Als ich mit einundzwanzig Jahren jung Mutter wurde, war die scheinbar perfekte Heidi Klum mein heimliches Vorbild. Das war 2008. Damals dauerte es genau neun Wochen, diesen Trugschluss zu erkennen und heute sind glücklicherweise viele junge Frauen ebenfalls geheilt von der Annahme, Heidi könne uns noch irgendetwas beibringen.
Damals aber wollte ich schnell wieder weiterstudieren und allen beweisen, ein Kind in diesem Alter sei kein Problem. Ich meldete mein Baby also noch während der sogenannten Kugelzeit, wie es auf einschlägigen Mami-Seiten heißt, an und freute mich, stolz verkünden zu können, dass ich nicht nur alles im Griff hätte, sondern auch verlobt sei. Ein wenig wie im Märchen, nur das ich saftige dreißig Kilo zunahm und statt Kronjuwelen eben Hämorrhoiden bekam.
Ich übte ich mich darin eine Hausfrau, Mutter, fleißige Studentin und liebende Partnerin zu sein und verwarf bald zwei dieser vier Prädikate.
Nach der Geburt meines Kindes überrollte uns junge Eltern dann der Alltag mit Kind. Nachts oft raus, tagsüber völlig übermüdet zur Arbeit oder eben ich, neun Wochen nach der Geburt und damit viel zu zeitig, wieder in die Uni. Unter der Erschöpfung, zwischen Rückbildung und Milcheinschuss, übte ich mich darin, eine Hausfrau, Mutter, fleißige Studentin und liebende Partnerin zu sein und verwarf bald zwei dieser vier Prädikate.
Mein Kind und ich lebten von nun an allein und ich hielt uns mit Gelegenheitsjobs und Zuschüssen meiner Familie über Wasser. Wir waren faktisch gesehen arm, denn ich hatte keine Ausbildung und musste um jeden Cent kämpfen, die uns der Staat zugestehen wollte.
Inzwischen bin ich zweifache Mami, habe zwei Berufe gelernt, wobei ich nie wieder in mein Studium zurückging, sondern nochmals neu begann. Ich habe mich als Alleinerziehende nicht nur oft behaupten müssen, sondern gefragt, ob das jetzt eigentlich alles ganz gut für uns lief oder ich hätte irgendwo abbiegen müssen?
Das Einmaleins für Alleinerziehende: Netzwerken, Mediation, Wissen sammeln, Hilfe annehmen.
Manchmal, zum Beispiel wenn einer von uns dreien krank ist, sich kein:e Babysitter:in findet und ich mich total erschöpft fühle, erlebe ich so etwas wie Reue. Nicht selten, wenn Paare händchenhaltend an uns vorbeischlendern, würde ich den Kindern und mir dieses Erlebnis auch gerne ermöglichen und dann gibt es da auch die große Sorge, sich die Miete zwar leisten zu können, aber eben nicht den Urlaub oder das große Weihnachtsfest, denn Alleinerziehende, insbesondere Frauen, leben oft benachteiligt. Weniger Geld, weniger Anerkennung und geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Die gute Nachricht ist, ich gehe heute sensibilisierter an die ganze Sache heran. So macht es, wenn möglich, Sinn Netzwerke zu gründen und andere Eltern und Alleinerziehende kennenzulernen. Kinder wachsen nämlich am besten mit anderen Kindern auf und Eltern haben ein größeres Verständnis für die gleiche Situation. Es macht außerdem mehr Spaß, sich ab und an mal auch auf Glühwein oder Brunch zu treffen, ohne das ewig schlechte Gewissen, die Kinder zu vernachlässigen.
Ich fühle mich weniger schwach und unsicher, wenn ich meine Möglichkeiten kenne.
Eine weitere wichtige Erfahrung war, sich tatsächlich vollumfänglich mit Behördendingen auseinanderzusetzen. Wissen ist Macht, heißt es ja nicht umsonst. Welche Gelder stehen uns zu, worauf muss ich achten – schon vor der Geburt am besten. Ich fühle mich weniger schwach und unsicher, wenn ich meine Möglichkeiten kenne.
Des Weiteren empfehle ich allen getrennten Eltern, so sie das möchten, eine Mediation durch das Jugendamt. Uns half es, zum Wohle der Kinder Entscheidungen zu treffen und unsere Gefühle einmal hintenanzustellen. Wir sind nicht perfekt und es holpert immer wieder, aber wir wollten lösungsorientiert bleiben und haben das mit harter Arbeit geschafft.
Ebenso rate ich jungen Müttern aus Krisensituationen unbedingt zu Mutter-Kind-Einrichtungen oder sogenannten Frauenhäusern. Ja, dieser Schritt ist schambesetzt und ja, hier könnte sich ein Stigma bilden, aber dieses haftet uns Alleinerziehenden sowieso häufiger an als anderen. Warum also auf Hilfe und Unterstützung verzichten? Wem wollen wir denn etwas beweisen? Hauptsache es geht uns und unseren Kindern endlich besser!
Glückliche Kinderaugen und erschöpft-zufriedene Mütter
Wenn ich jetzt in die Augen meiner Kinder schaue, sehen sie glücklich aus. Sie wirken leicht, beschwingt und liebend. Sie haben manchmal Fragen und ich gebe mein Bestes, ihnen gerecht zu werden, Antworten zu finden und diesen enormen Kraftakt auch mal leicht aussehen zu lassen.
Ich gebe beiden aber auch mit, dass es zwar leicht aussieht, aber nicht immer leicht ist. Dass sie mein größtes Geschenk sind und ich sie für immer lieben werde, aber unser Weg ein Hürdenlauf war – manchmal noch ist.
Wer jemals mit dem Gedanken spielte, als Alleinerziehende:r zu leben, sollte wohl einfach verinnerlichen: Niemand muss wie Heidi Klum sein.
Headerfoto: 🇸🇮 Janko Ferlič via Unsplash. („Wahrheit oder Licht“-Button hinzugefügt, Bild gespiegelt und gecroppt.) Danke dafür!