Als Sexbloggerin hat man ja wohl mal vor allem eins: sehr, sehr viel sehr wilden versauten Sex. Stimmt’s? Die „eigenwillige junge Frau mit dem wogenden Dekolleté“ wie mich das inforadio gerade ganz reizend beschrieb (endlich sind die GEZ-Gebühren mal sinnvoll in einer neuen Tinder-Tagline angelegt!) tends to disagree.
Wie ich letzte Woche schon beim, ahem, meistnachgehörten Talk der Republica (eat this, Lobo und Snowden!) erzählte: Auch als Sexbloggerin denkt man nicht 24 Stunden am Tag an Sex oder hat permanent selber welchen. Mir tut das auch immer voll leid, die Menschen in ihren verqueren Vorstellungen zu enttäuschen, wenn sie dann feststellen, dass ich in echt weder besonders klein und niedlich bin, noch wahnsinnig ambitioniert, permanent meine Reize auszuspielen, sondern minimalismus- und pragmatismusbedingt die meiste Zeit eher rumlaufe wie ein Penner, wenn auch ein Penner mit guten Turnschuhen, because Priorities.
Wie dem auch sei, ich bin zum Glück seit ein paar Jahren selbst über die Illusion hinweg, man müsste die ganze Zeit wilden Sex haben, um auch wirklich gut (und wild!) über Sex schreiben zu können. Ja, früher bin ich „for the story“ auch hier und da weiter gegangen als eigentlich gut war und habe mich im Nachhinein dann auch mal schaudernd gewunden. Vielleicht ist es ja dieses „Erwachsenwerden“, von dem man immer viel aus den Medien hört, aber ich achte da inzwischen etwas mehr auf meine geistige Gesundheit und würde inzwischen sogar so weit gehen zu sagen:
Ein guter Sexblogger wird man nicht, indem man zu wirklich allem Ja sagt. Ein guter Sexblogger sagt vor allem auch mal Nein.
Neinsagen ist eine Königsdisziplin, in der ich langsam aber sicher Meister werde. Ist bestimmt auch dieses „Alter“. Und so kommt es, dass ich gerade Käsekuchen esse, anstatt fremden Menschen an die Geschlechtsteile zu fassen und das auch noch verdammt gut so finde.
In Wirklichkeit sollte ich gerade in einem neuntägigen Tantrakurs sitzen und dann für eine Frauenzeitschrift eine Reportage drüber schreiben. All in, weil ich anders nicht recherchiere, also inklusive Penisse und so. Ja, so was birgt selbstredend ein gewisses Merkwürdigkeitskeitspotenzial, auch für mich. Aber einfach mal hingehen und schauen, was passiert, hat noch niemandem geschadet. Manchmal passiert dann nämlich etwas Wunderschönes.
Und manchmal eben auch nicht. Manchmal wird man an der Supermarktkasse herzlicher und achtsamer in Empfang genommen als in einem Retreat, das regulär über 1000 Euro kostet. Manchmal gibt es genau einen Menschen von neun Männern und drei Frauen, der einen mal zurück grüßt und fragt, ob man auch eine Schale Hagebuttentee möchte. Und einem nach nicht allzu langem Zögern auch noch ein Sitzkissen anbietet und einem kurz zumindest ein kleines bisschen von dem Gefühl nimmt, zu spät zu einer Reise nach Jerusalem gekommen zu sein, für die man sich in diesem Fall spontan sowieso mindestens zwanzig Jahre zu jung fühlt. „No fucking way. Gib mir drei Stunden, dann bin ich wieder daheim“, schreibe ich meiner Perle Kris, bevor ich aus, ahem, Achtsamkeitsgründen mein Handy ausschalten muss.
Manchmal gesteht man sich dann vielleicht auch einfach ein, dass man Menschen, von denen man sich wahrscheinlich auch in der U-Bahn eher wegsetzen würde, auch im Sinne des Selbstfindungsprozesses nicht zwingend näher kommen muss als unbedingt nötig – auch wenn man dafür vom Kursleiter zum Abschied so eine Art „mit der Einstellung brauchst du dich dann halt auch nicht wundern, wenn’s nichts wird“ entgegengerotzt bekommt.
Hey ja, maybe – aber wenn der Pfad zur Erleuchtung daran vorbei führt, dass ich dafür jemandem in den Schritt fassen muss, der nach Zwiebelmett riecht, bleibe ich gerne weiterhin dumm und unwissend.
Und in so einem Moment fühle ich mich vor allem auch meiner Frauenzeitschriftenleserin gegenüber in der Verantwortung. In meinem Kopf sieht sie ein bisschen aus wie die Perle auf dem Headerfoto da oben – jung, mutig, hübsch, verletzlich, vielleicht ein weniger roztig. Ich schätze, sie hat längst nicht so viel Retreat-Erfahrung und Vergleichswerte wie ich. Ihr fällt es möglicherweise schwerer als mir, einzuordnen, was einen weiterbringen und was einen einfach nur nachhaltig verstören wird. „Scheiß auf die tausend Euro und renn weg, Mädchen!“, möchte ich ihr ins Ohr flüstern. „Du musst echt nichts machen, worauf du eigentlich keine Lust hast! Deine Komfortzone ist ein wunderschöner Ort und wann du ihn wofür verlässt, bestimmst immer noch du ganz alleine.“
Die Erleuchtung kommt sowieso nicht auf Kommando, vielleicht findest du sie stattdessen um fünf Uhr morgens beim Tanzen – also fuck this shit und lass dir von niemandem einreden, was du zu tun hast! Never. Ever. Ever.
Ich habe Übung im Neinsagen, deswegen lächle und nicke ich artig, verabschiede mich so achtsam ich kann und bekomme höflicherweise erst in der U-Bahn einen drei Stationen lang anhaltenden Lachanfall. „Entkommen!!!!!“, tippe ich Kris. „Gin ist ja noch da, oder? Ich bring Tonic mit, willst du sonst noch was von dort draußen?“
Sie schreibt gleichzeitig: „Gehst du noch zum Späti? Glaube, wir brauchen dringend nen Drink.“
Gin Tonic fürs Herzchakra – denn nur wer Übung im Neinsagen hat, erkennt auch, wann der Augenblick gekommen ist, aus tiefster Seele Ja zu sagen.
Headerfoto: Roco Perna via Creative-Commons-Lizenz 2.0! (Sexy-Times-Button hinzugefügt.) Danke dafür.
Inhaltlich ja in Ordnung, aber vom „lesegefühl“ her nicht so toll. Das liegt vor allem an der Fülle von anglizismusbehafteten Phrasen. Bisschen schade.