Heute Morgen ist das Thermometer zum ersten Mal unter der 5°C-Grenze hängen geblieben, als ich die Wohnung verlassen habe. Ich kann es nicht leugnen. Es wird Winter. So richtig mag ich diese Jahreszeit nicht. Zumindest, wenn nicht gerade Sonntagnachmittag ist und ich eingekuschelt mit Tee auf dem Sofa sitzen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Da aber gerade Dienstagmorgen ist, sitze ich also mit dicker Jacke und noch dickerem Schal in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit. Aus Zeitüberbrückungsgründen scrolle ich durch die Bildergalerie meines Handys, so lange, bis ich mal wieder über die Bilder von uns stolpere.
Wie wir zusammengekuschelt unter deiner dicken Decke auf deinem Sofa liegen, die leeren Pizzaschachteln auf deinem kleinen Tisch, strahlende Augen und ein großes Grinsen im Gesicht. Ich muss unwillkürlich lächeln, wenn ich an diesen Abend denke. An all diese Abende mit dir. Und beinahe gleichzeitig mit dem Lächeln auf meinen Lippen breitet sich zum ersten Mal so richtig das Bewusstsein in mir aus, dass dies der erste Winter der letzten Jahre sein wird, den ich ohne dich verbringen werde.
Ich erinnere mich an all diese Abende bei mir oder dir oder in dieser verrückten Stadt, und plötzlich bist du nicht mehr da.
Ich erinnere mich daran, wie ich eines Nachts schon fertig im Schlafanzug diese winzigen zweihundert Meter von meiner Haustür zu deiner Haustür gelaufen bin, weil ich meine Eltern in meine Einzimmerwohnung einquartiert hatte. Oder wie du trotz Erkältung bei mir vorbeigekommen bist, um dich mit Tee auf mein Sofa zu kuscheln. Ich erinnere mich an all diese Abende bei mir oder dir oder in dieser verrückten Stadt, und plötzlich bist du nicht mehr da.
Und natürlich war eigentlich ja ich es, die plötzlich nicht mehr da war. Weil ich unserer Stadt den Rücken gekehrt habe, um diesen aberwitzigen Träumen hinterherzujagen. Aber nun bist eben auch du nicht mehr da, und auf einmal gibt es in unserer Stadt weder ein „dich“ noch „mich“, geschweige denn ein „uns“. Und aus diesen winzigen zweihundert Metern zwischen dir und mir sind plötzlich zweitausendzweihundert Kilometer geworden. Zwei. Tausend. Zwei. Hundert!
Diese Stadt, die hat ein bisschen uns gehört. Findest du nicht?
Diese Stadt, die hat ein bisschen uns gehört. Findest du nicht? Diese Stadt mit all ihren durchzechten Nächten. Mit ihren unzähligen Stunden, die wir gemeinsam für viel zu wenig Geld hinter dieser Bar verbracht haben. Mit ihren vielen, vielen Café-Dates. Mit Weinschorle und Pasta. Mit diesen ganzen kitschigen Filmen, die uns beide zum Weinen und deshalb dann doch umso mehr zum Lachen gebracht haben.
Gott, was für ein schönes Klischee wir doch sind. Diese Tage mit all diesen Geschichten über unsinnige Leidenschaften und verrückte Männer. Über gescheiterte Beziehungen und angeknackste Herzen. Über Menschen, die diesen Knacks wieder ein Stückchen ganz gemacht haben.
Da waren all diese Momente, in denen du mich festgehalten hast, wenn es mir nicht gut ging.
Da waren all diese Momente, in denen du mich festgehalten hast, wenn es mir nicht gut ging. In denen du mir zugehört hast, in denen du einfach da warst. Mit deiner liebevollen Art und diesem Lächeln, das so schnell so viel Wärme in mir drin verbreiten konnte. Da waren all diese Momente, in denen wir uns von unseren Träumen erzählt haben. Von unseren Hoffnungen. Und wenn eine von uns beiden ihre Hoffnung mal ganz kurz verlegt hatte, dann hat die andere umso mehr daran festgehalten.
Und während ich so dasitze und durch unsere gemeinsamen Erinnerungen blättere, frage ich mich, ob ich dir überhaupt richtig danke dafür gesagt habe. Denn genau das hast du verdient. Ein riesengroßes Danke, das von ganzem Herzen kommt. Für jede Umarmung, jedes Gefühl und jede Erinnerung. Für all diese unvergesslichen Jahre mit dir ganz nah an meiner Seite. Ein Danke dafür, dass du dieser absolut fabelhafte Mensch bist, der mein Leben so viel schöner macht.
So sehr ich dich vermisse – du hast alles Glück dieser Welt verdient!
Und wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann, dass dich dein Traum von ganzem Herzen glücklich macht. Rundum. Von vorne bis hinten. Denn so sehr ich es vermissen werde, dir dieses Jahr ein kleines Weihnachtsgeschenk vor deine Tür stellen zu können, so sehr ich es vermissen werde, einen ersten verkaterten Cappuccino mit dir im ganz frischen neuen Jahr trinken zu können, so sehr ich es vermissen werde, so unheimlich fest und herzlich von dir in die Arme genommen zu werden, so sehr ich dich vermisse – du hast alles Glück dieser Welt verdient!
Und jetzt sitze ich in Hamburg. Habe kalte Füße, weil draußen weniger als 5°C sind und ich nicht so richtig für Winter gemacht bin. Und dann schaue ich mir deine Bilder voller Schnee und gefrorener Scheiben an und will gar nicht wissen, wie niedrig dein Thermometer in der letzten Nacht wohl gesunken ist.
Ich schaue deine Bilder an und muss lächeln. Weil du – wenn du das hier liest – Tränen in den Augen haben wirst.
Ich schaue deine Bilder an und muss lächeln. Weil du – wenn du das hier liest – Tränen in den Augen haben wirst. Weil da dieser wunderbare Mensch sein wird, der dich in die Arme nimmt und festhält, wenn ich gerade zu weit weg bin. Und weil bestimmt auch du manchmal kalte Füße hast, dort oben in Finnland.
Aber ganz egal, wie kalt die Füße sind. Hauptsache ist doch, das Herz bleibt warm. Danke, dass du meines warm hältst. Immer. Selbst über Ländergrenzen hinweg.
Headerfoto: Rodolfo Sanches Carvalho via Unsplash. (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.