Es ist mir wirklich schleierhaft, wie die ganze Magie mit dem Timing so von Statten geht. Mal ganz abgesehen von Zufällen werden auf irgendeine Art und Weise unsere Leben gelenkt und wild miteinander vernetzt. Ein wenig Intuition und Gemütszustand wirken wohl auch noch auf das ganze Zusammenspiel ein, was man in den Momenten erkennt, in denen wir über bestimmte „zufällige“ Begegnungen stutzen.
Nach so einigen Jahren als Single, in denen man eine Achterbahnfahrt der Gefühle von Hoffnung, Selbstschutz und Hingabe über Enttäuschung, Desinteresse und Unsicherheit erlebt hat, wollte man doch eigentlich nur irgendwann ankommen und aussteigen.
Wir versuchen eine Lösung zu finden, indem wir einen bestimmten Begriff akzeptieren: den Zufall.
Hier mal ein kleines Techtelmechtel, dort mal ein offenes Ding, für das es ein paar Monate lang keine Definition gab, zwischendrin eine Phase der Flaute, gefolgt von einem Gefühl der Reizüberflutung im paarungsfreudigen Frühling und so weiter – jeder Single weiß, welche Phasen ich meine. Nach Stutzen, Verzweiflung und Unverständnis darüber, auf welche Art und Weise alles durch eine scheinbar unsichtbare Hand gelenkt wird, versuchen wir eine Lösung zu finden, indem wir einen bestimmten Begriff akzeptieren: den Zufall.
Aber ist es auch dann Zufall, wenn sich dein/e Ex (oder Affäre) meldet, wenn du grade wieder – oder endlich – in einer Beziehung steckst, du die Frischverliebtheitsphase in vollen Zügen genossen hast und jetzt erfährst, wie wohltuend die Zeit danach ist, wenn die Vertrauensbasis fundiert ist und ihr gemeinsam durch den Alltag schreitet? Zufällige Begegnungen innerhalb einer Stadt, die dir sowieso nur so groß wie ein Dorf erscheint, passieren eben.
Warum Klopfen diese Personen immer genau dann an, wenn der Zug längst abgefahren ist?
Aber warum klopfen diese Personen immer genau dann an, wenn der Zug längst abgefahren ist? Die Vorgeschichten sind variabel, mal gab es ein gutes, mal ein schlechtes Ende oder auch gar keins, weil die Kommunikation über den Grund ausblieb und es sich klassisch im Wind verlor.
Also wieso gerade jetzt? Im Grunde kann es dir egal sein, weil das Thema hinter dir liegt, du die Tatsache, dass es nicht sein sollte, akzeptiert und das Kapitel abgehakt hast. Trotzdem springen sie dann mit einer „Ich-dachte-ich-melde-mich-mal-Nachricht“ wieder in dein Leben, ganz plötzlich, überraschend, ohne Ankündigung oder Vorwarnung.
Es juckt dich im Grunde nicht. Und trotzdem denkst du automatisch an die Vergangenheit.
Im ersten Moment ziehst du die Augenbrauen hoch, verdutzt darüber, wieso dir eine unbekannte Nummer schreibt, klickst die Nachricht an, lockerst deine Augenbrauen und setzt einen leicht verwirrten Gesichtsausdruck auf. Weil du das Profilbild erkennst. Im selben Moment textest du deiner besten Freundin, wer sich so eben nach einiger Zeit bei dir gemeldet hat. Gut, es juckt dich im Grunde nicht. Und trotzdem denkst du automatisch an die Vergangenheit – was ja auch normal ist, weil dein Gehirn direkt mit der Suche nach Assoziationen mit dem Namen oder Gesicht beginnt.
Spielt hier die Reue über eine nicht genutzte Chance, das Bedürfnis, das Interesse wieder zu erwecken oder die Angst vorm Alleinsein eine Rolle?
Wenn dann nach der Begrüßung weitere Fragen zum aktuellen Lebensstand kommen, denkst du dir einfach nur: „Geht’s noch?“ Mit welch‘ einer Frechheit meint derjenige/diejenige sich eigentlich wieder in dein Leben zu quetschen und viel wichtiger ist hierbei, wieso eigentlich? Spielt hier die Reue über eine nicht genutzte Chance, das Bedürfnis, das Interesse wieder zu erwecken oder die Angst vorm Alleinsein, gerade jetzt, da die dunkle Zeit des Jahres naht, eine Rolle?
Nach dem kurzen Erstaunen über die Kontaktaufnahme folgt eigentlich nur pure Gleichgültigkeit.
Wie gesagt, nach dem kurzen Erstaunen über die Kontaktaufnahme folgt eigentlich nur pure Gleichgültigkeit. Und doch stutz du nach ein paar Stunden wieder, was das für ein irrsinniger Zufall sein soll. Oder was da noch alles seine Finger im Spiel hat, welche Beweggründe dahinter stecken.
Ehrlich, es ist mir unerklärlich. Wahrscheinlich ist es in den meisten Fällen wirklich die Angst vor der Einsamkeit. Da fällt mir direkt das Sprichwort ein „aufgewärmtes Essen schmeckt nicht“ oder „steige nicht in vorgewärmte Betten“ – sollen wir uns jetzt wieder annähern, ab und zu etwas machen, bis wir wieder am Punkt der nicht möglichen Definition landen? Uns gemeinsam an die alten Zeiten erinnern, einen Neustart wagen, weil wir beide erwachsen geworden sind? Oder wie?
Für all das, was es vielleicht auszusprechen gab, ist es lange zu spät.
Ich glaube, wenn man sich eine angemessene, fundierte Antwort überlegt, hat man die Tür zur Vergangenheit schon ein bisschen zu weit geöffnet. Für all das, was es vielleicht auszusprechen gab, ist es lange zu spät oder es ist inzwischen belanglos. Und für alles andere hast du keinen Platz mehr. Also Zufall hin oder her: Danke, aber nein danke.
Headerfoto: Stockfoto von Eugenio Marongiu/Shutterstock. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!