Es gibt so Tage, an denen fühle ich mich matt und ausgelaugt. Ich frage mich, was das alles soll und wofür überhaupt. Eine zwischenmenschliche Beziehung wäre schön, aber so richtig fühle ich mich nicht bereit, mich jemandem zu präsentieren. Man fragt sich manchmal, wie es Menschen überhaupt schaffen, zusammen zu kommen.
Was ist es, das Frauen so anzieht? Was macht mich anders als ihn?
Was ist es, das Frauen so anzieht? Was macht mich anders als ihn? Und immer dann, an dieser Stelle, muss ich mich an diese Geschichte einer Begegnung erinnern, die mir bis heute im Gedächtnis geblieben ist.
Ich habe mal vor vielen Jahren in einer Bar/Club am Tresen gearbeitet. Es war ein nieseliger Dienstag Abend gewesen und es gab Salsa. Nix besonderes. Ich stehe also hinterm Tresen und spüle ein paar Gläser, während ich schmunzelnd den Paaren beim Ausprobieren ihrer sicher mal bezahlten Tanzschritte zuschaue.
Nicht wirklich viele, vielleicht zwanzig, dreißig ingesamt über den ganzen Abend. Einige stehen nur herum und halten ihren Drink. Alles in allem: ein eher dröger Abend aber das ist auch mal schön – zur Abwechslung.
Ich mixe gerade einen Caipi für einen Typ, der es für eine Minute aus den Fängen seiner sich immer noch auf der Tanzfläche drehenden Freundin geschafft hat, als plötzlich die Tür aufgeht. Das Kollektiv schaut für einen Moment geschlossen zum Eingang, um zu sehen, wer sich dem doch eher kleinen Kreis anschließen wird.
In den meisten Gesichtern kann ich eine leicht erhobene Augenbraue erkennen. Auch ich schaue eher verdutzt. Was zum Geier hat denn so einer wie der da hier verloren?
In den meisten Gesichtern kann ich eine leicht erhobene Augenbraue erkennen. Auch ich schaue eher verdutzt. Was zum Geier hat denn so einer wie der da hier verloren?
Ein schmächtiger Typ im beigen Hemd steht etwas eingeknickt am Eingang und schaut sich geduckt durch seine klobige Vierkantbrille im Lokal um. Ein Brusttaschenstiftetui wäre noch schön gewesen, aber das hatte er leider nicht. In giftgrünen Kordhosen, die unnatürlich hoch sitzen, steht er einen Moment so da und streicht sich über die gekämmten Haare.
Der Moment der Stille verfliegt. Ein allgemeines Naserümpfen, Lächeln und Schulterzucken und dann ist er für alle vergessen. Der DJ scratcht, was kläglich misslingt – und auch zu Salsa völlig unpassend ist – und wirft willkürlich das nächste Lied an.
Der Nerd war in der Zwischenzeit ans anderen Ende des langen Tresens gewandert. Dort hatte er sich ne Mate bestellt, sich dann herumgedreht und sich einen Moment lang umgesehen. Dabei federte er mit den Knien zum Takt, es war köstlich. „Was machst du hier?“, waberte es mir immer wieder durch den Kopf. Dann verlor er aber auch meine Aufmerksamkeit, man muss ja nebenbei arbeiten.
Ich hole gerade einen neuen Kasten aus dem Lager und laufe dabei an der Tanzfläche und auch an ihm vorbei. Als gerade ein Lied endet, sehe ich im Augenwinkel, wie er seine Hand leicht von oben herab vor sich streckt und sie einer Frau reicht, die sie ergreift.
Was nun folgt, lässt nicht nur mich, sondern alle im Raum sprachlos zurück.
Was nun folgt, lässt nicht nur mich, sondern alle im Raum sprachlos zurück.
Ich mein, ich bin in Spanien gewesen, ja? Und ich hab KEINEN Spanier gesehen, der beim Tanzen dermaßen Kontrolle an den Tag gelegt hätte. Ab dem Moment, in dem sich ihre Fingerspitzen auf die seinen senkten und die Musik einsetzte, ist sie ihm völlig willenlos ausgeliefert. Nicht nur das. Ich hab sie vorher tanzen sehen. Mit eher mäßigem Erfolg. Doch dies ist jetzt sein Takt.
Die Drehungen, die Bewegungen, die er aus ihr herauskitzelt, sie wusste selbst nicht, dass sie zu so etwas in der Lage ist. Gerade hatte sie sich in seinen Arm gedreht stehen sehen, da schießt er sie wie ein Jojo in den Raum, wo sie instinktiv verharrt.
Es ist, als hätte er gezaubert. Ohne zu denken beginnt sie sich wieder auf ihn zuzudrehen und kommt in der von ihm vorgesehenen Drehung zu ihm zurückgewirbelt, wo seine Hand schon auf sie wartet, um sie zu ergreifen, sich mit ihr zu drehen um sie dann erneut in eine andere Richtung in Ekstase zu schleudern. Kein Handgriff willkürlich. Kein Überlegen.
Kein Hauch von dem sonst üblichen ungelenken Rumgestolper und vorsichtiges Abtasten zweier unbekannter Tanzpartner, die sich dann wieder auf die Füße treten und sich gepresst anlächeln. Es ist auch nicht so, als ob die beiden besonders gut zusammenpassen würden.
Er hat einfach das Selbstvertrauen, das Vertrauen in seine eigene Fähigkeit.
Er hat einfach das Selbstvertrauen, das Vertrauen in seine eigene Fähigkeit. Die Moves. Er strahlt es aus. Man merkt, dass es egal ist, wen er da umherschleudert. Der kann das einfach, das sieht man. Er muss unzählige Stunden mit Üben verbracht haben.
Das Lied gipfelt in dem Laut zweier Trompeten, bevor der wilde Rhythmus endgültig verstummt. Seine letzte Geste lässt ihn wie einen Matador zurück. Die Frau hat aufgehört sich zu drehen. Sie steht unmerklich grinsend da und atmet schwer. Dann nickt sie ihm lächelnd zu, geht hinüber zum Tresen und ein neues Lied setzt ein.
Und ungelogen, in der Zwischenzeit haben sich die Top 5! Frauen des Abends – und das waren keine Schlechten – aufgestellt, nein: ANgestellt, um mit ihm zu tanzen. Und ich steh hinterm Tresen und muss lachen. Keine von denen hätte den Kerl auf der Straße auch nur mit dem Arsch angeguckt. Nicht in hundert Jahren. Aber hier ist er Gott. Weil er es einfach draufhat.
Das erinnert mich an den Witz dieser amerikanischen Comedian, die von Stripclubs für Frauen erzählt und wie die Tänzer da ja immer noch nen Bauhelm oder ne Polizeimütze oder son Werkzeuggürtel oder sowas an haben. Und sie meinte: es ist egal, wie gut der Mann nackt aussieht, die Frau will trotzdem wissen, dass er was kann.
Selbstvertrauen ist der Schlüssel.
Headerfoto: Mean Shadows via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!