Freitagnacht. Eine Bar irgendwo in der Großstadt. Ist da noch Platz? Ja. Ein Drink. Noch einer. Rumknutschen. Am nächsten Abend kommst du meine Treppe hoch.
Seitdem saßt du ganz schön oft auf meinem Sofa. Irgendwie einfach so, als hätte ich kaum etwas mitbekommen davon. Als wüsste ich gar nicht, wie du überhaupt hier reingekommen bist. Du liegst neben mir im Bett, streichst mir die Haare aus dem Gesicht und siehst mich an. Du kannst deinen Blick kaum abwenden. Und ich kenne diesen Blick. So gut kenne ich diesen Blick. Von mir selbst.
Du kannst deinen Blick kaum abwenden. Und ich kenne diesen Blick. So gut kenne ich diesen Blick. Von mir selbst.
Wir schließen lachend die Tür auf, es ist schon früher Morgen. Bald fünf Uhr. Du legst dich neben mich und umschließt mich mit deinen starken Armen und sagst, dass du lange nicht mehr so gut einschlafen konntest. Dann ziehst du mich enger an dich. Ich kenne das, einen Menschen noch enger an sich heranziehen zu wollen. So gut. Von mir selbst.
Ich stehe an der Balkontür, rauche eine Zigarette. Du stellst dich neben mich, machst dir auch eine an. Dein Lächeln ist so breit als du mich ansiehst, mich zu dir ziehst und mich küsst. Nach dem Kuss ist dein Lächeln noch breiter. Ich kenne dieses breite Lächeln so gut. Von mir selbst.
Du sagst, du willst mit mir wegfahren. Weil ich schon den einen oder anderen Drink intus habe, spinne ich die Geschichte mit dir zusammen aus. Der Gin trägt uns nach Spanien, nach Griechenland, bis hin nach Australien. Deine Augen leuchten vor Vorfreude. Ich kenne dieses Leuchten. So gut. Von mir selbst.
Das, was ich mir in den vergangenen Monaten so sehr gewünscht habe, wird mir auf dem Silbertablett serviert. Der Tisch ist gedeckt. Und ich habe einfach keinen Appetit mehr.
Es ist erst drei Wochen her, aber seitdem bist du irgendwie da. Und auf einmal ist irgendwie alles da, was ich immer nur gut von mir selbst kannte, aber nie wirklich da war. Jetzt ist es da. Und? Es berührt mich nicht. Ich stehe plötzlich auf der anderen Seite und das, was ich mir in den vergangenen Monaten oder vielleicht sogar Jahren so sehr gewünscht habe, wird mir auf dem Silbertablett serviert. Der Tisch ist gedeckt. Und ich habe einfach keinen Appetit mehr.
Ich kenne das alles von mir selbst. Nur leider nicht in Verbindung mit dir. Sondern mit ihm.
Du bist schön und groß und klug und nett. Du magst mich. Und hast keine Bedenken, mich das spüren zu lassen. Du bist toll und ich bin. Ich bin irgendwas. Mein Herz ist ein Adrenalin-Junkie. Und es schläft hier einfach ein.
Es ist einfach anders. Es ist so anders als damals. Und es ist eigentlich so richtig wundervoll, dass es anders ist als damals, weil damals, von einem gesunden Menschenverstand aus betrachtet, so richtig scheiße war. Und anders als scheiße sollte erstmal positiv sein. Ich sehe es einfach neutral. Viel zu neutral.
Du bist toll und ich bin. Ich bin irgendwas. Mein Herz ist ein Adrenalin-Junkie. Und es schläft hier einfach ein.
Ich wünschte, dass es nicht anders wäre. Nur ein bisschen. Aber auch irgendwie gleich. Weil ich es kaum abwarten können will, dich wiederzusehen. Weil ich beim Duschen vor dem Date mein Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommen möchte. Weil ich aufgeregt sein will. Weil ich mir schon Tage vorher das perfekte Outfit im Kopf zusammen stellen möchte und dann kurz vorher doch noch in die Stadt fahren möchte, um mir etwas komplett Neues zu kaufen.
Weil mein Herz wie wild schlagen soll, wenn es klingelt. Weil ich ungeduldig auf die nächste Nachricht von dir warten will. Weil ich zusammen mit dir einschlafen will. Und frühstücken. Aber so sehr ich das alles will, mein Kopf das alles will, mein Herz will nicht.
Ich wache jeden Morgen auf und wünsche, dass es heute anders ist. Dass mein Herz auf einmal das Adrenalin bekommt, was es braucht, um aus seinem Schlaf gerissen zu werden. Dass es die Augen aufmacht und erkennt, dass es gut ist. Dass du gut tust. So viel besser als er für mich bist.
Vielleicht kann das Herz einfach mal schlafen gelassen werden. Es ist ja auch noch so erschöpft. Von ihm. Solange kann der Kopf aber genießen, im Hier und Jetzt.
Weil meine Oberfläche dich schon so sehr begeistert, dass du es kaum erwarten kannst, alles Darunterliegende zu erforschen. Weil ich für dich nicht hinter sieben anderen Prioritäten hinten anstehe. Weil du den Mut und vor allem das Herz hast, zu zeigen, dass du mich willst. Weil du dich nicht hinter fragwürdigen, kopflastigen Aussagen verstecken musst. Deswegen bist du so viel besser und hast so viel mehr verdient.
Und auch, wenn mein Herz es nicht begreift und es wohl auch wahrscheinlich nie begreifen wird – es ist gerade gut. Und ich finde das gut. Weil es mir gut tut. Vielleicht muss gar nicht alles immer mit dem Herzen in Einklang sein, jedes bisschen mit ihm ausdiskutiert werden. Vielleicht kann das Herz einfach mal schlafen gelassen werden. Es ist ja auch noch so erschöpft. Von ihm. Solange kann der Kopf aber genießen, im Hier und Jetzt.
Headerfoto: Thought Catalog via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
„Solange kann der Kopf aber genießen, im Hier und Jetzt.“
Solange, bis du über ihn hinweg bist und merkst, dass das Jetzt genießen mit dieser Person dich nicht erfüllt und dir nicht mehr reicht? Weil du das, was du von dir kennst, wieder bei jemanden fühlen willst?
Danke Alessa ♥️
Ein sehr schöner Text, der tief berührt und ein wenig traurig stimmt.
„Vielleicht kann das Herz einfach mal schlafen gelassen werden. Es ist ja auch noch so erschöpft. Von ihm.“