„Warum soll ich mich anpassen?“
Ein Stadtkind zog aufs Land – so beginnt Jannis’ Lebensgeschichte und da freut man sich irgendwie gleich mit, denn wer von Schwabing an den Ammersee zieht, kann sich wirklich freuen, vor allem wenn er, so wie Jannis eben, ein typischer Junge war, der gerne gekickt hat und draußen unterwegs war. Kuriose Geschichten und lustige Erinnerungen aus Kindertagen kann er jedoch leider nicht mit uns teilen, vielmehr erzählt er uns von einem Unfall, dessen Auswirkungen ihn jahrelang begleitet haben, denn: Als Jannis in der fünften Klasse war, wurde er von einem Auto angefahren und litt unter einem Schädelhirntrauma. An die Zeit vor dem Unfall kann er sich deshalb kaum noch erinnern und auch die drei Monate im Krankenhaus beschreibt er als „schemenhaft“.
Bevor er 2007 als „geheilt“ eingestuft wurde, begann für ihn nach der Reha eine Zeit, in der er sehr schüchtern und zurückhaltend durchs Leben ging. Das lag vor allem daran, dass er lange Haare trug, was er selbst für vollkommen normal hielt, trug sein Vater die doch auch. In der Schule hatte er deshalb allerdings eine harte Zeit, und auch heute sagt er von sich, dass er anders sei als viele andere, dass er beispielsweise bei einem Gespräch immer erst mal zuhört und sich Gedanken macht, bevor er etwas sagt. Doch als er uns das erzählt – heute, jetzt, wo er erwachsen ist – da klingen seine Worte als genau das, was ihn ausmachen und was er wirklich an sich mag.
Das wahrscheinlich wichtigste Kapitel in Jannis’ Leben begann, als er seine eigene Gitarre in den Händen hielt und von da an nicht mehr zu bremsen war. Während der Schulzeit wurde er Teil der Band einer Musikschule, die sich „Die wilden 8“ nannte, sie jedoch immer nur zu viert waren, was Jannis augenzwinkernd hinzufügt. Über die Band eignete er sich Musikwissen an, lernte das Gitarrespielen und wurde vor allem für seine Art gemocht – die Zeit des Außenseiter-Daseins war mit einem Paukenschlag vorbei und während er mit seinen Bandkollegen Metallica, Johnny Cash, Led Zeppelin und Co. coverte, ging es von der Hauptschule auf den M-Zweig der Realschule. Endstation: Die FOS mit Sozialer Ausrichtung.
Obwohl er sich an der Schule wohl fühlte, entschied sich Jannis nach dem Abschluss für den Beruf des Bühnentechnikers, denn auf der Bühne zu stehen war ja sowieso sein Ding, warum also nicht lernen, wie das alles im Hintergrund so funktioniert? Leider endete die Geschichte genau da, denn einen Ausbildungsplatz für Bühnentechnik zu bekommen ist ungefähr genauso schwer, wie als Bühnentechniker einen Job zu finden. Glücklicherweise schwamm Jannis aber nicht von diesem Moment an in einem viel zu großen Becken, randvoll gefüllt mit all diesen Möglichkeiten, die wir heutzutage haben, denn seine Mutter schlug ihm den Beruf des Erziehers vor und das mal ausgesprochen, fruchtete sofort.
Jannis befindet sich gerade noch im letzten Jahr der Ausbildung, er arbeitet im Betreuten Wohnen für Körperlich Behinderte. Was er daran so schätzt, ist, etwas Erfüllendes zu tun und für die Bewohner die Rolle als Lifecoach einzunehmen. Jannis ist zwar selbst nicht körperlich behindert, aber nach seinem Unfall war er lange auf Reha und kann sich dadurch richtig gut in alles, was die Bewohner beschäftigt, hineinversetzen – in das Gefühl, nicht alles tun zu können, was man möchte. In das Gefühl, anders zu sein, als die anderen.
Abgesehen von der Erfüllung, die er im Beruf und in der Musik gefunden hat, geht er ein bis zwei Mal die Woche zum Bouldern, unter der Woche oft alleine, am Wochenende ist er mit Freunden in der Boulderwelt Ost oder West unterwegs. Er liest viel, vor allem Krimis aus der Feder von Sebastian Fitzek, er liebt die alten Star-Wars-Episoden und Friends, kocht nach Jamie Oliver und trinkt zu viel Kaffee. Also, seiner Meinung nach.
Jannis’ große Leidenschaft sind seine 5 ½ Gitarren (eine ist derzeit kaputt). Er zeigt uns seine Lieblinge (allen voran die Les Paul von Gibson, die er Paula nennt), spielt einen selbstgeschriebenen Song vor und taucht, während wir vor ihm sitzen, vollkommen ab in seine Musik. Jeden Freitag spielt er im Cord, mittlerweile tritt er nämlich als Solomusiker auf, er schreibt jedoch die Noten für Bass, Schlagzeug und Keyboard, damit seine Songs theoretisch auch von einer Band gespielt werden können – wow!
Jannis mag keine Ja-Sager, keine Menschen ohne eigenen Charakter, vielmehr schätzt er Offenheit und die Fähigkeit, auch mal wieder Kind sein zu können. Er ist kein Fan vom Oktoberfest, weil er selbst nicht viel Alkohol trinkt und lieber in so tollen Clubs wie dem Cord abhängt, nachdem er eine Runde gespielt hat. Wenn du Jannis live hören magst oder einfach mit einem Bier anstoßen willst, um ihn kennenzulernen, dann schau freitags dort vorbei oder – noch besser – schreib ihm hier!
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