„Leuchtende Tage. Nicht weinen, dass sie vorüber, sondern lächeln, dass sie gewesen.“ – So ein Bullshit!

Ich will weinen. Mein Herz will weinen. Es will, dass der Schmerz gefühlt wird und es will meinen Körper in Mitleid erregenden Schluchzern durchschütteln. Mir verläuft der Eyeliner, Tränen hängen in großen Tropfen in meinen Wimpern und kullern mir die Wange herab. Sie fallen auf meinen grauen Kaschmir-Mantel und versickern dort, nicht ohne einen kleinen, nassen, unförmigen Punkt zu zeichnen.

Leuchtende Tage. Nicht weinen, dass sie vorüber, sondern lächeln, dass sie gewesen.

Konfuzius soll das angeblich gesagt haben und falls er das tatsächlich gesagt und auch noch ernst gemeint hat, hatte der alte, bestimmt hochintelligente Knacker in seinem Leben nie Liebeskummer.

Ich vergrabe mein Gesicht in diesen Tagen in so mancher Schulter derer, die mir nahestehen, und mir ist es egal, wenn mein Rotz oder mein Mascara an ihrem Hals herabläuft, während ich in Stößen vor mich hin heule. „Nicht weinen. Er ist es nicht wert. Es kommt ein anderer. Sei stark, hör‘ auf zu weinen!“

„Ich will aber weinen, weil … es mir danach besser geht. Und er ist es wohl wert, weil … weil er es eben wert ist. Und ich weiß selbst, dass ein anderer kommt, aber eigentlich … will ich keinen anderen!“ Meine Wangen sind ganz rot, ich nuschele vor mich hin und ziehe geräuschvoll die Nase hoch – man versteht wahrscheinlich gar nichts. Atmen, weinen und reden gleichzeitig ist ganz schön schwer.

Wenn ich nicht darüber nachdenke oder mich in das, was die Situation so macht, wie sie ist, hinein fühle, kann ich gut so tun, als sei nichts – oder zumindest nicht weniger blöd als sonst. Wenn ich die Gedanken und Gefühle aber dahin und zu Dir und dazu, dass ich Dich jetzt selbstgewählt nicht mehr sehe, wandern lasse, steigt der Wasserstand in meinen Augen unaufhaltsam an, ich beginne zu zittern und der ganze Mist geht von vorne los.

Ziemlich schnell verschwimmt meine Sicht, so als sei der Scheibenwischer eines Autos bei Starkregen ausgefallen und ich muss unterbrechen, was ich gerade tue. Meine Nasenflügel beben, während ich vergeblich versuche, mich zusammenzureißen und den Kloß und das Herzweh und die Erinnerung an Dich und mich mit Dir einfach herunterzuschlucken.

Schon wieder hat es nicht geklappt und ich frage michh, woher ich das Talent habe, etwas mit gegengeschlechtlichen Individuen anzufangen, die nicht die richtigen sind.

Schon wieder nicht. Schon wieder hat es nicht geklappt und schon wieder muss ich mich fragen, woher ich das Talent habe, etwas mit gegengeschlechtlichen Individuen anzufangen, die nicht die richtigen sind oder unter denen nicht „der eine Richtige“ für mich ist. Meine Liste an Jungs, Typen, Kerlen und in den wenigsten Fällen tatsächlich Männern liest sich wie der seit Jahren komplett minder erfolgreiche Versuch, den Deckel zum Topf zu finden – der sich bisher immer als nicht passend oder noch nicht mal als Deckel herausstellte.

Ungebremst bleiben mein Mut und meine Hoffnung, selbst in den Momenten, in denen ich mein Herz brechen oder zumindest knacksen spüre und mir die Luft aus den Lungen gequetscht wird. In denen meine Pläne, die ich mich mit dem ein oder anderen getraut habe zu machen, dahinsegeln. Sie landen geräuschlos auf einer dreckigen Pfütze und saufen dort ab oder lösen sich in triefende, unlesbare Klumpen auf.

Das Ganze wird dann meist noch vom Karma oder wem auch sonst immer in meinem Unterbewusstsein lautmalerisch begleitet von einem gehässig herein krakeelten: „Ätsch bätsch, schon wieder nicht, heheheheh!“ What the fuck!

Der, der mehr fühlt, der mehr liebt, verliert eigentlich immer.

Auch jetzt wieder. Ich sehe mich ein bisschen selbst wie ein Kind, das immer wieder mutig seine Hand auf die Herdplatte legt, in der Hoffnung, sie möge a) nicht heiß sein oder b) bei angenehm warm aufhören und sich nicht weiter erhitzen oder c) dass dem Kind selbst nach all den Brandblasen eine derartige Hornhaut wachse, dass der Grad der Verbrennung bei jedem Mal verschwindender relevant wird.

Ich will nicht lernen, ich will aus augenscheinlichen „Fehlern“ nicht die Erkenntnis ableiten, ich hätte etwas falsch gemacht. Und schon gar nicht will ich etwas anders machen. Ich weiß, dass ich damit verliere – meistens. Der, der mehr fühlt, der mehr liebt, verliert eigentlich immer.

Aber eines Tages, eines Tages werde ich mit meiner Haltung, mit meinem großen, naiven Wollen, mit meinem unvernünftigen Herzen vielleicht gewinnen – nicht gegen einen anderen, aber mit diesem anderen ein tolles großes Gefühl, ein gemeinsames Leben und eine Liebe, die ich so sehr zurückbekomme, wie ich sie gebe.

Mir fällt der Text Du kannst feige sein oder Du kannst lieben ein, den ich schon immer sehr mochte, den ich immer für uneingeschränkt zutreffend gehalten habe. Heute lese ich ihn das erste Mal differenzierter.

So lange ich mich an die letzten Jahre erinnere, wollte ich, wenn es gerade nicht der Fall war, verliebt sein.

So lange ich mich an die letzten Jahre erinnere, wollte ich, wenn es gerade nicht der Fall war, verliebt sein. Ich wollte mich wieder verlieben und neu und in jemand Interessanten mit allem, was dazu gehört. Verliebtheitswütig. Nicht um des Gefühls selbst willen, weil es sich anfühlte wie ein Drogenrausch ohne Drogen und in Bio und vegan, aber natürlich immer mit der Hoffnung verbunden, es sei das letzte Mal, dass ich mich verliebe.

Manchmal frage ich mich, ob es anderen Menschen auch so geht oder ob die meisten, die nicht verliebt sind, dieses große Gefühl vergessen zu haben scheinen. Ob es für sie vielleicht wirklich nicht wichtig oder erstrebenswert ist oder ob sie sich stattdessen im Bedürfnis danach, es zu erleben, beschneiden. Warum jeder sich gerade nicht festlegen kann oder möchte oder momentan zu viel um die Ohren hat.

Warum viele in einer Bindung eher eine Verpflichtung als eine Bereicherung sehen. Wann man im Leben endlich mal Zeit mit sich selbst verbringen sollte und muss und wo die haarfeine Grenze dazu verläuft, dass man sich mit sich selbst alleine eigentlich am wohlsten fühlt. Und ja, aus gemachter Erfahrung, warum alle immer und immer wieder nur weglaufen.

Auch ich bin schon weggelaufen – meistens, indem ich stur in irgendwas hineingelaufen bin. Immer mit der Rechtfertigung, das sei meine mutige Art zu fühlen.

Ich höre mich an, als wüsste ich es wirklich besser. Aber das tue ich nicht. Leider wusste auch ich es schon so oft selbst nicht besser. Leider bin auch ich schon ein Feigling gewesen. Auch ich bin schon weggelaufen – meistens, indem ich stur in irgendwas hineingelaufen bin. Immer mit der Rechtfertigung, das sei meine mutige Art zu fühlen. Vielleicht ist es leichter, sich immer wieder in etwas Neues hinein zu fühlen, zu wollen, zu retten, als sich endlich mal mit sich selbst zu beschäftigen. Auch ich fühle mich im Nachhinein beim Lesen dieser Zeilen also ertappt.

„Die Menschen reden immer von ihrer Freiheit und meinen dabei nur ihre Angst vor einer Liebe, die größer werden könnte als ihr eigener Egoismus.“

Headerfoto: Photo by Urmi (License: Creative Commons BY, Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

NINA wurde Anfang der 1990er in Mainz geboren, lebt mittlerweile in München und macht dort irgendwas mit Pharma. Dinge, die sie begeistern: Trockenbeerenauslese, Leute beobachten, sich schwarz anziehen, Möpse (Rasse Hund, nicht Brüste), Sachen, die man eigentlich nicht im Bett macht, im Bett machen. Dinge, die sie nicht mag: Dating habits der Generation Y, Nazis, Sexismus, Kapern & Gin Tonic (weder alleine noch in Kombi). Analysiert wird alles, was sie beschäftigt und worüber sie nachdenkt auf ihrem Blog.

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