Nein, dies hier ist keine Abhandlung einer polyamorösen Beziehung, obwohl ich dieses Konzept ziemlich gut finde. Hier geht es um etwas anderes. Meine beste Freundin und mein bester Freund sind seit kurzem in einer romantischen Beziehung. Miteinander. Ohne mich, wohlgemerkt.
Meine beste Freundin und mein bester Freund sind in einer romantischen Beziehung.
Meine ersten Reaktionen, als sie es mir erzählten, ein halbes Jahr, nachdem das mit ihnen begonnen hatte, waren Schock, Wut, Enttäuschung, Eifersucht, Unverständnis, Angst. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, eher quer durcheinander und gleichzeitig und nicht aufzuhalten. Da war die Sorge, außen vor gelassen zu werden, aber auch die Angst, zwischen den Stühlen zu stehen, wenn die beiden sich streiten. Da war dieses bittersüße Gefühl, zu wissen, dass ich für beide nicht mehr der erste Mensch bin, dem sie erzählen werden, was sie beschäftigt und glücklich und traurig macht. Denn diese Menschen sind sie nun füreinander.
Mehr als nur Freunde
Ich möchte mich nicht so fühlen. Denn alle Gefühle und Ängste einmal zur Seite geschoben, könnte, ganz rational betrachtet, doch nichts Schöneres passieren: Zwei Menschen, die ich unheimlich toll finde, finden sich auch unheimlich toll. Wahrscheinlich sogar mehr als das. Zwei Menschen, die ich ganz doll liebhabe, haben sich nun auch ganz doll lieb. Ziemlich sicher sogar mehr als das.
Unsere Gesellschaft stellt romantische Beziehungen über Freund:innenschaften, ich habe das auch getan.
Hier ist es, dieses „mehr“, der wohl eigentliche Grund, warum mich das ganze so beschäftigt. „Ich möchte, dass wir mehr sind als nur Freunde“, ist wohl einer der meist gesagten und romantisierten Sätze in der Geschichte der romantischen Liebe, fest verankert im „friends to lovers“-Narrativ bekannter romantischer Komödien und Liebesromane. Von klein auf wird uns beigebracht, dass es Freund:innen auf der einen und romantische Partner:innen auf der anderen Seite gibt, ganz deutlich kategorisiert, priorisiert, hierarchisiert: Wir sind Freund:innen oder wir sind eben mehr als das. Unsere Gesellschaft stellt romantische Beziehungen über Freund:innenschaften und lange genug habe ich das selbst auch getan.
Sobald ich in einer romantischen Beziehung war, wurden Treffen mit meinen Freund:innen zu einem schönen Zeitvertreib, aber nur dann, wenn mein Partner keine Zeit für mich hatte. Meine Sorgen habe ich zuallererst ihm erzählt, war er doch schließlich „mein Mensch“, der Eine für mich. Meine Freund:innen habe ich dann gebraucht, wenn Ärger im Paradies drohte, doch meine Prioritäten waren immer klar vergeben.
Freund:innenschaften dürfen romantisch sein
Einige gebrochene Herzen später und um einige Erfahrungen reicher, habe ich begriffen, dass kein Mensch dieser Welt in der Lage und Verantwortung ist (und sein sollte), mich auf alle Arten zu erfüllen, auf die ich erfüllt werden möchte. Diese Verantwortung möchte ich keinem Menschen aufbürden und genauso wenig möchte ich sie für einen anderen Menschen tragen. Ich habe realisiert, dass verschiedene Menschen mich auf verschiedene Arten bereichern können und jede Beziehung für sich mich weiterbringt und glücklich macht. Ich möchte mich von vielen Menschen erfüllen, bereichern, inspirieren und lieben lassen, so wie ich selbst viele Menschen erfüllen und bereichern und inspirieren und lieben möchte. Denn Liebe in all ihren Formen ist vielleicht eine der wenigen Ressourcen, die nicht endlich ist.
Liebe in all ihren Formen ist eine der wenigen Ressourcen, die nicht endlich ist.
So wünsche ich mir Zärtlichkeit in allen Beziehungen, die ich führe. Ich wünsche mir eine Intimität, die nicht ausschließlich monogamen romantischen Beziehungen vorbehalten bleibt. Ich wünsche mir ein Abbauen der Hierarchien, die zwischen romantischen Beziehungspartner:innen und Freund:innen viel zu oft vorherrschen.
Denn auch Freund:innenschaften können und dürfen romantisch und zärtlich sein. Ich möchte Romantik und Zärtlichkeit mit ganz vielen Menschen und die romantischste und zärtlichste aller Beziehungen möchte ich am Ende immer mit mir selbst führen.
Bonding Moment
Mit dieser Sichtweise versuche ich nun auch, meinen Umgang mit der neuen „Sie und er und ich-Situation“ zu finden. Die romantische Beziehung meiner besten Freund:innen macht meine individuellen Beziehungen zu den beiden nämlich nicht weniger wertvoll. Und genau daran halte ich fest: Ich möchte diese kostbaren, besonderen und über Jahre gewachsenen Freund:innenschaften auf individuelle Weise wertschätzen und pflegen. Mir bewusst Zeit nehmen, nur für sie. Und nur für ihn. Offene Ohren und Schultern zum Anlehnen für beide bieten.
Er hat sie im Arm gehalten, ich hielt ihre Hand auf der anderen Seite.
Übrigens haben wir uns nach einer kurzen Phase, in der ich diese Neuigkeiten irgendwie verdauen musste, auch sehr schnell wieder angenähert, wir drei. Meine beste Freundin hatte neulich ein wenig zu viel getrunken und wir haben sie gemeinsam ins Bett gebracht, mein bester Freund und ich. Er hat sie im Arm gehalten, ich hielt ihre Hand auf der anderen Seite, und in diesem Kuschel-Sandwich ist sie schließlich eingeschlafen. Ich würde das einen Bonding Moment nennen, wäre ich nicht schon längst so innig mit beiden verbunden. Aber es war ein Moment, in dem mir klar wurde, dass beide auf unterschiedliche Arten gleich wichtig sein können, der romantische Partner und die beste Freundin. Ein Moment, in dem sie uns beide gebraucht hat, in dem wir uns alle festgehalten haben und einfach nur dankbar waren, einander zu haben. Ein Moment, in dem ich mich zum ersten Mal aufrichtig über ihre Liebe zueinander freuen konnte, in der Gewissheit, dass ich selbst voller Liebe für die beiden bin und unsere Freund:innenschaften weiter hochhalten und priorisieren werde.
Ja, es gibt sie und ihn. Aber es gibt auch sie und mich. Und ihn und mich. Und zum Glück und ganz gleichberechtigt gibt es auch sie und ihn und mich.
Ganz gleichberechtigt gibt es sie und ihn und mich.
Headerfoto: Darina Belonogova (Kategorie-Button hinzugefügt). Danke dafür!