Deine Schützengräben, die du dir vor Jahren gezogen hast, habe ich unbedacht übersprungen. Sie schützen dich nicht. Je tiefer du sie gräbst, umso mehr verlierst du. Gemäß meiner Natur habe ich den Kampf von Anfang an angenommen, gewappnet, mutig, voran. Du hast deine Grenzen abgesteckt, ich sie akzeptiert, trotzdem versucht, das Minenfeld zu betreten, in der Hoffnung, unbeschadet heraus zu kommen, dass dahinter ein steiniger, aber erschlossener Weg zu finden ist.
Gemäß deiner Natur hast du Distanz gehalten, nur wenige Momente gegeben, die dich und deine Gefühle zeigten. Momente, in denen ich es geschafft habe, ein Stück von dir zu okkupieren, ein wenig von mir zu hinterlassen. Jedoch hat sich genau in diesen Momenten jede Faser deines Körpers dagegen gewehrt, dem Eindringling den Kampf angesagt. Am Ende bin ich auf deinem Schlachtfeld gefallen, wehrlos getroffen.
Ich war mir nie sicher, konnte es nie ganz fassen, allein das hätte mir immer Warnung sein sollen. Dennoch habe ich all diese kleinen Zeichen, das, was zwischen den Zeilen passiert ist, auf einen Thron erhoben, als Beweis dafür genommen, dass die Chance besteht, dass du die weiße Fahne hisst, dich ergibst, hingibst. Mir, dir, deinen Gefühlen. Denn die gibt es. Die hast du mir gezeigt, gesagt, aufgemalt. Dein Herz hängt immer noch an meiner Pinnwand.
Wie kann ein Mensch, der so intelligent, einfühlsam, stark, wortgewandt und gesellig ist, sich nur so gegen Menschen wehren?
Wie kann ein Mensch, der so intelligent, einfühlsam, stark, wortgewandt und gesellig ist, sich nur so gegen Menschen wehren? Gefühle in eine Box legen, Deckel drauf, unters Bett gestellt. Wie kann man sich nur so verschließen? Wie kann man Dinge von sich weisen, die einem gut tun? Wie kann man sagen, dass man nicht kann, wenn ich schon gemerkt habe, dass du es versuchst.
Kleine Zeichen, manchmal kurze Momente, Berührungen, Gesten, ein rotes Herz auf einem Zettel nach einem Wochenende mit mir, ein lautes Seufzen, bei dem man merkt, wie viel Ballast gerade von dir abfällt, du für eine Sekunde loslässt, wenn ich deine Stirn küsse. „Schön, dass du da warst, danke, dass du da warst.“ Keine leeren Phrasen.
Abgewiesen zu werden, ist nichts Neues für mich. Männer, die sich nicht binden wollen, können, mit sich nicht zurecht kommen, kenne ich. Ich – nur die, die toll ist, mit der man mal Spaß hat, für eine Weile, nicht mehr. Schon viel zu oft erlebt. Diese Erfahrungen haben weh getan und eine Unsicherheit hinterlassen. Einen immer wieder aufkeimenden Zweifel an mir selbst, den ich nie haben wollte und will.
Die Frage, warum man mich nicht mögen kann, warum man für mich nicht mehr fühlen kann. All das habe ich immer als Erfahrung abgetan, abgeheftet, eine Wunde, die immer mal wieder etwas nässt, die ich aber immer wieder auch von mir weisen kann, weil ich weiß, dass ich unfassbar toll bin und es natürlich verdiene und auch bekommen werde.
Diese Erfahrung hinterlässt keinen Zweifel an mir selbst, schmerzt aber umso mehr.
Aber zu hören, dass der andere auch fühlt, ich diesem Menschen näher gekommen bin als sonst jemand im letzten Jahr, dass ich sehr gemocht werde, das macht es schwierig, das zu verstehen und auch zu akzeptieren. Diese Erfahrung hinterlässt keinen Zweifel an mir selbst, schmerzt aber umso mehr. Warum treffen sich zwei Menschen, empfinden füreinander und können doch nicht zusammen einen Weg einschlagen? Warum kannst du nicht aufwachen und sehen, dass du dich verletzt? Seit Jahren!
Warum kann man sich die Liebe, die man braucht – und ich habe sehr oft gemerkt, dass du es brauchst – nicht zugestehen? Warum bin ich so verletzt und habe dennoch die Hoffnung, dass du es einsiehst? Dich aus deinem Schützengraben erhebst, Ängste herunterschluckst und dich dem Feind stellst und erkennst, dass Platz in deinem Schneckenhaus ist. Genug, um nichts zu verlieren, dennoch etwas zu bekommen.
Ich kann dich nicht retten und es ist auch nicht meine Aufgabe, es zu tun!
Ich kann dich nicht retten und es ist auch nicht meine Aufgabe, es zu tun! Ich kann meine Zeit und Energie nicht darauf verwenden, es zu versuchen. Es wäre Zeitverschwendung, ich würde zu viel von mir geben, ohne nur ein Stück von dir zu bekommen. Ich kann nicht weiter warten, wenn ich doch weiß, dass du keinen Schritt nach vorne gehen willst, weil du nicht einsiehst, dass du dich rückwärts bewegst. Dich drehst, um dich selbst, dein Unvermögen.
Du glaubst, dass es so, wie es ist, in Ordnung ist. Ist ja schon seit Jahren so, du kommst zurecht, gut zurecht. Und vielleicht kommst du wirklich gut damit zurecht, hattest ja genug Zeit, dich in diesem Zimmerchen einzurichten. Vielleicht hat es dir ja auch noch nie wirklich weh getan, jemanden von dir zu weisen und damit zu verlieren.
Vielleicht bist du wirklich der Meinung, dass es ausreicht, immer mal wieder auf Menschen zu stoßen, diese Bekanntschaften mitzunehmen, solange sie nicht zu nahe kommen. Ist gerade nichts greifbar, wenn’s mal juckt, dann findet sich auch bald was Neues. Vielleicht geht es dir wirklich gut damit. Ich kann es nur nicht verstehen!
Vier Monate, viel zu wenige Treffen, Zweifel, Ängste, so viele unausgesprochene Berührungen, unerzählte Geschichten.
Warum fühlt es sich gerade an, als würde ich so viel verlieren, bevor ich es überhaupt erst hatte, die Möglichkeit hatte, mich zu zeigen? Vier Monate, viel zu wenige Treffen, Zweifel, Ängste, so viele unausgesprochene Berührungen, unerzählte Geschichten. Aber auch viele hungrige Poren, lüsternde Ideen, zögernde Finger, mutige Lippen, zwischen den Zeilen, dein Mund auf meiner Stirn, mein Atem an deiner Lippe, ein Bekenntnis, das ich nicht traue auszusprechen, du in deiner Welt verschlossen hältst. Es zeigt sich, wir sehen es, stillschweigend.
Ein Mann, ein Freigeist, Steppenwolf, voller Ideen, Leidenschaften. Eine Frau, ein Freigeist, Steppenwölfin, voller Ideen, Leidenschaften. Mein vernarbtes Herz offen auf der Hand, deins gemalt an meiner Pinnwand. Ich kann meins nicht wegnehmen, deins nicht abnehmen.
Headerfoto: Sarah Diniz Outeiro via Unsplash.com. (Gedankenspiel-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür!
Vielleicht dienten die Schützengräben nicht seinem Schutz … sondern eurem? Warum darf er nicht sein, wie er sein möchte? Warum hat ER ein Problem? Habt vielleicht IHR das Problem? Warum soll es RICHTIG sein, sich auf Menschen, auf Beziehungen einlassen zu müssen … und FALSCH es nicht zu tun? Wer macht diese Regeln?
Es ist egozentrisch zu glauben, ER würde sich schon fügen, sobald ER nur erkennen möge, wie wunderbar man selbst doch sei …
Liebe Juliane,
Deine Worte klingen so bekannt, was du erzählst hat soviel mit meiner eigenen Erfahrung mit einem Mann zu tun, welchen ich über fünf Monate kennengelernt habe. Von Anfang an war er ehrlich, wollte keine feste Beziehung, hatte aber meiner Wahrnehmung nach authentische Gefühle gezeigt. Wir sahen uns wöchentlich, unternahmen wunderschöne Entdeckungsreisen, es schien uns beiden gut zu tun. Von Anfang an fühlte ich jedoch nach unseren Treffen oft eine Leere, welche mir unerklärlich war. Waren wir zusammen vergassen wir Raum und Zeit, danach konnte er sich tagelang nicht melden. Wir kamen uns auch körperlich sehr nahe. Er sagte mir ich tue ihm gut, aber tat er mir gut? Ich wußte es nicht, da ich dieses ungute Bauchgefühl nie los wurde. Als ich ihn nach zwei Monaten ansprach, was ‚wir‘ in seinen Augen sind, sagte er ‚Freunde‘ und sein Herz gehöre immer noch seiner Exfreundin, welche ihm das Herz vor 2 Jahren gebrochen hatte. Er war noch immer nicht damit klar gekommen und hoffte sie eines Tages zurück zu bekommen. Unavailble! Sex, Berührung, Gesellschaft, gerne, kein Problem nur tiefe Liebe würde er nicht geben können. Das stach so schmerzhaft in meinen Unterleib, das ich am liebsten davongerannt wäre, aber wie gelähmt dasaß. Wie ist es einem Menschen nur möglich jemandem, den man doch offensichtlich sehr mag, so etwas ins Gesicht zu sagen?
Darauf reagierte ich wütend und wir hatten eine heftige stundenlange Diskussion. Drei Wochen Funkstille. Er schrieb mir eine mehrere Seiten lange E-Mail in der er mich bat unbedingt Freunde zu bleiben, auch wenn ich seine Art von offener Beziehung nich leben möchte. ‚Wir‘ und ‚ich‘ seien ihm trotz allem wichtig. Es war wie eine wissenschaftliche Abhandlung formuliert, sehr ehrlich und offen. Es ist mir aber bis heute ein Rätsel wie jemand so distanziert und gleichzeitig so nahe sein kann. Gleichzeitig weiß ich auch nicht wieso ich so lange doch immer gehofft hatte, das es noch etwas festeres und tieferes zwischen uns geben wird, obwohl eigentlich von Anfang an meine Intuition dagegen sprach.
Danke, das ea dich gibt und du diesen Artikel veröffentlicht hast! Dein Ronja
Beeindruckender Artikel, Juliane. Die verwendeten Metaphern zur Darstellung SEINER Perspektive hat mir (männlich) teilweise den Eindruck gegeben, als hätte ER bestimmte Passagen selbst geschrieben.
Der steinige Weg von dem du sprichst, war noch nicht erschlossen, weshalb du ihn leider auch nicht hättest finden können. Aus meiner Erfahrung muss dieser Weg zuerst von der Person selbst erschlossen werden (wollen). Das passiert nur genau dann, wenn der Schmerz ausgelöst durch das Beobachten von Menschen, welche wehrlos, voller Hingabe auf dem eigenen Minenfeld fallen größer wird, als die Sicherheit ausgelöst durch das bloße Akzeptieren des eigenen unbewussten, als Selbstschutz fungierenden, emotionalen Musters.
Egal wie lange man sich schon sein „Zimmerchen“ eingerichtet hat. Egal wie „gut“, wie zweckmäßig und wie sicher sich dieses Muster anfühlt. Egal wie schön einfach es ist, seine Schützengräben weiter zu graben. Es ist eine Traumwelt basierend auf einer Verschleierung der innersten Wünsche. Ein Aufwachen KÖNNEN aus diesem unbewussten Widerstand gegen jegliche Facetten von Liebe und Bindung, die man(n) tatsächlich braucht, ist erst dann möglich, wenn der Mut und das Bewusstsein ausgeprägt genug sind, um vor sich selbst nicht mehr wegzurennen. Wenn man bereit ist, sich seinen tiefsten, innersten Ängsten zu stellen. Wenn man bereit ist, sich wohl seiner größten Schwäche zu offenbaren. Wenn man selbst bereit ist, auf dem eigenen Minenfeld zu fallen, um danach stärker und erfüllter wieder aufzustehen. Wenn nicht, wird man ewig seine Schützengräben ziehen und, auch wenn man WILL, sich nie auf eine andere Person einlassen KÖNNEN.
Danke!