Mein Name ist Leonard und ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, so viel habe ich Dir zu erzählen.
Es fing alles damit an, dass ich mich so einsam fühlte, obwohl ich nie wirklich alleine war. Ich hatte immer Menschen um mich herum. Dennoch spürte ich diese Leere. Ich wusste nicht, was es war, was diese Leere ausmachte. Ich konnte dem Gefühl keinen Namen geben. Es war nicht nur Sehnsucht nach Zuwendung, Aufmerksamkeit, Bestätigung und Nähe, sondern auch der Wunsch, für jemanden etwas ganz Wichtiges und Besonderes zu sein.
Meine Suche nach Dir begann.
Ich habe mich schon immer ungeliebt gefühlt. Unbeliebter als all die anderen Menschen auf diesem Planeten. Ich dachte, man mag mich nicht, ich wäre Abschaum und das nicht nur bloß im Albtraum. Ich habe angefangen, mich zu hassen, ohne zu wissen, wofür ich mich hasse. Ich weiß es immer noch nicht, denn niemand sagte mir, warum er mich scheiße findet. Ich war der vollsten Überzeugung, dass jeder mich ablehnen würde. Ich litt sehr darunter und idealisierte dann irgendwann die große Liebe.
Ich habe angefangen, mich zu hassen, ohne zu wissen, wofür ich mich hasse.
Tief im Inneren wusste ich, dass auch ich wunderschön bin, und genauso spürte ich, dass ich jemand ganz Besonderes bin. Doch bislang hat mir das noch kein Mensch glaubhaft vermitteln können. Kein Mensch tat es oder konnte es, keiner aus dem WorldWideWeb, keiner aus meinem näheren Umfeld und kein Wesen von der Straße. Und auch wenn ich es wusste, konnte ich es nie fühlen, geschweige denn annehmen, wenn es mir gesagt wurde.
Bis Du mir vorgestellt wurdest und ich Dich kennen lernte. Du warst schon immer ein Teil von mir. Den Kontakt vermittelten ganz tolle Therapeuten. Menschen, die mir wirklich helfen wollten und bei denen ich mich dann auch geborgen fühlte. Ich lernte, mit Dir zu kommunizieren. Du hast es mir gesagt und ich habe nach anfänglichem Zögern angefangen, an deine Worte zu glauben und nach ihnen zu leben.
Ich habe bestimmt von vielen anderen – vor Deiner Zeit und bevor ich wusste, dass es Dich gibt – gesagt bekommen, dass ich liebenswert bin. Doch ich habe es nie glauben können. Ich konnte es einfach nicht annehmen, weil ich mich selbst nicht liebenswert fand. Wenn Du mir das nicht gesagt hättest, wer dann?
Dank Dir muss ich mich nicht mehr hassen. Dank Dir lerne ich zu lieben – erst mich selbst, dann die anderen. Ich danke Dir.
Ich bin dem Schicksal so dankbar, dass ich Dich kennenlernen durfte. Dank Dir heilen langsam meine Wunden meiner schlimmsten Kindheitserlebnisse. Dank Dir muss ich mich nicht mehr hassen. Dank Dir lerne ich zu lieben – erst mich selbst, dann die anderen. Ich danke Dir.
Dein inneres Kind
Dieser kurze Liebes- beziehungsweise Dankesbrief an meinen gesunden Erwachsenen entstand während meiner stationären Psychotherapie, die ich gemacht habe, weil ich sie dringend gebraucht hatte, weil es meinem inneren Kind (also mir) so schlecht ging, wie nie zuvor.
Ich war völlig am Ende. Meine Resilienz war aufgebraucht. Und wenn man selbst nicht weiß wie man weiter leben/machen kann und „alles“ was einen umgibt, irgendwie sinnlos erscheint, dann kann man weder ein guter Freund/ Partner für andere sein, noch für sich selbst gut sorgen.
Ich habe immer wieder erlebt, dass manche Menschen der Ansicht sind, dass man mit genug Liebe den anderen heilen könnte. Und ich verstehe bis heute nicht, wie man darauf kommt. Ich konnte die Liebe meiner Partnerin nicht annehmen. Ich konnte ihr nicht glauben, ich konnte die Liebe nicht spüren, aber ich hatte Angst davor, sie zu verlieren. Ich wollte, dass sie glücklich ist, aber irgendwie erschien ich mir selber nicht gut genug, weswegen auch viele meiner Beziehungen schnell scheiterten. Ich war damals noch nicht bereit.
Ich konnte mich nicht lieben, wusste nicht, ob ich meine Partnerin lieben kann, mehr noch zweifelte ich daran, dass meine Partnerin mich so lieben könnte, wie ich bin. Ich fand mich einfach absolut nicht liebenswert. Ihre Liebe war „quasi“ umsonst und verschwendete Liebesmüh. Aber sie wollte nicht loslassen. Sie klammerte sehr und war der festen Überzeugung, wenn sie nur lange genug an mir festhalten würde, mir beistehen würde oder mich mit Liebe zuschütten würde, dass ich dann „aufwache“, um ihr ein guter Partner zu sein.
Ich fand mich einfach absolut nicht liebenswert. Ihre Liebe war ‚quasi‘ umsonst und verschwendete Liebesmüh.
Und ich versuchte, ihr zu glauben, hielt daran fest, aber war irgendwann nicht mehr im Stande, diese für mich immer größer werdende Last zu tragen. Meine Fassade bröckelte ständig. Ich stand unter enormen Druck. Und unter meiner Maske juckte es. Ich wollte ein guter Liebhaber sein, ein guter Mensch, aber ich hielt mich dafür nur im Traum.
Wenn man sich aber nicht sicher ist, kaum oder keine Selbstliebe in sich trägt, dann ist alles, was von Außen kommt, nicht verifizierbar, weil es im Inneren keine Resonanz gibt. Also nichts, was dem zustimmen kann, nichts, was das kommende annehmen kann, und nichts, was für einen Ausgleich sorgen kann. Da war nichts, was mir Vertrauen gab und nichts, wo ich mich festhalten konnte. Selbst der viele Sex kompensierte nichts auf Dauer.
Die schlimmste Art jemanden zu lieben, ist die Liebe, die einseitig ist, mag sie noch so bedingungslos sein. Wenn nichts zurück kommt, nicht mal ein Danke, dann zweifelt der Partner an sich und an allem, was er zu geben bereit ist. Der Glaubenssatz „Ich bin nicht gut genug“ oder „Nichts, was ich tue ist gut genug“ oder „Ich bin unfähig, es dir recht zu machen“ manifestiert sich.
So erging es vielen meiner Freundinnen, besonders dieser einen Frau. Und so war es am Ende auch. Sie verzweifelte immer mehr. Sie konnte es mir aber nicht recht machen. Nichts, was sie bereit war, mir zu geben, konnte mich glücklich stimmen. Auch sie war am Ende machtlos gegen meinen „inneren“ Feind. Ich kokettierte also immer recht schnell mit einer Trennung, bis ich diese dann irgendwann auch vollzog.
Ich war zu stark im Abwehr bzw. Schmerzvermeidungsmodus. Ihre Liebe kam bei mir nicht an. Die letzte Rettung für mich war die Therapie.
Ich war zu stark im Abwehr bzw. Schmerzvermeidungsmodus. Ihre Liebe kam bei mir nicht an. Die letzte Rettung für mich war die Therapie, die ich dann auch antrat. Es gab absolut nichts, was mir eine Freude machte. Nichts war für mich gut genug, um es anzunehmen. Und jeder der mir wiedersprach, den hasste ich umso mehr.
Ich fing schon als Kind an, Gedichte zu schreiben, welche ein gutes Ventil für mich waren, um das, was in mir war, irgendwie raus zulassen. Irgendwann aber hörte ich auf zu schreiben und kompensierte meine innere Leere mit dem Internet. Ich hatte an die 50 Dates mit Frauen, die alle anfänglich bereit waren, mir ihr Herz zu schenken, was ich aber nicht wertschätzen konnte. Und ja, es tut mir leid, für jede einzelne Seele, jedes einzelne innere Kind, was ich dadurch ebenso verletzt oder missbraucht habe.
Schließlich lernte ich die Methode des Heilschreibens kennen. Genauer gesagt wurden wir animiert, Tagesberichte zu schreiben, in denen wir unseren Tagesablauf auf Station reflektieren. Es ist ja durch mehrere Studien bewiesen, dass Aufgeschriebenes sowohl befreit, als auch hilft, Reflektiertes und Aufgearbeitetes zu verankern.
Mit Hilfe dieser Methode war es mir möglich, mich selbst zu spüren und das, was ich in mir trug, unreflektiert raus zulassen, um es dann im weiteren Verlauf des Schreibens reflektiert loszulassen. Ich fand somit auch wieder einen Zugang zu meinem inneren Kind. So entstand auch mein Buch Ein Narzisst packt aus, das mir dabei geholfen hat, mich intensiv mit meiner Diagnose auseinander zu setzen und das andere vielleicht ermutigt, ebenso zu sich selbst zu finden.
Ich bin total glücklich, JETZT zu leben. Ich bin ein Mensch mit gesunden Ressourcen und einem inneren Kind, was immer heiler wird.
Ich kann jeden Menschen nur dazu ermuntern, Erlebtes, Bewegendes, Belastendes aufzuschreiben, dazu gehören nicht nur negative Emotionen, sondern auch positive. Das heißt, ich möchte sie alle dazu ermutigen, Liebesbriefe an sich selbst, an ihr inneres Kind oder einen geliebten Menschen zu schreiben. Denn nur wer schreibt, kann sich befreien. Nur wer schreibt, der bleibt.
Ich bin total glücklich, JETZT zu leben. Meine Diagnose hat sich auch gewandelt. Ich bin jetzt kein Narzisst mehr. Ich bin ein Mensch mit gesunden Ressourcen und einem inneren Kind, was immer heiler wird.
Headerfoto: Joanna Nix via Unsplash. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt. Bild gedreht.) Danke dafür!
Lieber Leonard,
danke für das Teilen deiner Geschichte. Es zeigt mir, ich bin nicht allein.
Ich befinde mich in einer ähnlichen Situation. Ich bin diejenige, die einen Mann seit einem Jahr mit Liebe zuschüttet, es zumindest versucht. Denn er nimmt sie nicht an. Läuft vor mir weg, nähert sich aber immer wieder, wenn ich locker lasse. Sobald ich aber wieder aktiv werde, stößt er mich ab. Er lässt mich nie wirklich gehen. Er möchte meine Freundschaft nicht verlieren, womöglich braucht er meine Zuneigung und unregelmäßige Nähe. Anders kann ich es mir nicht erklären.
Dennoch. ein Gefühl von „ich reiche ihm nicht“ und „Ich bin ihm nicht genug“ breitete sich nach und nach aus bis es im Mai soweit war: Ich hab erkannt, dass ich Hilfe brauche und befinde mich seitdem in Therapie. Von ihm los bis ich bis heute nicht. auch wenn ich zwischendurch etwas mehr Distanz aufbaue, lässt die Hoffnung in mir nicht nach, er könne erkennen, was ihm entgeht und was er für mich fühlt. Diese Hoffnung wird hauptsächlich durch seine sporadischen Annäherungen getriggert. Und ich weiß wirklich nicht mehr weiter.
Liebe Grüße.
Ich bin so eine Frau die „mit Liebe zugeschüttet“ hat und am Ende auch verlassen wurde. Konnte viele Parallelen feststellen. Danke für den Text!
Gern geschehen 🙂 Danke für deine Wertschätzung und dein In dich gehen… Damit hast du dir selbst sehr gut geholfen 😉
Das freut mich zu lesen. Gern geschehen 😉
wow, das hat mir so geholfen. danke!