Jede:r von uns kennt das berüchtigte Sprichwort „Gegensätze ziehen sich an“. Was bedeutet es, als Gegensätze in einer Beziehung zu agieren? Ist es eigentlich noch möglich, trotz vieler Unterschiede noch eine Wellenlänge zueinander zu finden oder ist das Zusammensein von Anfang an zum Scheitern verurteilt?
Zwischen Möglichkeiten und Chancen sollten wir auch an die potenziellen Konflikte und das gute Stück Arbeit denken – oder ist das einfach nur Typsache? Wer hat sich dieses Sprichwort eigentlich ausgedacht und ziehen sich Gegensätze wirklich an und wenn ja, inwiefern oder warum eigentlich?
Was ist so reizvoll am eigenen Gegenstück? Welche Bereitschaft wird einem hierbei abverlangt und welcher Zeitraum ist realistisch? Kann das wirklich funktionieren?
Die Bereicherung der Unterschiede
Ja, jede:r blickt gerne auf die Kennenlern-Phase zurück, in der alles aufregend war, weil die Hormone unkontrolliert durch den Körper tanzten und die Welt mit der rosa-roten Brille eh viel schöner aussah. Ich mag dich, du magst mich, wir versuchen es. Genauso wie jede:r von uns dieses herrliche Gefühl der Frisch-Verliebtheits-Phase kennt, kennt auch jede:r das allmähliche Abflauen, während wir einander richtig kennenlernen – dann bemerken wir erst, worauf wir uns wirklich eingelassen haben und wofür wir uns entschieden haben.
Wenn dir dann vor Augen geführt wird, dass ihr euch gar nicht so ähnlich seid, wie es am Anfang zu sein schien oder dass ihr in vielerlei Hinsicht nicht einer Meinung sein werdet, dann hat dich dein Gegenstück angezogen und sich erst im Nachhinein als Gegensatz entpuppt. Ein wenig frech und irreführend, oder ist es vielmehr so, als würdest du eine bunte Tüte an Überraschungen und Chancen erhalten?
Du kannst Dir Fähigkeiten, gewisse Kniffe bei dem anderen abschauen oder lässt sie Dir beibringen, denn Interesse für die Hobbys des anderen zu zeigen, macht sich immer gut.
Vielleicht teilt ihr nicht die Leidenschaft für ein gemeinsames Hobby oder seid nicht der gleichen Sportart verfallen. Umso besser oder nicht? Du kannst dir Fähigkeiten, gewisse Kniffe bei dem:der anderen abschauen oder lässt sie dir beibringen, denn Interesse für die Hobbys des anderen zu zeigen, macht sich immer gut. Indem Du ein Stück weit in eine andere Welt tauchst, kannst du dich ausprobieren, eine neue Facette zum Vorschein bringen – vielleicht schlummert ja ein unentdecktes Talent in dir.
Wie ich einmal sagte, wird sich dein Partner umso mehr daran erfreuen, wenn du dich selbst ausgeglichen fühlst. Also: eindeutig Kategorie Chance!
Wir treffen uns in der Mitte.
Ein anderes typisches Beispiel, bei dem ich selbst immer ein wenig schmunzeln muss, ist das Thema Arbeit im Haushalt, Ordnung und Sauberkeit oder aber die Angelegenheit mit dem Kochen und der Ernährung. Klar, hier verbirgt sich eine Menge Potenzial – sowohl auf der Chancen-, aber auch Konfliktseite. Jede:r soll so sein, wie er:sie ist und sich nicht für den:die andere:n grundlegend verbiegen.
Aber wenn es durch solche Kleinigkeiten permanent zur Anspannung im Umgang miteinander kommt, sollten beide Seiten doch ein wenig den Allerwertesten hochbekommen (und verdammt nochmal den Müll, wenn er offensichtlich vor der Haustür steht, mitnehmen oder den benutzten Kaffeebecher direkt in die Spülmaschine stellen). Alles nicht so schwer und eher eine Frage der Aufmerksamkeit.
Noch besser wird es, wenn ihr im Nachhinein darüber schmunzeln werdet, über welche belanglosen Dinge ihr euch zu Beginn aufgeregt habt.
Es ist für beide Seiten nur lästig, wenn keine:r einen Schritt auf den:die andere:n zumacht. Es fällt dir viel leichter, wenn du ein wenig die Angewohnheiten und das Wissen des anderen für dich selbst nutzt – das funktioniert super, wenn du dir über das Nudeln kochen hinaus noch keine Gedanken über das Kochen gemacht hast.
Letztendlich findet ihr euch nach einiger Zeit sowieso automatisch in der Mitte. Noch besser wird es, wenn ihr im Nachhinein darüber schmunzeln werdet, über welche belanglosen Dinge ihr euch zu Beginn aufgeregt habt.
Klar, im Verhältnis sind das bisher „Kleinigkeiten“ gewesen, die sich zwar in der Masse zu einem zähen Klumpen zusammenrollen, jedoch nicht die rosa-rote Brille ausreichend betrüben können. Schwieriger wird es, wenn es um das innere Gerüst deines Lieblingsmenschen geht: die Einstellung zum Leben, die Ziele, Erfahrungswerte, Erwartungen an die Beziehung und zuletzt ein wenig um den Charakter selbst.
(Un)überbrückbare Differenzen
Lebst du, um zu arbeiten, das große Geld zu verdienen und die Karriereleiter heraufzukrabbeln oder arbeitest du, um leben zu können, den Obulus dafür zu nutzen, die Dinge zu verwirklichen, die dich glücklich machen? Und wie sieht es mit den Vorstellungen deines:deiner Partners:Partnerin aus?
Wie verhältst du dich, wenn dein Gegenüber viel Zeit für sich braucht, du dir deiner persönlich wichtigen Dinge gar nicht bewusst bist? Wie reagierst du, wenn die Meinungen zur Gründung einer Familie oder dem gemeinsamen Wohnen auseinander gehen?
Wie sehr ist Dein Lieblingsmensch ein Familienmensch, was hat er innerhalb seiner Familie erlebt, was prägt ihn und wie sehr legt er darauf Wert, Deine Freunde kennenzulernen oder mit dem Drang nach genereller Aktivität? Wie definiert er:sie die Vorstellung einer perfekten Beziehung und was bedeutet für ihn:sie Intimität? Sind beste Freund:innen des anderen Geschlechts oder die Erzählungen vom:von der Ex erlaubt?
All diese Fragen lassen sich natürlich nur insofern beantworten, als dass du sie aussprichst, ihr darüber redet. Du kannst niemals wissen, was im Kopf des:der anderen vor sich geht. Gerade für eine Partnerschaft ist das Wundermittel „Kommunikation“ unabdinglich. Du kannst anfangs eben nicht wissen, wie welche Dinge in verschiedenen Situationen gemeint sind.
Du kannst niemals wissen, was im Kopf des:der anderen vor sich geht. Gerade für eine Partnerschaft ist das Wundermittel „Kommunikation“ unabdinglich.
Manche Reaktion wirkt vielleicht verletzend auf dich, obwohl das nie so beabsichtigt war. Die andere Reaktion löst bei dir vielleicht Wut oder Traurigkeit aus, weil du die Aussage falsch interpretiert oder einen schroffen Denk-Anstubser zu ernst genommen hast – wer weiß das schon. Er nicht und du noch weniger.
Deshalb ist es wichtig, jeden Tag einen kleinen Schritt mehr aufeinander zuzugehen. Es ist wichtig, sich selbst zu reflektieren – habe ich gerade egoistisch gehandelt, muss ich auf meinem Willen beharren und war der ein oder andere Gedanke in Wahrheit überflüssig?
Vielleicht ist es clever, nach einiger Zeit die rosa-rote Brille abzusetzen, um zu erkennen, was sich hinter dem Augenschein des:der anderen verbirgt und sich damit zu beschäftigen, was primär deinen Lieblingsmenschen beschäftigt. Lass keine Frage unbeantwortet und öffne dich andersherum ihm:ihr gegenüber genauso und zeig ihm:ihr, wer du wirklich bist – so seid ihr wahrhaftig füreinander da, in jeder Stunde, in jeder Minute, ob physisch oder mental.
Und mit all den Chancen, die das Gegensätzliche so spannend macht, wirst Du es sicherlich nicht bereuen – nicht, wenn ihr euch eines Tages in der Mitte treffen werdet. Immerhin ist es ebenso möglich, dass auf den Topf auch ein nicht für ihn vorgesehener Deckel passt.
Headerfoto: Allan Filipe Santos Dias via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!