Taylor Tomlinson, meine Lieblings-Stand-up-Comedian, hat vor kurzem ein Netflix Special veröffentlicht (grooooße Empfehlung, ich habe wirklich Tränen gelacht) und dabei ein Thema angeschnitten, das ich zu 100 % nachempfinden kann. Sie spricht über Frauen und Heiraten: „Something happens, when you slip that ring on your finger. Something in your stupid lady lizard brain goes: br-br-br-br-br! Level completed!”
Für die längste Zeit meines Lebens dachte ich, dass das mein großes Ziel im Leben ist. Einen Mann zu finden, der mich so gern hat, dass er sich vorstellen kann, den Rest seines Lebens mit mir zu verbringen und mich zu heiraten. Meine ganzen Träume und Illusionen drehten sich um diese Hochzeit. Das war mein Lifegoal. Und ja, ich weiß, wie traurig das klingt. Und ja, mir ist auch bewusst, dass ich mich als Feministin dafür zutiefst schämen sollte. Tue ich auch zum Teil. Fakt ist aber, dass das meine Definition von Glück war. Eine Hochzeit.
Alles fertig geplant
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich viel zu lange nichts anderes gelesen habe als romantische Romane, zu viele Romcoms geguckt habe oder meine Mutter, die nie eine weiße Hochzeit hatte, nicht müde wurde, uns schon als Kind zu sagen, dass wir unbedingt auf eine weiße Hochzeit bestehen müssen. Aber das war das, was ich wollte. Und nicht nur das. Ich hatte meine Hochzeit bis ins kleinste Detail in meinem Kopf geplant.
Ich wusste, welches Kleid ich tragen würde. Meine Pinterest-Pinnwand war gefüllt mit meiner Auswahl der Deko, Einladungen, Torten, Brautsträuße, Kleider für meine Brautjungfrauen und Ideen fürs Poltern. Die Auswahl der Stücke für die kirchliche Trauung stand fest. Und versteht mich nicht falsch, es gab keinen Grund, mir diese ganzen Dinge zu überlegen oder eine Hochzeit zu planen. Mein Freund machte keine Anspielungen, dass ich mir besser bereits darüber Gedanken machen sollte oder ähnliches. Wir sprachen nicht über das Thema. Es passierte einfach. Ohne Grund. Ohne logischer Erklärung.
Irgendwann kam das Thema nach Jahren Beziehung doch auf den Tisch. Mein Freund hält nicht wirklich viel vom Thema Ehe oder Heirat (wir sind beide Trennungskinder) und erklärte ganz ehrlich, dass er nicht weiß, ob er jemals heiraten wollen wird. Für ihn war das kein Big Deal, schließlich sind wir glücklich und können auch so unser Leben miteinander verbringen. Für mich war es, große Überraschung, ein Big Deal! Und ich hatte große Probleme damit, das zu verdauen und zu akzeptieren.
Hochzeiten, überall!
Plötzlich fiel mir auf, wie viel Frauen über Hochzeiten sprechen. Es gibt kaum ein Treffen mit Freundinnen in meinem Alter, bei dem das Thema nicht über kurz oder lang auf den Tisch kommt. Es geht um Gästelisten, Kleider, Deko, Brautjungfrauen. Sobald ich zu Hause in Oberösterreich bin, werde ich von meiner Familie gefragt, wann endlich eine Hochzeit ansteht. Immer nur ich, nie mein Freund.
In meinem Freundeskreis gibt es sogar einen Brauch, der aus dem bayerischen Raum übermittelt wurde und „Hungerbaum“ genannt wird. Jedes Paar, das länger als 7 Jahre zusammen und noch unverheiratet ist, bekommt von den Freunden einen Baum und muss die Freunde Jahr für Jahr bis zur Hochzeit zu einer Feier einladen. Damit ja niemand glaubt, sich zu lange damit Zeit lassen zu können.
Ich hatte das Gefühl, dass mein gesamtes Leben als Frau darauf hingelaufen war und ich hatte versagt.
Von einem Tag auf den anderen fühlte ich mich bei jedem Gespräch über Hochzeiten fehl am Platz. Seit wir Kinder waren, haben meine Freundinnen und ich Hochzeit gespielt, davon geträumt, wie die Traumhochzeiten aussehen werden. Unseren engsten Freundinnen hatten wir als Freundschaftsbeweis gesagt, sie würden beim Brautkleid kaufen dabei sein oder Brautjungfrau werden. Ich konnte so tun, als wäre es kein Big Deal für mich, aber das war es. Ich hatte das Gefühl, dass mein gesamtes Leben als Frau darauf hingelaufen war und ich hatte versagt.
Gleichzeitig wurde mir aber bewusst, wie wenig es in all diesen Gesprächen, Überlegungen und meiner Pinterest-Pinnwand um uns ging. Um uns als Paar. Oder um unsere Liebe. Ich hatte bei keiner einzigen „Entscheidung“ auch nur einen kleinen Augenblick die Persönlichkeit meines Freundes in Betracht gezogen. Oder hatte überlegt, ob das die Art unserer Beziehung ausdrücken würde, ob das zu uns als Paar passte.
Eine Feier, die bewies, wie toll ich war, wie viel Stil ich hatte und bei der jeder die Chance bekam, mir zu sagen, dass ich wunderhübsch bin und so viel Glück habe.
Wovon ich geträumt hatte war eine Sandra-Feier. Eine Feierlichkeit, wo ich als Prinzessin einen Tag im Mittelpunkt stand und Rosenblüten auf mich herab segelten. Wo sogar die Wasserflaschen auf den Tischen farblich abgestimmt waren. Eine Feier, die bewies, wie toll ich war, wie viel Stil ich hatte und bei der jeder die Chance bekam, mir zu sagen, dass ich wunderhübsch bin und so viel Glück habe.
Und wenn ich ganz ehrlich war, war in meiner Vorstellung nicht mal mein Freund neben mir gestanden. Auch niemand anders. Sondern ein kopfloser Mann wie eine Schaufensterpuppe, ein Mittel zum Zweck, damit ich diesen Wahnsinn, diese Idee rechtfertigen könnte.
Mein Lifegoal war genau das gewesen: Wahnsinn! Denn ich habe nicht von einem Partner geträumt, mit dem ich in diesem Leben stehen konnte. Alles, was ich wollte, war dieser eine Tag, der quasi beweisen sollte, dass ich wertvoll bin. Wie ein Zeugnis, auf dem steht: „Ich bin toll, dieses Hochzeitsfoto beweist das.“ Und je länger ich darüber nachdachte, desto mehr störten mich diese ganzen Fragen, wann ich endlich heiraten würde. Es nervte mich, wenn wir Frauen über Hochzeiten sprachen, als würde danach erst das richtige Leben beginnen.
Glücklich auch ohne Ring
Als hätten wir genau wie ganz am Anfang beschrieben unser Level geschafft und das Spiel des Lebens ausgespielt. Und ich wehrte mich gegen den Brauch des Hungerbaums, weil ich nicht finde, dass die Qualität einer Beziehung dadurch definiert werden kann, ob man einen Ring am Finger trägt. Ich weiß nicht, ob es noch andere Frauen gibt, die so empfinden. Aber ich möchte mich nicht mehr so fühlen, als hätte ich versagt, nur weil an meinem Finger kein Ring steckt.
Denn darum geht es nicht. Und wenn mir jemand gratulieren möchte, so soll er mir doch dazu gratulieren, dass ich glücklich bin. Denn das sind wir. Wir sind glücklich, an den meisten Tagen. An manchen Tagen nerven wir uns, an manchen streiten wir. Aber an den meisten Tagen sind wir glücklich. Und das würde ein Ring nicht ändern. Ich weiß nicht, ob wir je heiraten werden. Er hatte Recht: It’s not a big deal. Aber wenn wir heiraten, dann so, dass es zu uns passt. Ohne Rosenblätter und Prinzessinnen.
Dieser Text ist bereits hier erschienen.
Headerbild: Alvin Mahmudov via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!