Nächstes Jahr wird alles anders – aber dieses Mal auch wirklich

Nächstes Jahr soll alles anders werden, meinte neulich wer. Endlich mal alles anders. Aber dieses Mal halt auch wirklich. Ich ging genervt nach Hause. Alles anders am Arsch (astreine Alliteration, Anmerkung alleinstehender Autoren). Was soll anders werden? Erst mal muss man sich doch darüber klarwerden, was alles beschissen gelaufen ist, um ein Bild davon zu bekommen, was überhaupt das Potenzial hätte, sich zu verändern.

Schön, ein Jahresrückblick also. Dasselbe wie am Ende des Lebens vor dem inneren Auge, nur eben für rund 360 Tage gedacht. Muss so was wirklich sein? Rückblicke sind nervig, weil man immer auch einen Großteil des Krams wieder vor Augen geführt bekommt, den man gerne vergessen würde.

War ein krass anstrengendes Jahr. Ziemlich viel privater Müll. Und ich hab ihn nicht getrennt, vergib mir.

Aber egal, zurück zum Rückblick. Gibt da nicht viel zu sagen: War ein krass anstrengendes Jahr. Ziemlich viel privater Müll. Und ich hab ihn nicht getrennt, vergib mir. Alles in eine Tonne. Könnte man ja zum Jahresende mal anzünden, das gute Stück. Wie früher. Weißte noch, wie früher? Als man sich noch schwarz angezogen hat und auf den Demos unterwegs war, weißt noch? Ja, ja, glückliche Kindheit und so. Die Zeit vergeht so absurd schnell, wenn man nicht auf die Uhr guckt.

Ich habe alle meine Vorsätze für nächstes Jahr schon zusammen. Und auch schon gebrochen, das macht es dann leichter. Kein Heroin, keine Prostitution und vor allem, ganz ehrlich, keine weiteren Bücher von Richard David Precht lesen. Nein, Quatsch. Kann man ruhig machen, also, wer das will. Zumindest die ersten beiden Sachen.

Meine Vorsätze sind:

Erstens: Einfach mal zu Hause bleiben. Einfach mal die Welt an sich vorbeiziehen lassen, die Frauen Frauen sein lassen und das Alleinsein wie einen guten alten Freund begrüßen und hereinbeten. Tee gibt’s immer um fünf.

Zweitens: Frei nach Samuel Beckett: Einfach besser scheitern. Nicht alles unbedingt gewollt anders machen, wie neulich wer meinte. Nein, man will offenbar, dass es zwischendurch wehtut. Stattdessen lieber seine Energie da hineinstecken, dass man dieses Mal besser scheitert. Was immer das dann im Einzelnen heißt.

Und drittens: Texte schreiben. Ich kann mir derzeit wenig Schöneres vorstellen.

Ende nächsten Jahres können wir dann gemeinsam Bilanz ziehen, wie das so geklappt hat.

Wenn Sie noch Fragen haben, Ende nächsten Jahres können wir dann gemeinsam Bilanz ziehen, wie das so geklappt hat. Bis dahin einfach mal zu Hause bleiben. Ich hab mir zu Weihnachten die gesammelten Briefe von Voltaire, Alexander von Humboldts Gesamtwerk und Terry Pratchetts Scheibenweltromane gewünscht. Macht euch also um mich keine Sorgen, ich habe zu tun.

Frohes neues Jahr. Macht was draus. Denn die Welt da draußen macht es nicht für euch. Seid mal wieder unbequem, anders, gegen den Strom. Egal, ob Yellow oder lachsförmig: Wenn die das können, dann könnt ihr es auch. 

Headerfoto: Mann auf Stuhl sitzend (Stockfoto) via Dean Drobot/Shutterstock. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

GOTTFRIED HAUFE schreibt Texte, um sich selbst besser zu verstehen. Klappt manchmal ganz gut. Neben dem Auftritt auf Lesebühnen und in Kombination mit Musik hat er auch den Wurf gewagt, eine Mischung aus Lesung und Theater zu kreieren. Ein Lesestück halt. Für im gegenteil schreibt er die Texte aber gerne noch mal extra auf.

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