Mach dich mal verletzlich! – Warum uns Egotrips beim Dating tiefe Verbindungen verbauen

Aufgewühlt rief sie mich um Mitternacht an. Ihr Date gegangen. Fassungslos vor den Kopf gestoßen mit Emotionsvulkan inklusive saß sie da. Tränen zierten ihre Wangen und sie sagte: „Aber nein, das kann ich nicht, ich habe zu große Angst, verletzt zu werden. Ich kann es nicht ertragen, dass die Liebe mich wieder enttäuscht. Zu angefressen ist mein Herz von all der Ablehnung“ (ihre subjektive Meinung, ein fälschliches Spiel).

So jetzt aber mal Tacheles, ihr süßen Mäuse, wie wäre es mit einer Prise Leichtigkeit im Dating-Dschungel? Die Liebe macht sowieso, was sie will und es gibt kein allgemeines Glücksrezept, nur individuelle Backmischungen. Die Möglichkeiten, in Kontakt zu kommen, sind mittlerweile unendlich groß und doch fühlen sich immer mehr Menschen (darunter auch viele junge Menschen) einsam.

Lassen wir mal die Corona-Craziness außen vor, erleben dennoch einige liebevolle Berührungen als Mangelware. Zur Verwunderung manch Außenstehender ist meine herzallerliebste Girlie-Clique so frech und kuschelt, massiert und streichelt durchs Haar, was das Zeug hält, auch gern in aller Öffentlichkeit.

Herzlich lachen, muss ich immer wieder, wenn die Frage aufkommt: „Seid ihr immer so in Schmuselaune?“ Ja, schon. Friendship-Goals eben. Aber was hat das jetzt mit Dating zu tun, fragst du dich? Wenn wir Nähe erzeugen wollen, sollten wir in einem uns bekannten Terrain anfangen, damit wir die gewonnene Sicherheit mit in neue Abenteuer nehmen.

Fang bei dir an!

Wir wollen nicht ausprobieren. Lechzen nach der perfekten Gebrauchsanleitung wie Liebe funktioniert. Denken, wenn wir uns nur den Zeitschriften-Tipps gemäß verhalten, wird das Gegenüber das ultimative Crush-Erlebnis haben. Probieren alles aus, von nett sein bis kalte Schulter, über drei Tage nicht melden bis zur offensiven Herangehensweise und wieder zurück.

Wir spulen alte Muster ab, ohne sie zu hinterfragen. Gehen respektlos aufeinander zu, weil die Bedürfnisbefriedigung größer ist, als die Wertschätzung des Anderen und wir bei all dem Selflove-Gerede immer noch nach Bestätigung im Außen suchen. Wenn wir Liebe erfahren wollen, müssen wir uns trauen. Denn in der Liebe gibt es keine To-Do-Liste. Die einzige Zutat, die du brauchst, ist Authentizität und Furchtlosigkeit. Denn: „Liebe ist ein Chaos und sie kostet Mut“ (Lotte – „Wenn Liebe kommt“).

Ohne Veränderung kein Happy End. Wir können nur Veränderung erreichen, indem wir uns der Angst stellen und uns von ihr keinen Berg voll Steine in den Weg legen lassen.

Wir nehmen uns nicht genug Zeit, unsere alten Verletzungen in der Tiefe zu heilen und sind immer wieder überrascht, wieso uns bei jedem Dating die gleiche Scheiße passiert. Ziehen uns wieder zurück, weil wir Angst haben, den Respekt vor uns selbst zu verlieren und merken dabei nicht, wie sehr wir gerade genau den Film abspulen, den wir uns all die Jahre immer wieder anschauen.

Meinen, das Ende schon zu kennen und suchen uns genau die Schauspieler die uns bestätigen, was wir sowieso schon wissen. Aber ohne Veränderung kein Happy End. Wir können nur Veränderung erreichen, indem wir uns der Angst stellen und uns von ihr keinen Berg voll Steine in den Weg legen lassen. Mit voller Zuversicht die Wände auf wackeligen Beinen unter Tränen einreißen und unser verwundetes Herz liebevoll streicheln. Wir müssen eins kapieren: Wenn wir nicht ins kalte Wasser der vielleicht wartenden Enttäuschungen springen, haben wir auch keine Chance auf wahrhaftige Nähe und auf ein Ende, dass es gut mit uns meint.

Schluss mit dem Ego-Gepushe.

Aber fang bei dir und deiner Liebe zu dir an. Erwarte nicht, dass der andere dich liebt, nur, um dir das zu bestätigen, was du dir selbst nicht zugestehst. Nämlich Liebe zu geben und zu erfahren. Aufrichtige Nähe. Hol dir die Leichtigkeit zurück, verankere dich mit beiden Beinen auf dem Boden. Pack die Angst in den Rucksack und lass den Mut vor dir herlaufen und geh den nächsten Schritt in Richtung Freiheit.

Echte Nähe. Echte Berührungen, Face-to-face Konflikte. Klärende Gespräche sind heilsam, auch wenn sie im ersten Moment unheimlich verwundbar erscheinen. Face-to-face wäre natürlich Granate, aber minimal über die Stimmfarbe muss schon drin sein. Entschluss gefasst: Nie wieder lange Textnachrichten, wochenlanges Schreiben oder wohlwollende Sprachnachrichten tauschen.

Wir balsamieren unser Ego, indem wir als potenzieller Deckel alle Töpfe auf halber Stufe kochen lassen. Schaffen Illusionen von Zweisamkeit und fühlen uns doch verloren.

Und keine:r, der:die sich tagtäglich im Social Media und WhatsApp Kindergarten rumtreibt, kann mir erzählen, dass ihm:ihr solch ein Phänomen nicht schon wie Kaugummi zwischen den Fingern klebte. Bevor er:sie lachend bemerkte, what the hell tue ich hier eigentlich.

Während zwei Seelen alleine zuhause liegen und über utopische Dates schreiben die im Real-Life nie existieren werden, gehen uns heilsame Berührungen flöten. Wir lenken uns ab, suchen Bestätigung, nach noch einem besseren Match, sammeln Trophäen. Anfängliche Begeisterung verfliegt in Lichtgeschwindigkeit. Wir balsamieren unser Ego, indem wir als potenzieller Deckel alle Töpfe auf halber Stufe kochen lassen. Schaffen Illusionen von Zweisamkeit und fühlen uns doch verloren.

Weniger Text und mehr echte Worte, bitte.

„I‘m not praying for a revolution of the 1950 housewife und Ehe-Modell.“

Ich plädiere nur für wahrhafte Nähe, auch in fremden Betten. Für ein uns fallen lassen, aufeinander zugehen, weniger Text und mehr echte Worte. Voller Angst hineinstürzen in das nächste Abenteuer. Uns auf Augenhöhe begegnen. Genau jetzt in den Zeiten, in denen Berührung Mangelware ist, sollten wir uns noch mehr aufrichtiges Interesse schenken. Dabei nicht unseren Humor verlieren und herzhaft über uns selbst lachen.

Du schreibst mir Nachrichten voll intimen Sehnsüchten. Dann stehst du vor mir, verstummst als hätten deine geschriebenen Textzeilen dir den Mund zugeschmiert.

Real-Life-Dilemma: „Du schreibst mir Nachrichten voll intimen Sehnsüchten. Dann stehst du vor mir, verstummst als hätten deine geschriebenen Textzeilen dir den Mund zugeschmiert. Erzählst mir in deiner digitalen Bubble so viel von dir, badest in deiner Komfortzone, verriegelt hinter Mauern, die es unmöglich machen, wahrhaftige Verbundenheit zu schaffen.“

Wieso fangen wir nicht endlich an, unser Ego verstehen zu wollen? Gefühle zulassen. Begeben uns auf tagelange Egotrips, die durch das Spiel mit der Außenwelt den ein oder anderen Tage und Nächte kosten. Anstatt unseren eigenen Selbstwert zu polieren, zertrümmern wir den unseres Gegenübers, weil der Schrei nach Liebe fälschlicherweise nur Hass, Eifersucht und Neid hochkochen lässt.

Lasst uns neugierig aufeinander zugehen und Hüllen fallen lassen!

Blümchensex, wieso zur Hölle ist er so verrufen? Und während ich dies schreibe, höre ich schon das Getuschel „die steht nur auf Blümchensex“. Und klar ist es schön, wenn dein:e Partner:in dich richtig rannimmt und sagt, wo es langgeht und du einfach nur noch deinen Kopf ausschaltest und genießt.

Aber kann das nicht auch Blümchensex sein? Irgendwie drückt Blümchen doch einfach nur etwas Zartes aus, vielleicht etwas auf Augenhöhe. Einfach, wie zwei zarte Flowers behandeln, auch wenn wir schreien „nimm mich noch fester“ und unsere Fingerkuppen zwischen starken Schulterblättern vergraben. Einvernehmlich bedeutet auch zart, den anderen durch liebevolle, achtsame Augen sehen, egal ob beim Spanking oder Petting zwischen Seidenlaken.

Ich will, dass wir endlich aufhören, jemand anderes sein zu wollen und uns gemeinsam der nackten Wahrheit unserer Emotionen stellen.

Ich will, dass wir uns endlich verletzlich zeigen, aufhören, jemand anderes sein zu wollen, neugierig aufeinander zugehen, die Hüllen und Masken fallen lassen und uns gemeinsam der nackten Wahrheit unserer Emotionen stellen. Würde meine Stimme eine der einprägsamsten Klangfarben tragen, würde ich mir den besten Produzenten der Stadt an die Hand nehmen und es in die Welt rausschreien, damit sich die Melodie in euren Ohren festsetzt und eure Herzen blühen lässt.

Auf einem Demo Plakat habe ich einst gelesen „When the Power of Love overcomes the Love of Power the World will know Peace“. Da ist so viel Wahres dran und kann nahezu auf jeden Lebensbereich übertragen werden. Also lasst uns das auf die Fahne schreiben!

Headerfoto: Valentin Lacoste via Unsplash („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt und Bild gecroppt.) Danke dafür!

KADDING liebt Menschen und würde sie am liebsten jeden Tag bis ins kleinste Detail studieren. Schreiben hilft ihr dabei, daran nicht zu verzweifeln. Denn manches bleibt unergründlich. Ihren gute Laune Vibe hält sie mit Kunst, Yoga, Tanz und Liebe am Leben. Ihre neue Leidenschaft gilt dem „Einfach machen! Mutig sein!“ Dies hält sie seit neustem als kleine Post-It-Stories auf ihrem Blog TheKaddingIssue fest.

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