Freitagnacht. 2:20 Uhr. Hamburg. Eine der Tanzkneipen auf St. Pauli. Meine Freundin und ich kommen endlich an der Theke an. Wie immer ist es viel zu voll und ohne einen Schwips wohl nicht zu ertragen. Noch ein Schnaps muss her. Die Leute sind gut drauf und wir sind es auch. Vorher geiles fettiges Essen und ein bisschen Barhopping, so wie es sich gehört. Ich liebe diese „Sicheinfachtreibenlassen“-Abende. Alles kann passieren, alles ist möglich. Die Welt ist groß und wir sind wunderschön!
Das findet auch ein großer, gelockter Typ und verwickelt meine Freundin in ein Gespräch über Whiskey und bestellt für uns alle einen Kurzen. Bah. Aber er ist nett und sie angetan, also trete ich zurück und lasse die beiden mal machen. Auch das gehört sich so. Ich brauche eh eine Pause und lehne mich zwischen irgendwelchen Menschen an die Wand und checke mein Telefon. Als ich es wieder wegstecke und mich umsehe, stehst du neben mir.
Jung, süß, dunkelhaarig und nicht viel größer als ich. Ich bin recht klein, also ist die Größe des Mannes in dieser Hinsicht sowieso nebensächlich. Wir kommen ins Gespräch. Wie weiß ich nicht mehr. Irgendein Nonsens wahrscheinlich. Aber dann spielen wir Berufe-, Alter- und Sonstwas-Raten und haben sehr viel Spaß. Ich bin schnell. Du bist Physiker, 22 und kommst aus Hamburg. Du verzweifelst an mir. Das bin ich gewohnt. Du bist aber schlagfertig und witzig. Sexy Mischung. Dabei noch sehr grün hinter den Ohren. Das macht dich noch ein bisschen süßer. Wobei man Männer ja niemals süß nennen darf.
Solche Kennenlernen mag ich. Sie sind leicht und versprechen Ausgelassenheit. Ich werde heute noch ganz viel mit dir lachen, knutschen und fummeln, aber nicht mit dir nach Hause gehen. Nicht, weil ich nicht wollte, sondern weil betrunkener Sex um 4 Uhr morgens nicht wirklich geil ist. Das habe ich mit den Jahren gelernt und mache nur äußert selten eine Ausnahme. Außerdem glaube ich, dass ich dich öfter sehen wollen könnte. Und wenn ich das erste Mal mit einem neuen Mann ins Bett gehe, will ich das richtig genießen und nicht verkatert am nächsten Morgen aufwachen und mich wegwünschen müssen.
Was wir außerdem heute Abend noch tun werden, ist, darüber zu reden, dass zumindest ich nur für Sex und eine schöne und aufregende, aber unverbindliche Zeit zu haben bin. Ich kläre das immer sehr schnell, wenn es nicht nur beim Knutschen bleiben soll. Für Affären gibt es bei mir klare Regeln. Denn sie haben das Potenzial, gehörig in die Hose zu gehen – und das nicht im positiven Sinne. Ich will keine Dramen. Keine verletzten Gefühle. Keine falschen Vorstellungen oder Hoffnungen. Ich mag Klarheit und hasse Spielchen. Trotzdem entsteht auf längere Sicht Vertrautheit, eine Art Intimität und manchmal auch Freundschaft. Allerdings schleicht mit zunehmender Freundschaft meist auch die Affäre aus.
Schade bis ätzend ist es für mich dann, wenn mein Gegenüber der Meinung ist, er könne sich vielleicht in mich verlieben und möchte sich deshalb nicht auf mich einlassen. Manchmal fühle ich mich richtig unempathisch. Ich bin so gerne verknallt, aber schon ewig nicht mehr auf der Suche nach Liebe. Es fällt mir tatsächlich manchmal schwer nachzuvollziehen, wie jemand einen so schönen Moment verstreichen lassen kann, nur weil kein „auf immer und ewig“ daraus wird. Wenn ich schon voll im Verknalltheitsmodus bin, kann eine solche Absage tatsächlich für einen Netflixschokoladenschmollabend sorgen. Aber mein Ego beruhigt sich zum Gück immer recht schnell und kann gespannt sein auf das nächste Abenteuer.
Ein paar Tage später. Du lädst mich zu dir nach Hause ein. Wir trinken Wein, unterhalten uns gut und schleichen umeinander herum. Wir wissen, dass es heute noch passiert. Neue Körper, neue Gerüche, neue Hände, neue Berührungen. Neue Lust.
Zaghafte Küsse auf deinem Sofa, die immer wilder werden. Dein Atem auf meiner Haut, deine Hände unter meinem Kleid. Ich trage Strapse und kein Höschen. Dich macht das verrückt. Und deine Lust macht mich verrückt. Ich traue mich gerne solche Dinge. Diese Spannung im Vorfeld macht alles viel aufregender. Der Gedanke daran, wie du ohne jede Ahnung deine Hand wandern lässt und dann ungehindert entdeckst, wie feucht ich schon bin, macht mir schon den ganzen Tag Lust auf unsere gemeinsame Nacht. Zudem erregt mich das Spiel mit deiner Unerfahrenheit.
Ich rutsche vom Sofa runter und knie mich vor dich, lächle dich an und öffne deine Hose. Ziehe sie samt Boxershorts runter bis zu deinen Knöcheln. Unter deinen Blicken nehme ich deinen Schwanz in die Hand. Erregter geht nicht mehr. Ich schaue dir in die Augen und beginne, ihn ganz langsam mit meiner Zunge von unten hoch zu lecken. Du bist noch angespannt, vielleicht unsicher. Heute mit viel Zeit und Hingabe, denke ich. Immer wieder lecke ich von unten nach oben bis zur Spitze. Ich spiele damit, dass ich ihn noch nicht in den Mund nehme. Meine Zunge, meine Lippen erkunden jeden Zentimeter deines schönen Schwanzes. Noch einmal lecken, dann spürst du meine Lippen an deiner Eichel. Mit etwas Widerstand lasse ich ihn langsam in meinen Mund gleiten. Wir atmen beide gleichzeitig tief aus. Du entspannst dich. Meine Zunge umkreist deine harte Erektion. Dann gebe ich sie wieder frei. Genüsslich sauge und küsse ich deinen Schwanz hinunter, schaue dich an. Du spannst deine Beine an. „Sorry, ich glaube ich …“, flüsterst du und schon passiert es. Du kommst. Für mich tatsächlich noch völlig unerwartet. Es ist dir unangenehm. Sollte es nicht. Ich drehe mich um, nehme die Weingläser vom Couchtisch und setze mich neben dich. „Auf eine lange Nacht“, sage ich grinsend und reiche dir dein Glas.
Im Laufe der nächsten Wochen wirst du herausfinden, dass Leistung bei mir im Bett nichts verloren hat und uns beide nur noch genießen. Es gibt kein zu früh oder zu spät. Sex ist zum Entspannen da. Ich will Affären, in denen es trotz aller Unverbindlichkeit um mehr geht, als um die Jagd nach Orgasmen. Ich will die Spannung des Neuen und dir trotzdem soweit vertraut sein, dass wir uns fallen lassen können. Ich will gewollt werden. Es soll um mich gehen, genauso wie es mir um dich geht. Du und ich und unsere gemeinsame Zeit. Wir werden uns nur in unregelmäßigen Abständen sehen. In meinem Leben ist sehr viel los und ich verheize die anfängliche Ektase nicht gerne. Das Ende kommt sowieso schneller, als man denkt. Kommen wird es in jedem Fall. Das wissen wir beide.
Anfangs schreiben wir uns regelmäßig. Du sagst mir, wie sehr du mich wiedersehen willst, was du noch alles mit mir anstellen wirst. Was ich mit dir tun soll. Wir teilen Phantasien, berauschen uns, trauen uns und sinken verknallt und verschwitzt in die Kissen. Wir lernen uns immer besser kennen. Auf allen Ebenen. Werden vertrauter, spielen uns ein. Erforschen die Körper des anderen. Können die Knöpfe immer besser drücken. Erleben Neues, finden neue Knöpfe. Wir bestellen Pizza, bleiben bis tief in die Nacht wach, schlafen ein paar Stunden und tun es dann noch mal, bevor ich wieder gehe. Ich bleibe nie länger als eine Nacht und das höchstens alle zwei Wochen.
In der kommenden Zeit nimmt die Natur einer Affäre ihren Lauf. Erst schreiben wir uns nur noch, um uns zu verabreden. Dann fangen wir an, unsere Treffen zu verschieben, weil uns andere Dinge oder Abenteuer wichtiger werden. Der anfangs so aufregende Sex wird mit jedem Date vorhersehbarer. Das ist schade, aber ist eben, wie es ist. Besonders, wenn man nicht verliebt ist. Wir haben uns gegenseitig gut getan. Und wenn es bei mir mit einer meiner Affären zu Ende geht, dann meistens mit einem: „Hey, ich mag dich. Es war schön. Hab es gut.“
Drei Monate später. Samstagnacht. 3:20 Uhr. Hamburg. An einer Theke in einer Tanzkneipe auf St. Pauli. Aufbauabend für meine Freundin. Ihre Affäre endete in einem Drama. Meine Affäre mit dir wird vermutlich auch bald zu Ende gehen. Vielleicht ist mittlerweile tatsächlich die Luft raus, du gehst ins Ausland oder hast die Liebe deines Lebens gefunden. Same same but different. Es läuft „I will survive“. Jetzt noch einen Schnaps und dann wird getanzt. Alles kann passieren, alles ist möglich. Die Welt ist groß und wir sind wunderschön!
Headerfoto: Mike Monaghan via Creative Commons Lizenz 2.0! („Sexy Times“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Sehr schön geschrieben Kompliment! Wünschte mir genau so eine Frau wie dich mal kennenzulernen, mit genau dieser lockeren und offenen Einstellung. Genau denke auch ,das Leben ist zu kurz um unerfüllt mit allen Abenteuer die man erleben kann dort draussen zu ende zu gehen. Und das nicht nur in sexueller hinsicht, sonder wie du auch schriebst, die unterschiedlichen Eindrücke Erlebnisse mit einer neuen Person, man lernt nie aus im Leben , Gott sei dank! Lg Florian mach weiter so!
Danke. Ich wollte, ich könnte das auch. Geben und nehmen. Das gefällt mir besonders; „Sex ist zum Entspannen da. Ich will Affären, in denen es trotz aller Unverbindlichkeit um mehr geht, als um die Jagd nach Orgasmen. Ich will die Spannung des Neuen und dir trotzdem soweit vertraut sein, dass wir uns fallen lassen können. Ich will gewollt werden. Es soll um mich gehen, genauso wie es mir um dich geht. „
Was für ein toller Text! Die Welt ist groß und wir sind wunderschön.