Ich bin frisch getrennt. Jap, richtig gutes Timing, um mit teils angeknackstem Herzen in einen Corona-Winter zu starten. Andere Story. Jedenfalls führte diese Ausgangssituation dazu, dass ich mich in den letzten Wochen hier und da auf lange, ausgiebige und vor allem bitterkalte Date-Spaziergänge mit der ein oder anderen Person begeben habe.
Gar nicht mit großem Ziel. Gar nicht mit der Hoffnung auf eine nächste große Liebe. Mehr aus Neugierde heraus und vor allem mit dem herrlichen Gefühl im Gepäck, frei zu sein und eine gewisse Ruhe und Gelassenheit zu besitzen. So habe ich bisher eigentlich noch selten bis nie empfunden. War oft eher verkopft unterwegs. Vielleicht auch etwas verloren in irgendwelchen Projektionen, die die jeweilige Person doch eh eigentlich niemals erfüllen konnte.
Ich wollte zwar ein wenig mehr als Langeweile, aber bloß nichts fühlen. Wollte mich schön lange in einem Bad aus Unabhängigkeit und Unantastbarkeit suhlen.
Aber dieses Mal schien vermeintlich alles anders zu sein. Dass mir alle wahnsinnig egal sind, habe ich gesagt. Mit den Schultern gezuckt. Ich wollte zwar ein wenig mehr als Langeweile, aber bloß nichts fühlen. Wollte mich schön lange in einem Bad aus Unabhängigkeit und Unantastbarkeit suhlen. Wollte sagen: „He, guckt mal, wie cool ich bin. Ihr alle. Aber haben könnt ihr mich nie!“
Der Selbstliebe-Code – ich hatte ihn geknackt. Dachte ich. Dachte, dass ich endlich hinter dieses eine große Geheimnis gekommen war, das sich mir seit so vielen Jahren nicht offenbaren wollte. Das war ein ganz schön befreiendes und empowerndes Gefühl. Männer treffen, ohne nur ansatzweise darüber nachzudenken, was für einen Eindruck ich wohl hinterlassen werde und wann oder ob ich sie überhaupt wiedersehe.
Schließlich kannte ich ab jetzt ja meinen Wert. War Superwoman. Quasi. Fühlte mich wie der Kapitän der Titanic, der noch nicht ahnte, dass da bald ein riesiger Eisberg sein komplettes Schiff zum Kentern bringen würde.
Plötzlich doch Hoffnung, Schwärmerei und ein abruptes Ende
Mein Eisberg ließ auch nicht lange auf sich warten. Zwar wollte ich meiner Devise von „Schultern zucken und abwarten, was kommt“ (oder eben auch nicht) treu bleiben, kam aber nicht umhin, zu spüren, dass da dieser eine Mann doch für ein bisschen mehr Aufregung im Bauch sorgte, als geplant. Für ein Aufflackern von Hoffnung und Schwärmerei, was ich eigentlich beides erst für einen weitaus späteren Zeitpunkt auf meiner emotionalen Timeline eingeplant hatte. Mist.
Boy meets Girl. Girl meets Boy. Viel anfängliche Euphorie. Viel, viel, viel alles. Bis man zwischenzeitlich kurz mit den Wimpern blinzelt und der Typ plötzlich über alle Berge ist.
Und doch fühlte sich das gleichzeitig auch ganz besonders schön an. Meist kommt ein Wink des Schicksals ja auch unverhofft. Plötzlich. Und so rannte ich mit verklärtem Lächeln und mit voller Wucht in mein kleines persönliches Elend. Im Endeffekt eine Dating-Story wie zahlreiche andere. Boy meets Girl. Girl meets Boy. Viel anfängliche Euphorie. Viel, viel, viel alles.
Dann kurz denken, dass die Dinge jetzt ganz anders werden als sonst und schon mal Unterschriften mit dem Nachnamen der anderen Person üben, bis man zwischenzeitlich kurz mit den Wimpern blinzelt und der Typ plötzlich über alle Berge ist, sobald du die Augen wieder öffnest. Das mit dem Unterschriften üben war übrigens ein Witz. Dass meine vermeintlich schicksalhafte Begegnung allerdings schneller wieder vorbei war, als sie eigentlich begonnen hatte, nicht. Das war wirklich so.
Scham schleicht sich ein und macht sich breit
So weit, so gut. Passiert. Aber was noch passierte, war, dass sich mit dem Ende dieser Geschichte neben ein paar (vielen) Tränen auch ein Gefühl der Scham einschlich. Eine falsche Scham. Scham darüber, dass ich es vermeintlich „nicht geschafft“ hatte, jemanden längerfristig zu halten. Für mich zu begeistern.
Fühlte mich naiv und dumm, den Signalen und Vibes meines Gegenübers Glauben geschenkt und zu meinen Gunsten gedeutet zu haben. Dachte, dass öffentlich Knutschen und Händchen halten oder stundenlang vor dem Schlafengehen telefonieren unter anderem dann vielleicht schon ein bisschen mehr bedeuten würde als freundlicher Smalltalk.
Und wenn man dann letztendlich doch merkt, dass man sich getäuscht hat, dann fühlt man sich ganz schön bescheuert. Nicht nur bisschen. So richtig sehr bescheuert einfach. Und zweifelt an sich. Seiner Menschenkenntnis. Seinen Fähigkeiten, Dinge richtig zu interpretieren.
Dachte, dass öffentlich Knutschen und Händchen halten vielleicht schon ein bisschen mehr bedeuten würde. Und wenn man dann merkt, dass man sich getäuscht hat, dann fühlt man sich ganz schön bescheuert.
Ich schämte mich für meine Gefühle, die zuvor durch all die vermeintlichen Signale nicht unbedingt klein gehalten wurden, nun aber zwangsläufig wieder eingestampft werden mussten. Schämte mich dafür, nun grundlos von meiner ach so selbstbewussten Haltung abgekommen zu sein, die mehr als ein Schulterzucken doch eigentlich nicht zulassen sollte.
Fühlte mich, wie wenn man unter schwierigen Bedingungen und mit viel Liebe eine kleine Blume heranzüchten würde, um sie dann wieder zu zertreten, sobald sie sich zum ersten Mal und vorsichtig der Sonne entgegenstrecken möchte. So fühlte ich mich: wie ein zertretenes Blümchen am Wegesrand. Wie theatralisch, jaja. Aber diese Gefühle können halt manchmal auch nicht anders, als mit wehender Federboa durch die Gegend zu stürmen und Alarm zu machen.
Für meine (unerwiderten) Gefühle muss ich mich nicht schämen.
Wie eben zum Beispiel auch mit ganz viel Alarm ganz viel Scham auszulösen. Und ich weiß, dass diese Scham falsch ist. Dass es nicht meine Schuld ist, wenn jemand merkt, dass ich zwar toll bin, aber nicht passend genug, als dass sich etwas Weiterlaufendes und Längerfristiges für beide gut anfühlen würde.
Das ist eigentlich völlig okay. Und ich bin das auch. Auch nachdem sich jemand halt nicht Hals über Kopf in mich verliebt hat. Mehr als okay sogar. Dafür muss ich mich nicht schämen. Und auch nicht dafür, hoffend gewesen zu sein. Fühlend, obwohl ich das doch eigentlich so sehr verhindern wollte.
Klar ist: Ich muss am Ende nicht für jeden der große Gewinn sein. Nicht das große Los. Es reicht, wenn ich das irgendwann wieder für eine feine Person sein werde, die das ebenso für mich ist. Und dieses „Irgendwann“ wird kommen. Hoffe ich.
Headerfoto:Austin Wade via Unsplash (Gedankenspiel Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!
Vielen Dank für diesen Artikel- es war als hättest du die Geschichte meines Corona Herbstes erzählt. Ich habe fast das gleiche erlebt- und verstehe total, was du mit Scham meinst. es tut wahnsinnig gut, zu sehen, dass Anderen soetwas auch passiert.
Ich glaube auch, dass es diese Zeit ist, die die Menschen empfindlich macht und ihnen Angsz vor zu grossen commitments verschafft. Es ist irgendwie eine Zeit, in der sich jeder sich selbst am nächsten gewachsen ist. Ich hoffe, baöd werden wieder alle offener. Alles gute du tolle Frau ❤️
Wie schön, liebe Frida, dass ich dir mit dem Text das Gefühl geben konnte, nicht die Einzige zu sein, die mit solchen Gefühlen kämpft. Mir tut wiederum dein Kommentar dazu auf selbige Weise gut – vielen Dank für deine Worte! Ich hoffe auch auf eine Zeit, in der sich die Menschen bald wieder nah sein dürfen und das auch wollen. So richtig mit Commitment und Herzen, die sich ernsthaft verlieben und all die schönen Dinge, hach. Dir auch alles Gute und ganz viel Liebe! <3