Die nackte Wahrheit: Ich will nicht mehr für andere schön sein

Vor einer Weile habe ich Selbstporträts gemacht, die ich – ohne es zu wissen – schon lange machen wollte. Nacktbilder.

Moment mal, diesen Text habe ich schonmal geschrieben. Und doch finde ich mich gerade in einer ähnlichen Situation wieder.

Etwas über ein Jahr ist es nun her, dass ich diese Zeilen schrieb. Nacktbilder habe ich in der Zwischenzeit viele gemacht. Schöne, „versaute“, „unschuldige“, leidenschaftliche, lustlose. Bilder, welche ich verkauft habe, bis ich nicht mehr wollte. Bis es sich nicht mehr gut angefühlt hat.

Aktfotografie ist wohl mit die intimste Art der Fotografie. Sie kann dich empowern, sie kann dich verletzlich machen.

Meine Auseinandersetzung mit Aktfotografie begann nicht mit meiner Fotografie-Ausbildung, sondern erst eine ganze Weile danach, in Form von Selbstporträts. Es begann zögernd, fragend, zweifelnd, wurde intensiv, kraftvoll, ermächtigend und endete frustriert, vorwurfsvoll, enttäuschend.

Für mich waren Selbstporträts schon ganz früh meine Form des Ausdrucks. Was andere am besten über Worte oder Pinselstriche, Noten oder Bewegungen ausdrücken können, fange ich mit einem Klick über den Selbstauslöser ein.

Für mich waren Selbstporträts schon ganz früh meine Form des Ausdrucks. Was andere am besten über Worte oder Pinselstriche, Noten oder Bewegungen ausdrücken können, fange ich mit einem Klick über den Selbstauslöser ein.

Die Kamera aufbauen, einstellen, die Perspektive und den Ausdruck finden ist wie Therapie für mich. Es ist eine Zeit, in der ich nicht nachdenke, mich nicht ablenke und in der ich trotz alledem so viel begreifen und entwickeln kann. Dabei entdecke ich mich immer neu, lerne mich immer wieder besser kennen und meine Emotionen verstehen.

Das Ziel aus den Augen verloren

Und doch habe ich im vergangenen Jahr meine Selbstporträts sehr viel weniger für mich selbst und stattdessen immer mehr für ein Publikum gemacht. Und so endete mein Weg der Nacktbilder eben mit frustriert Sein, in Vorwürfen und der Enttäuschung über mich selbst. In dem Punkt, an dem ich nicht mehr wollte, an dem es sich nicht mehr richtig anfühlte.

Es ist wohl das Dilemma derjenigen, die ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Das, was ungezwungen ganz leicht von der Hand geht, wird unter dem Druck, abliefern zu müssen, ein Krampf und Kampf.

Und ich kämpfte. Kämpfte mit dem gefühlten Druck, Erwartungen und Wünschen entsprechen zu müssen. Andere zufriedenzustellen, anstatt mich selbst zu verwirklichen. Abzuliefern, anstatt Pausen zu machen.

Ich redete mir ein, immer noch dahinterzustehen und all den Aufwand, hübsch auszusehen und mich zurecht zu retuschieren, für mich selber zu betreiben.

Ich redete mir ein, immer noch dahinterzustehen und all den Aufwand, hübsch auszusehen und mich zurecht zu retuschieren, für mich selber zu betreiben. Begann zu vergessen, dass ich diese Bilder doch aus dem Grund machen wollte, meinen Körper, so wie er eben ist, akzeptieren und lieben zu lernen, anstatt mich für andere zu verbiegen und einem Schönheitsideal zu entsprechen, welches ich doch eigentlich gar nicht unterstützen wollte.

Ich kämpfte und verlor diesen Kampf. Ich verlor meinen Weg aus den Augen. Verlor meine Form des Ausdrucks. Und so wollte ich nicht mehr, hörte auf. Dachte, das wäre es jetzt. Aus und vorbei. Dachte, es wäre gut so, denn Nacktbilder sind auch innerhalb des letzten Jahres gesellschaftlich nicht angesehener geworden.

Nachdem ich den Schlusspunkt setzte, irrte ich durch meinen Alltag, versuchte mich an neuen Ideen. “Dann mach ich jetzt eben Food-Fotografie”, dachte ich. Eine Weile hatte ich auch Spaß daran, Essen zu fotografieren und mich mal wieder mehr den technischen Seiten meines erlernten Handwerks zu bedienen. Doch mir fehlte etwas.

Wo blieben die berauschenden Erkenntnisse und das Gefühl, im Flow zu sein? All das blieb aus.

Essen fotografieren machte mir zwar Spaß, doch wo war der Ausdruck? Die Emotion, das Spiel mit Empowerment und Verletzlichkeit? Wo blieben die berauschenden Erkenntnisse und das Gefühl, im Flow zu sein? All das blieb aus.

Neuer alter Fokus

Vor einer Weile habe ich wieder Selbstporträts gemacht, die ich – ohne es zu wissen – schon lange machen wollte. Nacktbilder – nicht für irgendwen, nicht um zu gefallen, nicht um abzuliefern. Nacktbilder, um den nackten Tatsachen ins Auge zu sehen. Meinen Körperhaaren, meinem uneingezogenen Bauch, meiner eigenen Interpretation von Weiblichkeit, meinem Ausdruck – mir selbst.

All den Dingen, die ich zurückgehalten und versteckt habe. Mit den Bildern für mich selbst habe ich sehr deutlich gespürt, warum ich diese Nacktbilder eigentlich mache. Es geht über die Selbsterkenntnis und Akzeptanz hinaus.

Mich verletzlich zu machen und zu zeigen, empowert am Ende nicht nur mich, sondern hoffentlich auch andere.

Mich verletzlich zu machen und zu zeigen, empowert am Ende nicht nur mich, sondern hoffentlich auch andere. Meine eigene Weiblichkeit und Sexualität authentisch in Bildern auszudrücken, ändert am Ende nicht nur mein verzerrtes Bild von beidem, sondern hoffentlich auch das anderer.

Ich dachte, ich müsse mit meinen Bildern ganz offensichtlich für Feminismus kämpfen. Müsse laut schreien, eloquent schreiben. Ich dachte, ich müsse mit meinen Bildern allen gefallen. Müsse schön sein, sexy aussehen.

Ich dachte, ich müsse mit meinen Bildern in ein Bild passen. Müsse mich behaupten, gleichzeitig anpassen. All das führte zu dem Druck, den ich mir machte und endete in meiner Frustration und in der Enttäuschung über die Bilder, die keinen Ausdruck mehr hatten.

Ich mache die Fotos für mich

Dabei musste ich lediglich wieder Selbstporträts für mich selbst machen, um meinen Ausdruck wiederzufinden. Um zu verstehen, dass ich nicht laut schreien, mit feministischer Eloquenz um mich werfen, mich nicht rasieren und den Bauch einziehen, nicht um Selbstbehauptung und Anpassung kämpfen muss.

Ich muss mich einfach nur frei von den Erwartungen anderer, von einem gesellschaftlichen Gesamtbild und von der Idee, wie das alles zu funktionieren hat, machen. Ich muss es einfach nur für mich machen.

Mit dem Verständnis, Selbstporträts als Ausdrucksform für mich selbst zu fotografieren, um einen ehrlichen, verletzlichen Blick auf weibliche Sexualität einzufangen, abseits von Pornos, Werbung und einer gesellschaftlich verdrehten Idee, geformt für die männliche Perspektive, weiß ich wieder, warum ich diese Fotos mache.

Ich weiß, dass diese Bilder Menschen finden werden, die ebenso wenig wie ich schreien und kämpfen wollen. Die ebenso wie ich fühlen und frei sein möchten, so wie sie eben sind.

Die nackte Wahrheit macht verletzlich. Sie wird nicht jedem gefallen. Wahrscheinlich wird sie nicht so funktionieren wie „kommerzielle“ Nacktheit. Und das ist schon in Ordnung.

Die nackte Wahrheit macht verletzlich. Sie wird nicht jedem gefallen. Wahrscheinlich wird sie nicht so funktionieren wie „kommerzielle“ Nacktheit. Und das ist schon in Ordnung.

Weil ich weiß, dass die nackte Wahrheit mich heilen wird und vielleicht auch die Perspektive anderer erweitern kann.

Headerfoto: felinelyart (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

felinelyart macht Selbstportraits und findet Worte für Selbstreflexion und Akzeptanz. Ein Versuch, Leidenschaft und Weiblichkeit in Worte und Bilder zu fassen. Der Wunsch, Sensibilität und Sehnsucht, Krativität und Kraft, Verlangen und Verlust zu leben und zu lieben. Irgendwo zwischen Selbstverwirklichung und Sinn-des-Lebens-Suche.  

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