Mein Studium ist beendet. Drei Jahre habe ich mich an einer Fachschule ausgetobt, gelitten, gelernt und bin über mich hinausgewachsen. Ich habe den Unterschied zwischen Assimilation und Akkommodation genauso verinnerlicht wie die Tatsache, dass es als Frau in einer großen Gruppe Mitstudierender gar nicht so leicht war, für das, was ich leiste, anerkannt zu werden.
So wurde ich gleich zu Beginn zur stellvertretenden Kurssprecherin gewählt. Ich hatte mich nur gegen die Leitungsfunktion entschieden, weil ich als Alleinerziehende weniger Zeit und Lust hatte, Verantwortung zu übernehmen. Dies sollte sich schnell als Trugschluss herausstellen, denn der mir voranstehende Mann tat genauso viel oder wenig für unseren Kurs wie ich – ihm wurde aber mehr Aufmerksamkeit zuteil.
Ich habe den Unterschied zwischen Assimilation und Akkommodation genauso verinnerlicht wie die Tatsache, dass es als Frau in einer großen Gruppe Mitstudierender gar nicht so leicht war, für das, was ich leiste, anerkannt zu werden.
Er erhielt Blumen zum Abschied und Pralinen zum Dank. Er wurde namentlich häufiger erwähnt als ich und in unserer WhatsApp-Gruppe mit Anfragen penetriert. Ich hingegen antwortete fleißig auf jede Zuschrift und ging jedem Auftrag nach, legte mich bei der Ausführung meiner Funktion richtig ins Zeug. Ich wollte dafür kein Lob und auch keine Blumen (über Pralinen lässt sich reden), aber ich war dennoch fasziniert, was diese Haltung meiner Mitstudierenden mit mir machte.
Wir hatten innerhalb des Kurses zwei fachlich sehr starke und ambitionierte Kollegen. Männlich natürlich. Sie diskutierten und warfen bereits in den ersten Kennenlern-Wochen Begriffe wie „tradiert“ und „systemisch“ in den Raum. Nach und nach nahm die Bereitschaft der Damenrunde ab, sich einzubringen.
Zu jeder gestellten und nicht gestellten Frage hatten die zwei eine Antwort. Sie kämpften regelrecht um das Ansehen der Dozenten und Dozentinnen und buhlten um immer mehr Redezeit und Bestätigung. Mir gefiel diese Art der männlichen Zurschaustellung sogar ganz gut, denn sie spornte mich an, ebenfalls mein Bestes zu geben.
Wozu mein Ehrgeiz mich befähigt
Ich erinnerte mich daran zurück, wie ich Schwimmen gelernt hatte. Ich war etwa sechs Jahre alt oder jünger und mit meinem besten Freund an einem Badesee. Er kam gerade aus dem Wasser und rief mir freudestrahlend zu: „Laura, ich kann jetzt schwimmen.“
Mein eigener Ehrgeiz schien bis dato nicht so groß gewesen zu sein, aber nun hatte er mich gepackt. Ich stampfte in einer Mischung aus Wut und Engagement ins kühle Nass, ging immer tiefer hinein und kam als Schwimmerin wieder hinaus. Es hatte mich keine halbe Stunde gekostet.
Möchte mir ein Mann etwas beibringen, ergänze ich sein Wissen um weitere stichhaltige Informationen.
Auch heute arbeite ich nach dieser Devise. Möchte mir ein Mann etwas beibringen, ergänze ich sein Wissen um weitere stichhaltige Informationen. Diskutieren irgendwo Männer Themen, die mich berühren, zu denen ich etwas beitragen kann und will, dann gibt es kein Halten mehr.
Befinden wir uns in der Machtkampf- und Rollenfindungsphase einer sozialen Gruppe, erstreite ich mir die Position der Anführerin oder, weil genauso unbequem, aber weniger verantwortungsvoll, die der Opponentin.
Ich möchte mitspielen, mitmischen und mitgestalten. Ich habe großes Interesse daran, Lanzen zu brechen und gleichzeitig schockiert mich noch immer, welche alten vorherrschenden Mechanismen greifen, wenn Männer den Raum mit Wissen, aber auch schlichtweg gegebener Dominanz erfüllen.
Während ich mich mit dir messe, versuchst du mich unten zu halten
Natürlich muss ich doppelt so hart arbeiten und natürlich erhalte ich deutlich weniger Anerkennung. Ich werde ja auch anders wahrgenommen. Manchmal gelte ich als störend und manchmal als fähig. So kommt es gelegentlich vor, dass ein kluger Mann Lust hat, mit mir ins Bett zu steigen, denn ich bin eine Bedrohung für ihn, wie er für mich.
Letztlich sind unsere Motivationen aber anders. Während ich mich mit ihm messe, weil ich mich Herausforderungen stellen und mich stetig verbessern möchte, versucht er den Eindruck zu erwecken, die Oberhand zu behalten. Mich zu kontrollieren, in meine Schranken zu weisen und mir meine Schwächen aufzuzeigen. Die Schwäche für ihn, wenn es keine andere gibt.
Ich würde mir wünschen, Frauen wären häufiger mutig genug, sich ihren männlichen Dämonen zu stellen.
Ich würde mir wünschen, Frauen wären häufiger mutig genug, sich ihren männlichen Dämonen zu stellen. Auf ihre Art, nicht auf deren. Ich wünschte, die Rolle der Frau stünde nicht in Abhängigkeit zur Rolle des Mannes. Natürlich muss ich nicht wie sie sein und ich möchte mich auch nicht zu ihnen machen lassen.
Ich bin ich, selbstbewusst, stark und bereit, dies unter Beweis zu stellen – aber ob es dazu immer einen männlichen Gegenspieler benötigt, werde ich noch herausfinden müssen.
Headerfoto: Gemma Chua-Tran via Unsplash. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!