Easy Money? Warum Geld allein mich auch nicht glücklich macht

Um hier zu Beginn sofort eins klarzustellen: Ich bin mir bewusst, wie privilegiert diese Aussage klingt. „Geld allein macht nicht glücklich“. Sofort habe ich beim Schreiben das Gefühl, hinter mir steht eine wilde Meute von Menschen, die mich anbrüllt, dass man es sich auch erst einmal leisten können muss, so etwas zu sagen.

Und ja, natürlich haben sie recht. Ich kann das sagen, weil es mir momentan nicht an Geld mangelt. Ich befinde mich in der luxuriösen Position, ohne Probleme meine Miete bezahlen zu können, einmal im Jahr in Urlaub zu fahren und mir dann und wann ein Fashionpiece zu leisten, das ich gerne haben will. 

Wenn das Geld normalerweise kaum für das Nötigste reicht, bedeutet mehr Geld natürlich auch weniger Sorgen. Und weniger Sorgen zu haben, erleichtert es natürlich auch, glücklich zu sein.

Einige Menschen können das nicht. Wenn das Geld normalerweise kaum für das Nötigste reicht, bedeutet mehr Geld natürlich auch weniger Sorgen. Und weniger Sorgen zu haben, erleichtert es natürlich auch, glücklich zu sein.

Aber Achtung, jetzt folgt gleich die nächste polarisierende Aussage: Nicht alle Sorgen, die ein Mensch so haben kann, sind automatisch mit mehr Geld aus der Welt zu schaffen. Das durfte ich auch am eigenen Leib spüren.

Money Job – wenn der einzige Vorteil des Jobs ein gutes Gehalt ist

Wir erinnern uns alle an die Anfänge der Corona-Krise, wir stecken immer noch mittendrin. Sie hat wahnsinnig viele Menschen den Job gekostet und andere Berufsgruppen hat sie mit Arbeit überhäuft: Ärzt:innen, Krankenpfleger:innen, Behörden, Politiker:innen, (alleinerziehende) Eltern. Ja, ich definiere Care-Arbeit als Arbeit. Und ich setze noch einen drauf: schlecht oder unterbezahlte Arbeit.

Ja, ich definiere Care-Arbeit als Arbeit. Und ich setze noch einen drauf: schlecht oder unterbezahlte Arbeit.

Mir als damaliger Freelancerin fiel zum richtigen Zeitpunkt ein neuer Job vor die Füße. Zwar nicht das, was ich gelernt hatte, und auch nicht das, was ich unbedingt machen wollte, aber es war ein festes Gehalt. Ein Gehalt, das mir ausgezahlt werden würde, unabhängig davon, ob ich erkranke oder mal in Urlaub fahren will.

In diesem Moment bedeutete das Gehalt für mich den größten Standard an Sicherheit, den ich mir hätte wünschen können. Die Befürchtung, dass Corona mich mittellos machen würde, war vom Tisch.

Aber das Glück durch Sicherheit hielt auch nicht lange. In der Retrospektive war ich vielleicht ein halbes Jahr froh darüber, diesen Job machen zu dürfen. Den Rest der insgesamt fast 2 Jahre betrachtete ich das Gehalt als Schmerzensgeld, das mich dafür entschädigen sollte, einen Job zu machen, der überhaupt nicht zu mir passte.

Die Sorge um das Geld, die ich vorher als freie Redakteurin immer wieder hatte, wurde nun, da ich Geld hatte, von der Sorge abgelöst, nie wieder etwas machen zu können, was mir beruflich Spaß macht. Und diese Sorge wiederum mündete in eine manifeste Zukunftsangst, die ausnahmsweise nichts mit Geld zu tun hatte. Sondern mit meinen Lebenszielen.

Die Geschichte von der Arbeitsmoral

Trotzdem habe ich verhältnismäßig lange an meinem Job festgehalten, weil ich dachte, ich müsste das. Denn wie viele andere Menschen in meiner Generation komme ich aus einem Einfach-Verdiener-Haushalt. Soll heißen: Mein Vater arbeitete von früh morgens bis spät abends und meine Mutter kümmerte sich um meine Schwester und mich.

Oft saß mein Vater nach der Arbeit völlig erschöpft am Esstisch und war selbst zu müde, um uns wenigstens ins Bett zu bringen. Erst als ich älter wurde, erkannte ich, welch immenses Opfer er für uns erbracht hatte: Er widmete 10 Stunden am Tag, 5 Tage die Woche und 48 Wochen seiner Lebenszeit im Jahr gänzlich seiner Arbeit. 40 Jahre lang.

Ich habe meinen Vater nie gefragt, ob ihm die Arbeit Spaß gemacht hat oder ob er glücklich war.

Für persönliche Träume, Spontanität und so etwas, das wir heute gerne als Work-Life-Balance bezeichnen, hatte mein Vater vor seinem 65. Lebensjahr kaum Zeit. Unabhängig davon, ob er seinen Job mochte oder nicht: Er musste hingehen, jeden Tag, weil er uns als Familie zu versorgen hatte. Ich habe ihn nie gefragt, ob ihm die Arbeit Spaß gemacht hat oder ob er glücklich war.

Zwischen Opferbereitschaft und Selbstverwirklichung

Heute ist mir klar, dass ich ihm wahnsinnig viel zu verdanken habe. Ich musste mir nie Sorgen um Geld machen, denn er verdiente genug für uns alle. Allerdings ist mir heute auch klar, dass ich nicht so arbeiten und leben will, wie mein Vater es getan hat.

Was ist das für ein Leben, in dem ich meine besten Jahre und die tollsten Abenteuer dem Meistbietenden verkaufe? Was bleibt dann am Ende, wenn ich Mitte 60 bin und damit im schlimmsten Fall zu alt für das, was ich erleben wollte?

Ich bin nicht bereit, einen Job zu machen, der mehr Schmerzen und Entbehrungen als Möglichkeiten zur Entfaltung meiner Persönlichkeit bietet. Und das nur, weil das Gehalt mich für all diese Entbehrungen entschädigen soll. Denn mal im Ernst: Kann Geld uns für verlorene Zeit entschädigen. 

Was ist das für ein Leben, in dem ich meine besten Jahre und die tollsten Abenteuer dem Meistbietenden verkaufe? Was bleibt dann am Ende, wenn ich Mitte 60 bin und damit im schlimmsten Fall zu alt für das, was ich erleben wollte? Will ich nicht lieber einen Job haben, der mir Spaß macht? Der mich persönlich weiterbringt – und zwar auf dem Weg, den ich gehen will – und der mehr mich erfüllt als mein Konto?

Das wahre Glück und was Geld am Ende doch damit zu tun hat 

Ich kündigte also und wechselte wieder zu dem unsicheren und manchmal dürftig bezahlten Projekt-Geschäft als Freelancerin zurück. Und es ging mir so viel besser damit. Denn ich wusste, dass es nicht immer so bleiben würde. Irgendwann würde ich mit dem, was ich liebe, Geld verdienen. Ausreichend viel, um mich selbst zu versorgen. Vielleicht würde ich nie reich werden, aber das ist auch nicht mein Anspruch.

Viel wichtiger, als nur viel Geld zu verdienen ist der Mehrwert, den ich abseits vom Gehalt aus meiner Tätigkeit ziehe: Zufriedenheit. Freude. Genügend Zeit für mich, meine Freunde, meine Familie. Natürlich muss man sich auch eine solche Entscheidung leisten können, das ist mir bewusst.

Viel wichtiger, als nur viel Geld zu verdienen ist der Mehrwert, den ich abseits vom Gehalt aus meiner Tätigkeit ziehe: Zufriedenheit. Freude. Genügend Zeit für mich, meine Freunde, meine Familie. Natürlich muss man sich auch eine solche Entscheidung leisten können, das ist mir bewusst. Aber wenn man sich sie leisten kann, darf man die Entscheidung für oder gegen einen bestimmten Job auch treffen. 

Insofern macht Geld vielleicht doch glücklich, denn mit genügend Geld kann man sich dieses kostbare Gut „Zeit“ durchaus kaufen. Aber mehr Geld, als es dafür braucht, macht einen auch nicht glücklicher.

Headerfoto: cottonbro (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

LINDA hat an Heiligabend Geburtstag, kommt aus dem Rheinland, ist aber im Herzen Hamburgerin. Sie hat Literatur in Bonn und Hamburg studiert und mit einer Arbeit über die Liebe abgeschlossen. Für die Liebe ist sie auch nach Berlin gezogen. Bei im gegenteil liest sie deswegen auch Liebesbriefe und sorgt dafür, dass diese hübsch gemacht sind für dieses Internetz.

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