Zwischen Traditionen und eigenen Vorstellungen: Von der wundervollen Hochzeit mit meiner Ehefrau

Wir heiraten in 1,5 Wochen. Schon vor 3 Jahren hat mir meine Frau einen Antrag gemacht, sie ging dabei traditionell auf die Knie und fragte mich, ob ich sie heiraten möchte. Danach kamen Monate der Planung, intensives Lesen von Foren und Anprobieren etlicher Brautkleider.

Ich trage ein Kleid, sie nicht. Wir haben inmitten dieser ganzen Dinge, die man machen muss, planen muss, kaufen muss – dann einfach zu zweit im Standesamt am 3.1. geheiratet. Ohne Traditionen, ohne Planung, ohne Kleid. Dass ich das wunderschöne Brautkleid aber schon noch tragen möchte, stand außer Frage. Also planten wir eine Feier mit den Menschen, die traurig waren, nicht bei unserer standesamtlichen Hochzeit dabei gewesen zu sein.

Corona bedingt wurde diese dann nochmals ein Jahr verschoben und nun, 3 Jahre nach dem Antrag, heiraten wir in 1,5 Wochen.

Hochzeiten und Traditionen

So und jetzt kommen wir zu Traditionen. Vor einer Hochzeit gibt es einen Junggesell:innenabschied. Da geht traditionell eine:r der Ehepartner:innen mit Freund:innen in eine Bar, es gibt eine:n Stripper:in und es wird getrunken, um es noch einmal „richtig krachen zu lassen“. Machen wir nicht. Finde ich dumm.

Vor einer Hochzeit gibt es einen Junggesell:innenabschied. Da geht traditionell eine:r der Ehepartner:innen mit Freund:innen in eine Bar, es gibt eine:n Stripper:in und es wird getrunken, um es noch einmal „richtig krachen zu lassen“. Machen wir nicht. Finde ich dumm.

Eigentlich dürfte es doch nichts geben, was einem durch eine Hochzeit verboten wird, oder? Wenn ich nach meiner Hochzeit nicht mehr feiern gehen darf, obwohl ich das vorher jedes Wochenende gemacht habe, schränkt mich das ja enorm ein. Und wenn ich auch nach meiner Hochzeit noch weiter mit anderen Menschen schlafen möchte und mein:e Partner:in das unterstützt, dann ändert sich doch auch hier nichts durch die Ehe.

Eine Ehe ist heute auch kein lebensverändernder Prozess mehr. Eine Ehe ist eine Unterschrift auf einem Papier, eine Gebühr, die man an ein Amt zahlt, eine eventuelle Veränderung eines Nachnamens (auch eine Tradition) und dann natürlich einige Rechte für einen anderen Menschen. Ganz unromantisch ist das alles, was eine Ehe ist.

Eine Ehe ist heute auch kein lebensverändernder Prozess mehr. Eine Ehe ist eine Unterschrift auf einem Papier, eine Gebühr, die man an ein Amt zahlt, eine eventuelle Veränderung eines Nachnamens (auch eine Tradition) und dann natürlich einige Rechte für einen anderen Menschen.

Wir, als gleichgeschlechtliches Paar, haben eben unter anderem auch geheiratet, falls eine von uns mal ins Krankenhaus muss. Damit die andere mit kann. Ganz unromantisch, aber ziemlich notwendig.

Ein bisschen Glamour, ein bisschen Tradition

Wir machen keinen Polterabend, es gibt keine Brautentführung, keine Hochzeitsspiele, bei denen eine von uns die andere ertasten muss, und wir werden auch nicht in der Nacht vor der Hochzeit getrennt schlafen – wer kann schon gut ohne den:die Partner:in schlafen?

Es wird ein kleines und intimes Sommerfest mit engsten Freund:innen und Familienmitgliedern auf einem kleinen Boot, das eine Standrundfahrt mit uns macht. Mit einem Designerkleid und Vogue-Fotograf:innen, ein bisschen Glamour bleibt. Und ein bisschen Tradition.

Wir, als gleichgeschlechtliches Paar, haben eben auch geheiratet, falls eine von uns mal ins Krankenhaus muss. Damit die andere mit kann. Ganz unromantisch, aber ziemlich notwendig.

Nur während wir diesen Tag so planen und ich mich mit Hochzeitstraditionen beschäftige, frage ich mich nach den Gründen hinter diesen Traditionen und wieso sie auch nach Jahrhunderten noch so eifrig ausgeführt werden.

Brauchen wir etwas, woran wir glauben können? Wollen wir einen Sinn bei jeder Entscheidung des „wichtigsten Tag des Lebens“ haben?

Brauchen wir etwas, woran wir glauben können? Wollen wir einen Sinn bei jeder Entscheidung des „wichtigsten Tag des Lebens“ haben?

Ein englisches Gedicht besagt, dass die Braut an ihrem großen Tag „something old, something new, something borrowed, something blue“ tragen soll. Etwas Altes steht dabei für Beständigkeit, etwas Neues für die Zuversicht, etwas Geliehenes für den Zusammenhalt und Blau ist die Farbe der Treue.

Ist das nicht heute sowieso alles anders?

Alte Wege und neue Ideen

Und braucht wirklich jede Entscheidung der Hochzeit eine Geschichte dahinter? Ursprünglich stand auch das weiße Kleid für die Unschuld einer Braut, also dafür, dass sie noch jungfräulich war. Und auch die Tradition des Brautstrauß-Werfens hat einen fast schon erschreckenden Grund.

Braucht wirklich jede Entscheidung der Hochzeit eine Geschichte dahinter? Ursprünglich stand auch das weiße Kleid für die Unschuld einer Braut, also dafür, dass sie noch jungfräulich war.

Der Ursprung dieser Tradition soll aus dem Mittelalter stammen. Damals herrschte der Aberglaube, dass ein Stück der Brautgarderobe Glück bringt. So entstand auch die Tradition des Schleiertanzes, bei dem die Braut nach der Entschleierung um Mitternacht tanzte, während die unverheirateten Frauen Stücke ihres Schleiers abrissen. Im Mittelalter wurde oft das ganze Brautkleid zerrissen. Der Wurf des Brautstraußes entwickelte sich also als Ablenkungsmanöver, damit die Braut in der Zeit verschwinden und sich in Sicherheit bringen konnte.

Alle Traditionen stammen von dem Grundgedanken ab, dass der einzige Job einer Frau ist, eine gute Ehefrau zu sein, jungfräulich zu heiraten, alles für ihren Mann zu tun und dieses „Glück“ der Ehe, dann noch an weitere Frauen weiterzugeben.

Alle Traditionen stammen von dem Grundgedanken ab, dass der einzige Job einer Frau ist, eine gute Ehefrau zu sein, jungfräulich zu heiraten, alles für ihren Mann zu tun und dieses „Glück“ der Ehe, dann noch an weitere Frauen weiterzugeben.

Über diesen Gedanken sind wir doch schon längst hinaus, oder? Wir leben für viel mehr, als „nur“ die Ehe.

In unserem Leben dreht sich nicht mehr alles darum, den:die perfekte:n Partner:in zu finden. Wir sind uns selbst genug.

In unserem Leben dreht sich nicht mehr alles darum, den:die perfekte:n Partner:in zu finden. Wir sind uns selbst genug.

Wir sind unsere eigene Sahnetorte und ein:e Partner:in eine mögliche Kirsche oben drauf. Apropos Torte: Bei unserer Hochzeit gibt es Erdbeerkuchen, diese Hochzeitstorten schmecken doch eh nie jemandem und wenn wir mal ganz ehrlich sind, wie unnötig sind diese doppelten Kuchenmesser, wenn am End sowieso die Frau* die Hosen anhat?

Headerfoto: Katharina Wohlrab (Kategorie-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

Katharina Wohlrab ist die erste queere Vize Miss Germany und lebt zusammen mit ihrer Frau und ihren zwei Hunden in Berlin. Sie ist Sinnfluencerin, Mental Health Aktivistin und setzt sich aufgrund ihrer eigenen Geschichte für Survivor von sexualisierter Gewalt ein. Hier betreibt sie sowohl auf ihrem Instagram Kanal als auch in ihrem Podcast „Träuma weiter“ Aufklärungsarbeit und gibt all denen eine Stimme, die momentan nur flüstern können. Katharina ist sehr strukturiert und kann auffallend gut einparken und vegane Kuchen backen.

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