Frauenrollen in Unterhaltungsformaten waren immer auf eine bestimmte Art und Weise gezeichnet: Die perfekten Frauen waren fürsorglich, höflich, nachsichtig und genügsam – manchmal ein bisschen schwer von Begriff. Darf ich diese Inhalte trotzdem heute noch gerne konsumieren?
Ich habe eine besondere Schwäche für alte, richtig alte Filme und Hörspiele. Insbesondere Krimis. Ich kann nichts dagegen machen: Sie lösen in mir ein besonderes Gefühl der Gemütlichkeit aus. Alte Krimis stressen mich nicht so sehr wie zeitgenössische Actionstreifen oder moderne gesellschaftskritische Inhalte, die unbequem und aufrüttelnd auf Missstände unserer Zeit aufmerksam machen. Einige davon mag ich auch – sie sind gut und notwendig – aber das Gefühl ist einfach nicht dasselbe.
Die Rolle der Frau in altmodischen Unterhaltungsformaten
Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass mit meinem Genuss von alten Filmen und Hörspielen eine gewisse Problematik einhergeht. Denn gerade als feministisch eingestellte Person bleibt mir beim Ansehen natürlich nicht verborgen, dass Frauenrollen auf immer dieselbe Art und Weise gezeichnet werden: Sie sind als gute Frauen fürsorglich, brav und höflich, immer gut gelaunt und gelegentlich auch ein bisschen naiv.
Die gute Frau von damals: fürsorglich, brav und höflich, immer gut gelaunt und gelegentlich auch ein bisschen naiv.
Dass das nicht cool ist, ist mir schon klar. Und ich finde es sehr zu begrüßen, dass es in neuen Serien, Filmen und Hörspielen nicht mehr so extrem ist. Und dennoch liebe ich diese leichten, charmanten Inhalte ohne großes Potenzial zur Überforderung. Aber: Darf ich das eigentlich noch?
Die perfekte Frau: Steve Temple – schön und fürsorglich, etwas schwer von Begriff
Ich bringe ein Beispiel: Die Paul Temple Hörspiele von Francis Durbridge. Durbridge war ein bekannter englischer Krimi-Autor der Mitte des letzten Jahrhunderts. Er verfasste zahlreiche Drehbücher für Filme und Hörspiele für Fernsehen und Rundfunk. Sein Durchbruch gelang ihm mit seiner Hörspielreihe über den fiktiven Kriminalschriftsteller und Hobbydetektiv Paul Temple zwischen 1938 und 1960.
Ich oute mich hiermit als Fan. Die Hörspiele über Paul Temple sind momentan meine große Hörspielliebe. Und das ist auf der anderen Seite auch mein Problem, denn wie in vielen Formaten aus dieser Zeit werden Frauenrollen aus der Sicht der männlichen Medienmachern gezeigt. Auch Paul Temple hat natürlich eine Frau: Steve – klingt komisch, ist aber so. Und Steve wird gezeichnet als die perfekte Frau. Sie ist immer an der Seite ihres Mannes, lacht über seine Scherze und ist eine treu sorgende Partnerin – auch wenn sie laut ihres Mannes häufiger mal vergisst, ihm Zucker in den Kaffee zu tun.
Immer wieder wird auf ihre Schönheit hingewiesen, die den anderen Figuren nach ihr stärkstes Asset zu sein scheint. Dabei ist ihr Charakter durchaus nicht redundant: Sie hat Eingebungen, die nicht selten zur Lösung der Kriminalfälle ihres Mannes beitragen.
Allerdings sind ihre Eingebungen für ihn und seine Freunde von Scotland Yard nicht weniger oft Grund zur Belustigung: Es wird sich tüchtig über sie lustig gemacht, ihr wird mitten im Satz das Wort abgeschnitten und natürlich versteht sie eben als Frau (Achtung, Ironie!) nicht jeden Zusammenhang – da wird dann herzhaft über ihr “was ich aber nach wie vor nicht verstehe, ist …” gelacht und mit den Augen gerollt. Natürlich ist es aber auch gewollt, dass genau sie als Frau nicht alles versteht. Ich lehne mich da jetzt mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass das vom Autor kalkuliert eingesetzt wurde. Denn einen der ermittelnden Männer an diese Stelle zu setzen, wäre selbstredend unpassend gewesen.
Sie lässt all das mit viel Humor und ohne nennenswerte Widerworte über sich ergehen und lacht freundlich mit und besorgt dann den Tee oder Whisky.
Sie lässt all das mit viel Humor und ohne nennenswerte Widerworte über sich ergehen und lacht freundlich mit und besorgt dann den Tee oder Whisky. Schön, charmant, mit wenig Ehrgeiz und eine angenehme Gesprächspartnerin, weil sie eben so selten widerspricht. Wie gesagt: Sie ist die perfekte Frau. Zumindest war sie es wohl für die damalige Zeit.
Bewusster Konsum ist Key
Dem einen mag das alles harmlos erscheinen, der anderen wiederum kommt das sexistisch vor und daher nicht vertretbar. Ich bewege mich irgendwo dazwischen. Denn einerseits höre ich alle diese kritischen Dinge heraus. Auf der anderen Seite mag ich auch einfach dieses Krimi-Flair der 50er Jahre.
Aber ich bin dankbar, dass die Rolle der Frau nicht nur abseits der Leinwand und des Rundfunkstudios, sondern auch in den Medien selbst sich ändert. Und vielleicht bin ich gerade deswegen in der Lage, diese Inhalte ohne Murren zu konsumieren. Weil ich eben weiß, dass sich – wenn auch langsam – etwas tut. Weil ich das hören kann und sagen kann: Geil, dass Frauen heute auf vielfältigere Weise wahrgenommen werden dürfen als nur durch ihr schönes Äußeres und ein angenehmes, gefügiges Verhalten im Gespräch mit Männern.
Trotzdem würde ich meinem hypothetischen Patenkind, das vielleicht die selbe Vorliebe für alte Formate entwickelt wie ich, eine Art Warnhinweis anbieten.
Trotzdem würde ich meinem hypothetischen Patenkind, das vielleicht dieselbe Vorliebe für alte Formate entwickelt wie ich, eine Art Warnhinweis anbieten. Ihm/ihr/X erklären, dass Frauenrollen in Medien früher anders gezeichnet wurden. Weniger selbstständig, öfter hilfsbedürftig und nicht ganz so auf Zack. Ich würde erklären, dass das vermutlich damals schon nicht der Realität entsprach und man sich nicht an ihrem gefälligen Verhalten orientieren muss. Es sei denn, man möchte das. Dann ist das auch okay.
Zuletzt bleibt aber zu sagen: Es ist dann doch nur ein Film/Hörspiel/Buch – und nicht alles, was man in Unterhaltungsmedien sieht, spiegelt die Realität wieder. Und deswegen, finde ich, darf ich diese Inhalte – mit einem Schmunzeln und besserem Wissen im Gepäck – trotzdem gut finden.
Headerfoto: Mikhail Nilov via Pexels. (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!