Ein Resümee aus der Inspirations-Bubble – was ich von Selbstliebe-Gurus und Life-Coaches gelernt habe

Im Moment befinde ich mich mal wieder in dieser Phase, die ich als kreativer Mensch hasse, wenn nicht sogar fürchte. In meinem kreativen Loch gefangen, tigere ich durch die Wohnung, mit dem Wunsch irgendetwas zu erschaffen, zu kreieren, zu erreichen.

Zwar würde ich mich als absolut kreative Person beschreiben und behaupten, Ziele zu haben, die mehr beinhalten als z. B. Geld verdienen, zu reisen und frei zu sein. Irgendwas sinnvolles, bewegendes, visionäres halt. Das übliche.

Doch ist das wirklich ein Wunsch, oder doch eher ein Zwang, der Druck von außen?

Doch ist das wirklich ein Wunsch, oder doch eher ein Zwang, der Druck von außen?

Soziale Medien haben einen Einfluss auf mich, seitdem ich ca. 14 Jahre alt war. Angefangen mit Facebook und den Menschen, die ich aus der Schule und dem Bekanntenkreis eben mehr oder weniger kannte, und die dann doch alle irgendwie cooler waren als ich selbst, entwickelte sich diese Online Welt irgendwann zu einer Bubble aus Inspiration, Motivation und Menschen, die alles zu haben und zu wissen scheinen.

Der Druck, immer motiviert zu sein

Meine Bubble war lange Zeit eine spirituelle Bubble aus Selbstliebe-Gurus und Life-Coaches – wo nichts gegen einzuwenden ist. Ich möchte nichts gegen diese Gurus und Coaches sagen, vermutlich helfen sie vielen Menschen (allen voran sich selbst?).

Eine gewisse Zeit tat es auch mir gut, mich inspirieren und motivieren zu lassen, nach mehr im Leben zu suchen und zu mir selbst finden zu wollen. Einen anderen Blick auf unsere Existenz einzunehmen und zu versuchen, einen durchweg positiven Blick auf dieses Leben zu haben. Vielleicht war und bin ich eben auch zugänglich für diese Inhalte, weil ich ein Maß an sinnvollen, bewegenden, visionären Zielen in mir trage.

Jedoch sieht die ganze Geschichte aus meinem kreativen Loch allmählich ganz anders aus. Mit der Zeit wurde mir wohl auch klar, dass mein kreatives Loch ganz einfach nur ein Loch ist. Die allgemeine Situation, in der wir gerade alle stecken, zehrt an meinen Nerven, an meiner Geduld, an meiner Hoffnung.

Fast zwei Jahre erzähle ich mir jetzt “Das wird schon irgendwie”, versuche meine Ziele zu erreichen, nur um immer und immer wieder auf die Schnauze zu fallen.

Fast zwei Jahre erzähle ich mir jetzt “Das wird schon irgendwie”, versuche meine sinnvollen, bewegenden, visionären Ziele zu erreichen, nur um immer und immer und immer wieder auf die Schnauze zu fallen, entmutigt zu werden, festzustellen, dass es eben doch nicht irgendwie wird.

Und dann schleichen sich diese Gedanken ein. Die Tipps und Regeln der Selbstliebe-Gurus und Life-Coaches.

Es muss an mir liegen.

Ich versuche nicht genug.

Vielleicht will ich es nicht wirklich.

Will ich eigentlich das Richtige?

Was ist mein wirklicher Herzenswunsch?

Mit diesem negativen Mindset kann das dann schließlich auch nichts werden.

Meine Gedanken sind schuld.

Ich arbeite nicht genug.

Überhaupt bin ich gar nicht achtsam, meditativ, spirituell, präsent genug.

Diese Gedanken – die mich alles hinterfragen und anzweifeln lassen – allen voran mich selbst. Ich muss es doch einfach nur genug wollen. Die einzigen Grenzen sind die in meinem Kopf.

Die beste Version meines Selbst

Nach all den Jahren in meiner funkelnden, inspirierenden “Create your dream life”-Bubble ist gefühlt alles, was mir persönlich davon bleibt, ein pausenloses Gefühl der Rastlosigkeit und der Druck und Zwang, etwas erreichen zu müssen. Nicht das typische “Reich und erfolgreich sein”-erreichen, sondern eben die höhere Vision.

Doch da komme ich nie an, kann doch eigentlich nie gut genug dafür sein – obwohl mir doch alle erzählen wollen, dass ich gut genug bin. Weil irgendwer immer noch einen draufsetzt. Mir immer wieder auf ganz subtile Weise einzureden weiß, warum mein Leben eigentlich scheiße ist, was alles nicht läuft.

Für mich persönlich habe ich festgestellt, dass es ein sehr schmaler Grat zwischen hilfreicher Inspiration und subtiler Manipulation ist.

Für mich persönlich habe ich festgestellt, dass es ein sehr schmaler Grat zwischen hilfreicher Inspiration und subtiler Manipulation ist.

Meine Bubble scheint trotz alledem Millionen Menschen zu helfen, ihr Leben zu verändern. Meines nicht. Und frage ich mich, ob bei anderen auch der Punkt kommt, an dem es zu viel ist, an dem sich motivierende Gedanken in Selbstzweifel, Frustration und Ängste verwandeln. Oder bin das nur ich?

Denn neben meinen sinnvollen, bewegenden, visionären Zielen besteht eben auch eine Tendenz zu bodenlosen Selbstzweifeln und endlosen Sinn-des-Lebens-Fragen. Und je länger ich in meinem Loch herumtigere, desto bewusster wird mir, wie ungesund all diese Fragen für mich sind. Wie ungesund zwanghafte Gedanken, wie etwas Höheres (was auch immer das dann sein soll) erreichen und vor allem in allen Lebensbereichen und Lagen glücklich und erfüllt sein zu müssen, mich machen.

Vielleicht habe ich den Bubble-Bereich, in dem die Gurus und Coaches mir einfach nur sagen, dass es okay ist, monatelang nichts zu erreichen, ausgeklammert oder verpasst.

Vielleicht habe ich den Bubble-Bereich, in dem die Gurus und Coaches mir einfach nur sagen, dass es okay ist, monatelang nichts zu erreichen, unzufrieden zu sein und keine Visionen zu manifestieren, ausgeklammert oder verpasst. Dass es kein Programm oder Buch, keinen Podcast und keine Meditationsapp gibt, die meine Probleme, meine Ängste, Sorgen, Zweifel und meinen Schmerz von heut auf morgen heilen werden – außer vielleicht eine richtige Therapie.

Und ja, es ist meine Verantwortung, wie ich mich fühle. Ja, es sind meine Gedanken, die meine Gefühle kreieren und umgekehrt. Aber sind es die zehn Menschen, mit denen ich mich am meisten umgebe, die einen Einfluss auf mein Leben haben? Für mich trifft wohl eher zu, dass, sobald ich mich konstant, wenn auch nur online, mit Leuten umgebe, die mit Leichtigkeit ihre sinnvollen, bewegenden, visionären Ziele erreichen und denen permanent die Sonne aus dem Arsch scheint (sorry), meine mentale Gesundheit und mein Selbstwertgefühl den Bach heruntergehen.

Es ist okay, auch mal alles in Frage zu stellen

Ich will nicht sagen, dass die Gurus und Coaches aus der Bubble, die ich lange verfolgt habe, keine Daseinsberechtigung haben – denn jede:r hat das! Und wenn sie dir helfen, ist das toll.

Ich will nur sagen, dass es okay ist, mal eine ganze Weile nicht groß zu denken, keine sinnvollen, bewegenden und visionären Ziele zu haben, nichts zu manifestieren und aufs Handy zu starren anstatt in die eigene Seele. Dass es okay ist, auf die Schnauze zu fallen und das verflucht nochmal scheiße zu finden. Im Dreck liegenzubleiben, anstatt aufzustehen und ein imaginäres Krönchen zu richten.

Es ist in Ordnung, wenn du dich seit zwei Jahren in einem Loch befindest, in einer Krise und da einfach nicht so recht herausfindest – weil diese Welt gerade nichts anderes ist.

Es ist in Ordnung, wenn du dich seit zwei Jahren in einem Loch befindest, in einer Krise und da einfach nicht so recht herausfindest – weil diese Welt gerade nichts anderes ist. Du darfst heulen und trotzdem nicht durch den Schmerz gehen, weil es gerade unerträglich ist. Und du musst nicht permanent an dir arbeiten und dein bestes Selbst sein. Du musst nicht höher, weiter, schneller, besser sein, als du es gestern, letzte Woche, letztes Jahr oder im letzten Leben warst.

Nach all diesen Ausschweifungen ist es einfach, sich zu fragen, was das eigentlich noch mit meinem kreativen Loch zu tun hat. Ich glaube, es ist der selbst auferlegte Zwang, in meiner kreativen Arbeit immer einen tieferen Sinn sehen zu müssen. Ich glaube, es ist die Idee, in meinem Leben eine Vision für mich kreieren zu müssen, die meine Kreativität beinhaltet.

Und so fühlt sich jedes kreative Loch und jede Blockade, jede Phase, in der ich nicht mehr weiß, wohin mit mir und in der mich meine negativen Gedanken und Gefühle überrennen, nach Verschwendung und Versagen an.

Den eigenen Weg finden

Dabei habe ich doch gelernt (und das nicht von irgendwem aus der Internet-Bubble, sondern durch eigene Erfahrung), dass es gute und schlechte Phasen im Leben gibt. Und dass diese Phasen beide gleichermaßen wichtig sind, um zu wachsen und sich zu entwickeln, um den eigenen Weg zu finden.

Dabei habe ich doch gelernt (und das nicht von irgendwem aus der Internet-Bubble, sondern durch eigene Erfahrung), dass es gute und schlechte Phasen im Leben gibt.

Der eigene Weg, der nicht bedeutet, mit spätestens 30 ein millionenschweres Unternehmen meditierend von Bali aus zu führen, sondern einfach das eigene Leben zu leben, zu gestalten und manchmal auch einfach bloß auszuhalten.

Wenn es richtig gut läuft, habe ich dazu noch 70-80 Jahre Zeit. Warum mache ich mir also so einen Stress über zwei beschissene Jahre, in denen eigentlich auch ganz gute Dinge passiert sind, die lediglich nicht in die funkelnde Inspirations-Bubble passen…

Headerfoto: Yan Krukov (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

Nele schreibt und reflektiert – um sich selbst, das Leben und seine Herausforderungen zu verstehen. Und um die chaotischen Gefühle und Gedanken zu sortieren, die sich manchmal so groß und so überwältigend anfühlen können. Ansonsten fotografiert sie, stapft auf der Suche nach Entschleunigung durch die Natur und philosophiert mit ihren Freundinnen über Spiritualität, den Sinn des Lebens und Männer.

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