Der Wechsel von Silvester auf Neujahr ist für viele Menschen eine Verheißung: auf neue Erfolge im neuen Jahr. Auf neue Abenteuer – für manche sogar auf ein neues Leben. Für manche Leute hingegen bedeutet das neue Jahr einfach nur, dass es morgen eben weitergeht. Ein Tag wie jeder andere, nur eben mit einer neuen Jahreszahl. Sie gehen dem eher gelassen entgegen. Ich beneide diese beiden Arten von Mensch: die euphorischen und die gleichgültigen Menschen. Denn für mich bedeutet das Ende des alten und der Beginn des neuen Jahres immer wieder enormer emotionaler Stress bei absoluter Abgeschlagenheit. Kurz gesagt: Neujahrsmüdigkeit – oder auch Winterblues.
Für mich bedeutet das Ende des alten und der Beginn des neuen Jahres immer wieder enormer emotionaler Stress bei absoluter Abgeschlagenheit.
Es gelingt mir einfach nie, uneingeschränkt dankbar für die Erlebnisse des vergangenen Jahres zu sein und gelassen und/oder sogar voller Hoffnung in das neue Jahr zu gehen. Denn für mich fängt der Struggle, den ich eben jedes Jahr durchlebe, irgendwie einfach wieder von vorne an. Wie ein Hamsterrad, aus dem ich es irgendwie nicht schaffe, selbst auszubrechen.
Ein Jahr älter, nicht wirklich weiser
Wenn ich am ersten Januar eines jeden Jahres aufwache, dann ist die Welt für mich meistens erstmal grau und trist. Und das hat nur partiell etwas mit der durch Licht und Dunkelheit gesteuerten Biochemie in meinem Hirn zu tun. Denn jedes Jahr werde ich vom neuen Jahr daran erinnert, dass ich wieder älter, aber irgendwie mal wieder nicht da bin, wo ich letztes Jahr hoffte, in einem Jahr zu sein.
Und das umso mehr, seitdem ich über 30 bin und ständig von allen Seiten suggeriert bekomme, ich müsste in meinem Alter sowieso überhaupt wissen, wo ich mal ankommen will. Aber wie soll man irgendwo ankommen, wenn man doch in einem Hamsterrad ist, das gar nicht irgendwo hinführen kann? Wohin auch immer?
Gerade zu Beginn des Jahres spare mir lieber die Kraftressourcen, die ich habe, um der Müdigkeit, der Neujahrsmüdgkeit, irgendwie zu widerstehen.
Natürlich weiß ich, dass das nicht nur bei mir so ist. Und ich weiß auch, dass es zu sehr großen Stücken von mir abhängt, wie mein neues Jahr und damit mein Leben aussehen wird. Ich muss nur einen Schritt machen und kann aus dem Rad einfach aussteigen – theoretisch.
Aber gerade zu Beginn des Jahres fühle ich mich da oft machtlos und spare mir lieber die Ressourcen, die ich habe, um der Neujahrsmüdigkeit irgendwie zu widerstehen. Irgendwie die beiden ersten Monate hinter mich zu bringen, die nach dem ganzen Glitzer um Weihnachten so wenig Farbe und so viel Zeit im Leerlauf mit sich bringen. Bevor im März vielleicht irgendwann wieder jemand im Leben auf Play drückt und so langsam wieder Ton und Farbe einsetzen.
Neujahrsmüdgkeit trifft Pandemiemüdigkeit
Der einzige Trost dagegen ist, dass ich momentan sowieso nicht könnte, wie ich wollte. Wenn ich wollte. Denn auch Corona begleitet uns nun im dritten Jahr, war auch wieder beim Jahreswechsel dabei. Deshalb fühle ich mich, vielleicht zum ersten Mal, auch gar nicht schuldig, so müde zu sein. Denn: Mehr geht gerade einfach nicht. Und: it’s not just me. Wie eigentlich immer. Aber diesmal vielleicht umso mehr “not just me”.
Also werde ich meine Neujahrsmüdigkeit und die Pandemiemüdigkeit einfach ausnutzen. Ohne Schuldgefühle einfach mal so richtig müde sein – und mir Zeit geben, wach zu werden.
Also werde ich meine Neujahrsmüdigkeit und die Pandemiemüdigkeit einfach ausnutzen. Ohne Schuldgefühle einfach mal so richtig müde sein – und mir Zeit geben, wach zu werden. Notfalls bis Juni. In dem Wissen, dass die Neujahrsmüdigkeit dann kein Problem mehr sein wird, weil das Jahr dann nicht mehr neu ist. Und in der Hoffnung, dass die Pandemiemüdigkeit kein Problem mehr sein wird, weil Corona mit ein bisschen Glück dann unter Kontrolle ist.
Vielleicht weiß ich ja auch bis dahin, wo ich am Ende dieses Jahres sein will. Und dann laufe ich einfach dahin. Ohne mein Hamsterrad. Hoffentlich.
Headerfoto: Glodi Miessi (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!