„Ohne Blaulicht, aber immer schnell.“
Anna ist einer der herzlichsten Menschen, der mir je die Tür geöffnet hat. Mit einem Aperol Spritz in der Hand, der farblich hervorragend zur Wandfarbe der Küche passte, und einem unverwechselbaren Sinn für Humor und Leichtigkeit hat sie sich durch die Geschichten ihres Lebens erzählt, und diese Mischung ist es vor allem, was von dem Nachmittag hängen geblieben ist.
Geboren und aufgewachsen ist Anna mitten in München, genauer gesagt Neuhausen, wo sie derzeit auch wohnt. Das Reisefieber wurde ihr allerdings bereits in die Wiege gelegt: Sie war schon als Kind die vielleicht coolste Backpackerin überhaupt, da ist sie nämlich mit ihren Eltern drei Monate durch die Karibik gereist. Zuhause hat sie vor allem im Hof gespielt und bezeichnet ihre Kindheit rückblickend als wunderschön.
Nach der Grundschule ging es aufs Gymnasium, bevor sie ihr Abitur in der Tasche hatte, musste sie die siebte Klasse wiederholen („wegen Latein, aber da habe ich wirklich das Spicken gelernt“) und hat die elfte in Nova Scotia in Kanada verbracht, was eine ziemliche Umstellung war, kam sie doch von der Stadt in ein klitzekleines Kaff in einem Bundesstaat, der insgesamt so viele Einwohner wie München selbst hat.
In diesem Auslandsjahr ist sie achtzehn geworden und während sie ihre Jugend zuhause vor allem im trubeligen Hostel The Tent verbracht hat, das ihre Mutter leitet und wo sie Tage im Garten und Nächte am Lagerfeuer mit Travellern aus der ganzen Welt verbracht hatte, ging es in Kanada zwar naturverbunden weiter, einsam war es trotzdem manchmal. Zumindest wusste Anna danach, dass sie im kanadischen Winter nicht nur imstande war, eine Nacht im Auto zu verbringen, sondern auch zu überleben!
Direkt nach dem Abi ging es aufgrund des Fernwehs, das vor allem durch die Zeit im Tent immer wieder aufflammte, nach Peru, wo sie mit weltwärts ein FSJ absolvierte. Kurz vor Abflug ist sie, wie das immer so ist mit dem Timing des Lebens, mit ihrem Freund zusammengekommen und weil der drei Monate später Urlaub in New York gemacht hatte, und Anna mit Liebeskummer in Peru saß, ist sie gleich mal zu ihm geflogen.
Auf die sieben Monate in Peru schaut Anna mit gemischten Gefühlen zurück, sie fühlte sich nicht genügend qualifiziert für die Arbeit mit behinderten Menschen und hatte auch oftmals Bedenken, durch ihr FSJ den Peruanern einen potenziellen Arbeitsplatz wegzunehmen. Gleichzeitig überlegte sie, welcher Beruf es nun werden sollte, und weil ein Medizinstudium sie interessierte, der NC allerdings hoch war, fiel ihr ein Beruf ins Auge, um die Wartezeit zum Studium zu überbrücken: Hebamme.
Als sie das las, erinnerte sie sich daran zurück, dass sie bereits in ihrer Kindheit den Beruf hatte lernen wollen, weil die Mutter einer Freundin Hebamme war. Somit wurde das Medizinstudium abgehakt und als sie trotz eintausend Bewerbungen auf zwanzig Plätze an der Hebammenschule in München genommen wurde, hat sich alles gefügt. Sie war einem Gefühl gefolgt, sagt sie heute, sie liebe Geschichten, die das Leben schreibt, und näher am Leben dran sein gehe kaum. Recht hat sie.
Anna ist übrigens selbstständig und arbeitet nicht in einer Klinik, sondern in einem Geburtshaus. Letztes Jahr hat sie 27 Geburten begleitet, darunter auch Hausgeburten. Sie erzählt von einer Geburt, die sie übers Telefon machen musste, weil das Baby so schnell kam und dass sie, wenn die Wehen bei einer Patientin einsetzen, auch mal gerne mit 120 über den Mittleren Ring rast, hui!
Neben diesem spannenden Beruf liest Anna sehr viel, vor allem Krimis von Mankell, ihr Lieblingsbuch ist jedoch Das schönste Wort der Welt von Margaret Mazzantini, ein Stapel Lonely Planets liegt ebenfalls auf dem Schreibtisch – die nächste Reise geht nach Indonesien. Sie mag die Musik von AnnenMayKantereit, Alt-J, Asaf Avidan, gerne auch mal Janis Joplin und Tracy Chapman, ihre persönliche Neuentdeckung: Kaleo aus Island.
In München ist Anna übrigens dort anzutreffen, wo es einen guten Aperol Spritz gibt, vor allem ist ihr Tanzen wichtig, zum Beispiel bei Wannda; im Import Export trifft man sie auch. Anna mag kein Parfüm und künstliche Gerüche, genauso wenig wie Lakritz, unauthentische Menschen und hohe Schuhe. Ihr Herz erobert man mit guten Gesprächen, einer Liebe zu Pflanzen und Gärtnern und, für alle Männer: Ganz wichtig ist ihr Loyalität. Und Familie. Kinder sowieso.
Das Gefühl, in einer Beziehung Freiheit und gleichzeitig Intimität zu leben, jemanden an der Seite zu haben, mit dem sie alles teilen kann, ohne jede Minute teilen zu müssen. Das sind Annas eigene Schlussworte. Ich beende hier ebenfalls, und zwar mit einem herzerfüllten Seufzen.
Kontakt
Anna ist inzwischen in einer Beziehung. Aber keine Sorge, andere Singles aus München findest du hier.