Sonja | 28 | Stuttgart

„Jemand, der schon dreiviertel weiß, was er vom Leben will, ist besser, als einer, der es nur halb weiß.“

Wo Sonja wohnt, ist es idyllisch, die Straßennamen erzählen irgendwas von Blumen und es ist ruhig hier zwischen den Einfamilienhäusern. Sonja macht uns die Tür ihrer Zweier-WG auf und man weiß gleich, sie gehört hierhin, also wegen der Blumen. Wir bekommen Kaffee und Käsespieße und selbst gebackene Muffins – Sonja kocht und backt nämlich unheimlich gerne. Auf jeden Fall ist schnell klar: Bei Sonja fühlt man sich wohl, ein bisschen wie zu Hause. Die Wohnung ist liebevoll eingerichtet, überall sind Postkarten mit Sprüchen an der Wand, es ist hell und pastellig und wir dürfen auf keinen Fall hungrig oder durstig bleiben.

Als wir nahrungsmitteltechnisch optimal versorgt sind, erzählt Sonja, dass sie in Degerloch aufgewachsen ist, bis sie mit ihrer Familie nach Stuttgart gezogen ist. Als Kind war sie eher zurückhaltender, „das liegt wohl daran, dass ich vom Alter her genau zwischen meinem Bruder und meiner Schwester bin“. Ja klar, wenn zwei Lärm machen, ist die Dritte eben leiser. Ob es nicht doch einen Schwank aus ihrer Kindheit gibt? Aber klar: Mit ungefähr fünf hat sie auf einem Plastikbob im Schnee in voller Fahrt einen Baum gekuschelt, wobei das weit weniger romantisch war, als sich das jetzt liest. Klein Sonja hatte nämlich eine Gehirnerschütterung, der Baum hatte vermutlich nix. Sonja war außerdem bei den Pfadfindern, aber Orientierung hat sie trotzdem keine gute, sagt sie. In der Schule hat sie so verrückte Sachen wie Latein und Altgriechisch gelernt und zusätzlich an einer anderen Schule noch die Hebräisch-AG besucht. Klingt aber viel mehr nach Nerd als Sonja tatsächlich ist; das ist sie nämlich tatsächlich überhaupt nicht.

„Wir sind früher immer mit dem VW-Bus nach Italien in den Urlaub gefahren. Irgendwann wollte ich mal was anderes sehen und keiner aus der Familie wollte mit.“ Also ist Sonja nach dem Abi ein Jahr alleine nach Schweden gegangen, und zwar als Au-pair, hat da drei Kinder und einen Hund beaufsichtigt. Zurück in Deutschland studierte sie in Mönchen-Gladbach Kulturpädagogik. In den meisten Jobs in der Kulturpädagogik ist nur leider, leider die Bezahlung eher am unteren Limit und sie hätte noch ein Volontariat machen müssen; also beschloss Sonja, sich nach dem Bachelor neu zu orientieren und nochmal ins Ausland zu gehen. Wieder als Au-pair, aber diesmal nach England, nahe London. „Eigentlich wollte ich drei Monate bleiben, aber daraus wurde dann ein Jahr“, sagt sie und fliegt heute immer noch zu der Familie, bei der sie gelebt hat.

Ihre Mutter brachte sie anschließend auf die Idee mit dem öffentlichen Dienst und Sonja fand, die Kulturpädagogik ließe sich gut mit einem Studium der Finanzverwaltung verbinden, auch wenn es erstmal wie das trockene Gegenteil davon klingt. Dass das nicht stimmt, hat sie mittlerweile festgestellt, weil sie im Rahmen des Studiums einen spannenden Job in der Verwaltung eines Schlosses gemacht hat – das könnte ihr Traumjob sein. Ein Jahr Studium muss sie aber jetzt noch rumbringen, bevor sie so richtig durchstarten kann.

Neben dem Backen und Kochen näht Sonja gerne, Kleidung zum Beispiel, und für Sport hat sie auch was übrig: Sie macht Yoga, Pilates und Functional Fitness und am Tag vor unserem Treffen hatte sie ihre erste Krav-Maga-Stunde; das ist Selbstverteidigungstraining. Und als Sonja uns was aufschreiben will, zittert ihre Hand so, dass ihre Schrift ein bisschen krakelig wird, weil das Training so anstrengend war. Das hält sie natürlich nicht davon ab, das jetzt weiter zu machen. Aufgepasst, frech werden ist bei Sonja bald nicht mehr!

Sonja lebt vor allem in der Offline-Welt. Sie nutzt Facebook nicht, sie tauscht lieber mit einer der deutschen Freundinnen aus der Au-pair-Zeit in Schweden echte, handgeschriebene Briefe aus, so richtig per Post und so. Einen Fernseher hat sie übrigens auch nicht. Wenn sie doch mal was anschauen will, dann muss die Mediathek herhalten. Am liebsten schaut sie schwedische Krimis. Aber besser ist Lesen, hier ist fast jedes Genre dabei. In ihrem Bücherregal findet man Sachbücher mit gesellschaftsrelevanten Themen, Gedichtbände, Romane und ja, auch eine sehr bekannte Vampir-Trilogie („Die habe ich geschenkt bekommen!“).

Es gibt natürlich auch Dinge, die Sonja nicht so gerne mag, zum Beispiel ist sie nicht so der krasse Party-Typ, Tanzen gehen ist nicht unbedingt ihre Lieblingsbeschäftigung. Lieber setzt sie sich in einem entspannten Outfit und mit einem Glas Wein in der Hand in ein Pub oder hört sich Poetry Slams an. Vom lange Schlafen und vom Hunger bekommt sie schlechte Laune. Gegen den Hunger hilft dann auch kein Fleisch, davon hatte Sonja in England eine Überdosis und seither lebt sie fleischfrei.

Herrlich erfrischend ist auch ihre Einstellung zum Reisen. Heute, wo jeder sagt: So weit weg wie möglich, sagt Sonja: Brauch’ ich nicht. Sie ist gerne unterwegs, besucht an den Wochenenden ihre Freunde in ganz Deutschland, aber ihre Freundin in Sambia, die wird unter Umständen lange auf Sonjas Besuch warten müssen. „Die Kluft zwischen Arm und Reich ist so unfair, dass ich irgendwie Hemmungen habe, da hin zu fliegen.“ Wir gehen noch zusammen raus und Sonja zeigt uns, wo sie immer entlangläuft, während sie mit eben diesen Freunden telefoniert und nebenbei Brombeeren vom Strauch isst.

Ja, und wie soll jetzt eigentlich der Mann an Sonjas Seite sein? Rein optisch hat sie keinen favorisierten Typen, sagt sie, und sie braucht auch niemanden, der sie unterhält. Der Glückliche dürfte gerne etwas älter sein, denn „jemand, der schon dreiviertel weiß, was er vom Leben will, ist besser, als einer, der es nur halb weiß“. Und der ihr beim Kuchen essen hilft, weil alleine schafft sie ja keinen ganzen.

Als wir später wieder aufbrechen, packt Sonja uns noch sechs Muffins ein – für die Zugfahrt, als Proviant. Wir essen sie innerhalb von vier Stunden alle restlos auf, mitsamt aller Zimtzucker-Krümel. Danke, Sonja, wir kommen wieder zum Apfelstrudel essen (den kann sie nämlich auch backen)!

Wenn du also mit Sonja gerne früh aufstehen willst, selbst gebackenen Apfelstrudel mit ihr essen möchtest, so ungefähr dreiviertel weißt, was du vom Leben willst und dann auch noch auf Kultur und Sport stehst, dann melde dich! Hier wartet eine zauberhafte junge Frau auf dich, eine Blume, wie der Name der Straße, in der sie wohnt, schon verspricht.

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Franziska schreibt. Für ihr Leben gern, um ihr Leben und um ihr Leben herum. Neben ihrem Job als Texterin bloggt sie auf www.frl-wunderbaar.de und bietet dort Heimat für all die Worte und Gedanken, die sich danach sehnen, liebevoll festgehalten zu werden. Meistens geht’s dabei um Menschen, Nachhaltigkeit, Reisen und Liebe sowieso.
Philipp schaut den Menschen durch die Kamera direkt in ihr Innerstes, meistens ist das das Herz. Nebenbei entwickelt er Spiele, macht Web-Programmierung und entgegnet der körperlichen Verlauchung mit regelmäßigen Besuchen im Fitnessstudio.