Instagram anstelle – welchen Stellenwert die Permanent-Inszenierung und das Wechseln in diese Rolle für mich hat. Wie wenig wichtig mir echte Begegnungen (noch) sind und wie bedeutungslos mir Erlebnisse vorkommen, von denen es keine Fotos gibt. Und wenn, dann nur verwackelte, schlechte Fotos.
Pic or it didn‘t happen. Internalisiert, vollkommen. Was kann ich denn noch dagegen tun, wenn sich das alles so krass verselbstständigt hat?
Pic or it didn‘t happen. Internalisiert, vollkommen. Was kann ich denn noch dagegen tun, wenn sich das alles so krass verselbstständigt hat? Mir zum Beispiel diesen Satz aufschreiben: »Such nicht die Realität in Bildern. Es ist zwecklos.«
Ich muss keiner Freundin gestehen, dass sich hinter dem eingezogenen Bauch im Spiegel-Selfie kleine Speckröllchen verstecke oder dass ich dieses-jenes-welches Buch nicht gelesen, kein Boiler-Room-Event ohne Gästeliste (und schon gar nicht live) miterlebt habe oder dass ich Angst vor der Zukunft habe.
Dass ich mich selbst manchmal nicht mag, aber bei Instagram ironisch-übertrieben-lachhaft der Welt die Zunge rausstrecke. Fallhöhe, you know. »Bei Instagram bin ich so, wie ich sein will«, habe ich mal geschrieben – aber ich bin da angekommen, wo ich eigentlich gar nicht mehr so sein will, wie ich wie bei Instagram bin.
‚Bei Instagram bin ich so, wie ich sein will‘, habe ich mal geschrieben – aber ich bin da angekommen, wo ich eigentlich gar nicht mehr so wie bei Instagram sein will.
Sondern endlich ich sein will, wer auch immer das ist. Ich möchte nicht, dass sich dieses Ich wieder in Instagram verliebt, um das zu hören und zu lesen, was andere denken und sagen. Um ihnen zu gefallen, um von ihnen gesehen zu werden – im wahrsten Sinne.
Denn es ist eine Hassliebe, und Hassliebe ist keine echte Liebe und wird es nie sein.
Headerfoto: Flory Gruendig. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür.