Wo der Ruf nach Gleichberechtigung, nach selbstbewusster Aussprache und Akzeptanz lauter wird, ist die führende Farbe Rot. Zerfließt in Wasser, ziert Finger, Stofffetzen und streut sich in Rosenblättern über weiße Laken. Was aber, wenn die Regel ausbleibt. Welche Farbe tragen wir dann?
Die weibliche Blutung ist in all ihrer Natürlichkeit ein Sprachrohr im Kampf-Gesang des Feminismus geworden. Ganze Instagram Kanäle füllen sich mit Flecken verzierten Unterwäschebildern.
Die weibliche Blutung ist in all ihrer Natürlichkeit ein Sprachrohr im Kampf-Gesang des Feminismus geworden. Ganze Instagram Kanäle füllen sich mit Flecken verzierten Unterwäschebildern. Die Werbekampagnen der Hygiene-Artikel-Anbieter werden endlich farbenfroh und setzen, statt auf das künstliche Sauberkeits-Blau, nun endlich auch auf Rot. Einer Gesellschaft, die das Verschweigen und Verstecken der weiblichen Blutung gewohnt ist, ist das neu. Im selben Moment möchten etliche Frauen in den Ruf mit einstimmen, doch ihre Wäsche bleibt Monat für Monat – weiß.
Es war ein Kommentar auf dem Instagram Kanal von Alexandra Stanic, der mich dazu animiert hat, das Thema aufzugreifen. Thema des Posts: die Pille. Ein weiteres Sujet, über das ich etliche Zeilen schreiben könnte, meine Aufmerksamkeit erregt haben jedoch die vielen Kommentare, in denen Mädchen und Frauen erzählt haben, dass sie die Pille zuallererst wegen ihrer unregelmäßigen oder ausbleibenden Regel nehmen – der Arzt sagt, das sei gut! – nicht nur für die Verhütung.
Es macht mich gleichermaßen ärgerlich wie traurig, dass so viele Frauen in die Irre geführt werden und, brav den Anweisungen folgend, ihren eigenen Körper verwirren.
Es macht mich gleichermaßen ärgerlich wie traurig, dass so viele Frauen in die Irre geführt werden und, brav den Anweisungen folgend, ihren eigenen Körper verwirren. Die Pille ist ein Hormonpräparat, das dem Körper einen gewissen Zeitpunkt im Zyklus suggeriert. Ich wiederhole suggeriert = vorgeben = anlügen, auf gut Deutsch gesagt.
Die weibliche Regel tickt aber nicht immer nach der Monatsuhr. Sie hat ihren eigenen Rhythmus, bestimmt von vielen Faktoren – wie Ernährung, Stress, Umgebung, Gewicht. Mann kann mit so vielen medizinischen Mitteln nachjustieren, wie man möchte. Eine stillstehende Uhr braucht den richtigen Uhrmacher – der Körper kann das oft nur selbst.
Mit Alexandra habe ich genau darüber gesprochen und ihr im Rahmen ihres #itsallaboutourblood Projekts meine persönliche Geschichte erzählt. Nicht nur, weil sie ein Teil meiner Vergangenheit und damit meiner Person ist, sondern weil ich anderen Frauen Mut machen möchte, auch über die Dinge zu sprechen, die nicht „da“ sind.
Was zuerst als eine normale ‚Begleiterscheinung von psychischem Stress‘ beschrieben wurde, bekam später den Titel ‚Folge einer zu hohen Gewichtsabnahme‘ auferlegt.
Als ich mit gut 15 Jahren für ein Auslandsjahr nach Frankreich ging, blieb schon mit dem ersten Monat die Regel aus. Was zuerst als eine normale ‚Begleiterscheinung von psychischem Stress‘ beschrieben wurde, bekam später den Titel ‚Folge einer zu hohen Gewichtsabnahme‘ auferlegt. Beides berechtigte Annahmen, da das Ausbleiben der Regel während Auslandsaufenthalten häufig vorkommt und ich – zugegeben – in dieser Zeit abgenommen habe. Doch auch mit der Rückkehr nach Hause blieb die Regel aus.
Ein Jahr verging.
Besuche bei Ärzten führten mich vom Frauenarzt, der auch mir die Pille verschrieb, zum Allgemeinmediziner und TCM Spezialisten. Diagnose: alles gut, alles normal. Eigentlich sollte ich jeden Monat ganz normal die Regel bekommen.
Ein weiteres Jahr verging.
Ich begann mir jene Fragen zu stellen, die schwer auszusprechen sind: „Was, wenn ich nie Kinder bekommen kann?“, „Welche Krankheit könnte der Grund für das Ausbleiben der Periode sein?“. Keine Antworten zu bekommen führte dazu, dass ich mich zunehmend weniger als Frau fühlte und begann, meine Weiblichkeit anzuzweifeln. Es war, als würde ein Teil von mir fehlen – immerhin hatte ich ihn ja schon einmal kennengelernt.
Ein weiteres Jahr verging.
Irgendwann stellte ich die Pille ab und ließ den chinesischen Tee im Schrank stehen. Diskussionen mit Ärzten und mir selbst beendet – neuer Zugang: Akzeptanz.
Ein weiteres Jahr verging.
Ich zog nach Wien und fühlte mich zum ersten Mal seit langer Zeit so richtig wohl. Ich hatte eine Wohnung, die ich mein Zuhause nennen konnte, eine Arbeit, die mir Spaß machte – und nach wie vor Spaß macht –, Menschen um mich, die mir lieb waren und noch wichtiger: gefühlt meinen Platz im Leben gefunden. Ein paar Monate später, aus dem Nichts heraus, war sie wieder da – die Regel.
Was mir kein Arzt verschreiben konnte, war ein gesundes Maß an Vertrauen in meinen Körper und eine gehörige Portion Entspanntheit.
Gut fünf Jahre hat es gedauert, bis mein Körper beschlossen hat, dass er die Energie, die er sonst in alle möglichen kreativen Lebens-Spinnereien stecken musste, endlich wieder dem Zyklus schenken konnte. Mit der Regel kam auch die Weiblichkeit zurück. Mein Körper veränderte sich. Auf einmal war ich gefühlt schon wieder „zu viel“ Frau. Ich musste mich an die neuen Kurven gewöhnen, an die monatliche Veränderung meiner Haut und das Körpergefühl. Was mir kein Arzt verschreiben konnte, war ein gesundes Maß an Vertrauen in meinen Körper und eine gehörige Portion Entspanntheit.
Ich beschreibe hier eine Erfahrung, wie sie andere junge Frauen auch machen. Es gibt viele verschiedene Gründe für das Ausbleiben der Regel. Manche sind temporär, manche langfristig. Manche können behandelt werden, manche nicht.
Wichtig ist an dieser Stelle zu sagen: Der Weg zum Arzt ist in vielen Situationen sicher der Richtige. Und auch ein Hormon-Anstoß kann in vielen Fällen ein wichtiger sein. Hört nicht auf, zu Routine-Untersuchungen zu gehen oder die Pille zu nehmen, wenn sie Euch wirklich guttut. Manche körperliche Veränderungen jedoch können medizinisch nicht erklärt werden und haben tieferliegende Gründe.
Es ist ein Tabu im Tabu, über das geredet werden sollte.
Selbst wenn öffentlich mittlerweile über die Regel geredet wird, bleibt das Ausbleiben derselben quasi unerwähnt.
Ebenso verborgen bleibt das Gefühl vieler Frauen, auf eine sehr ungewöhnliche Art von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein. Es ist ein Tabu im Tabu, über das geredet werden sollte.
Headerfoto: Alexandra Stanic via Stellamina.com. („Körperliches“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!