Dachtest Du, es wäre vorbei? Die Endzwanziger Krise hört auch mit 30 nicht auf. Sie geht weiter und verändert sich, weil wir uns verändern und sich unsere Perspektive weiter dreht. Wir stellen andere Fragen, wir stellen womöglich sogar die „richtigen“ Fragen. Aber eine Antwort können wir dennoch manchmal nur erahnen.
Mit Mitte/Ende Zwanzig haben wir unser gesamtes Konstrukt auf den Kopf gestellt, wenn auch nur in unserem Kopf. Wir haben den Partner verlassen, betrogen oder uns mit ihm abgefunden; den Job gewechselt, gekündigt oder uns selbstständig gemacht. Wir haben die Welt bereist, sind in fremde Kulturen eingetaucht, haben unser Instagram mit den besten Fotos geflutet und hart um neue Follower gekämpft.
Wir haben allen gezeigt, dass wir etwas verändern können, wenn wir nur wollen. Wir sind gesprungen, ins kalte Wasser, aus dem Fenster und in die Dreißiger.
Wir haben allen gezeigt, dass wir etwas verändern können, wenn wir nur wollen. Wir sind gesprungen, ins kalte Wasser, aus dem Fenster und in die Dreißiger.
Sind wir jetzt schlauer? Wissen wir nun mehr vom Leben und was wir wollen? Was ist mit uns passiert?
Wir merken, dass die Welt nicht nur schwarz und weiß ist. Sie strahlt in den schönsten Farben und Facetten und eine Auswahl zu treffen scheint uns immer noch unmöglich. Wir haben alles mögliche gesehen, erlebt und erfahren, sodass wir doch eigentlich gewappnet sein müssten. Wir besuchen nun endlich den Yoga Kurs, meditieren um die Wette und das Wort „Achtsamkeit“ müssen wir nicht mehr nachschlagen. Wir wissen um die größeren Dinge im Leben, aber es fällt schwer, sie zu (be)greifen.
Wir beginnen zu erkennen, dass das, wonach wir suchen, viel tiefer verborgen liegt, als wir es jemals hätten erahnen können. Wir bemerken, dass Geld uns nur bis zu einer gewissen Grenze Befriedigung schenkt. Wir spüren eine Sehnsucht jenseits des Erklärbaren. Wir möchten am liebsten immer im Urlaub sein und in diesem Gefühl baden.
Uns geht es gut, doch was vermissen wir?
Im Urlaub ist alles so leicht, die Gedanken sind frei. Wir hangeln uns immer noch von Wochenende zu Wochenende und auch mit neuem Bewusstsein kommen wir immer wieder an den Punkt der Stagnation und Unzufriedenheit. Uns geht es gut, doch was vermissen wir?
Wir möchten irgendwie die Welt retten, Hausschweine aufziehen, Tiere pflegen und etwas sinnvolles mit unserer Zeit anfangen. Wir denken in größeren Dimensionen, schätzen den Gemeinschaftsgedanken, können uns aber oft nur schwer einbringen, weil wir nicht wissen, wo wir anfangen sollen.
Veränderung ist allgegenwärtig, aber wo ist der Start? Und bekommen wir dann auch noch 4000 Euro wenn wir über „Los“ gehen?
Das Leben zeigt uns auch weit nach 30 Lebensjahren, dass wir einem permanenten Wandel unterworfen sind und die Fragen nicht aufhören. Sie verändern sich nur. Wir schauen mit neuen Erfahrungen aus einer neuen Perspektive. „Was ist mir in einer Partnerschaft wirklich wichtig? Warum erfüllt mich jeglicher Konsum nicht mehr? Brauche ich wirklich all die Dinge, die ich besitze? Macht mich der Besitz glücklicher? Sind One Night Stands wirklich aufregender als eine Partnerschaft?“
Der Drang nach Freiheit in uns ist groß, aber wir bemerken nicht, dass wir oft in unserem eigenen selbst kreierten Gefängnis sitzen bleiben.
Warum ist das so?
Der Weg in das Leben, das wir uns wünschen, geht zu allererst in uns selbst. Wir werden nichts im Außen finden.
Der Weg in das Leben, das wir uns wünschen, geht zu allererst in uns selbst. Wir werden nichts im Außen finden. Wir werden uns einen Besuch abstatten müssen und vielleicht sogar den Höllenschlund in uns öffnen. Denn all die Fragezeichen in unserem Kopf sind wie ein dunkler Keller ohne Licht und wir wissen instinktiv, dass wir den Keller oder Schuppen jetzt endlich aufräumen müssen, um die Fragesätze mit Ausrufezeichen zu beenden.
Da ist eine Leere in uns und gleichzeitig eine Hoffnung und wir beginnen, das Puzzle unseres Lebens langsam zusammenzusetzen. Wir wollen immer alles ganz schnell und sofort, aber auch durch Drücken und Quetschen passt ein Puzzleteil manchmal einfach nicht in das andere. Dann fangen wir an zu begreifen, dass alles seine Zeit braucht und dass das, was sich im Außen um uns herum befindet, nur eine Reflexion unseres Inneren darstellt.
Zum ersten Mal beginnen wir vielleicht zu verstehen, was es mit dem Bottom-up Prinzip aus dem BWL Studium auf sich hatte, denn im Prinzip ist es ein Äquivalent zu der längst überfälligen Keller-Aufräum-Aktion: von unten nach oben, oder anders gesagt, ich schaffe Platz, von innen nach außen. Denn wir sind die Schöpfer unseres Lebens und um überhaupt schöpfen zu können, ist es unabdingbar, uns selbst kennenzulernen, mit unseren düstersten Eigenschaften und schönsten Talenten.
Wir sind die Schöpfer unseres Lebens und um überhaupt schöpfen zu können, ist es unabdingbar, uns selbst kennenzulernen.
Wir haben die Chance, uns nun zum ersten Mal selbst persönlich Hallo zu sagen. Und das haben wir schon lange geplant, tief in unseren Herzen. Das ist die Unruhe, die wir mit Ende Zwanzig verspürt haben, die Rastlosigkeit, die durch keine Reise, keinen neuen Job und keine Beziehung beseitigt werden kann.
Herzlich Willkommen, mein „Selbst“, wie geht es Dir eigentlich? Es freut mich, Dich endlich kennenzulernen!
To be continued.
Headerfoto: Kinga Cichewicz via Unsplash. („Gesellschaftsspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!