Liebe ist nicht nur eine Emotion, sie ist auch eine Fähigkeit!

Wieder sitzen wir auf meinem Bett, dabei, die immer wiederkehrenden Fragen: Was ist Liebe? Warum lieben wir? Können wir noch lieben? Und: Warum gehen so viele Partnerschaften auseinander?

Eins vorweg: Ich bin keine Liebesexpertin, aber ich bin positiv gestimmt und glaube!

Während meiner Beschäftigung mit der Liebe habe ich von dem Psychotherapeuten Volker Rudolph gelesen, dass die Liebe nicht nur eine Emotion ist, die über uns kommt, sondern entstehen kann, wenn ich mich willentlich dafür entscheide. Das ist schon einmal ein Anfang für alle Zweifler und Mutlosen. Und davon habe ich einige in meinem Umfeld. Eine gescheiterte langjährige Beziehung, das Alter, die Erwartungen, Ansprüche; Umstände, die das Lieben so schwer machen. Egal wie lange ich denjenigen zuhöre, am Ende komme ich immer wieder auf denselben Schluss: Alles beginnt mit der Liebe zu sich selbst! Davon habe ich aber schon geschrieben, also zurück zur Liebe und unserem Bild darüber.

Habe ich geliebt? Ja. Liebe ich? Ja. Und das ohne Partnerschaft! Denn der erste Denkfehler liegt meiner Meinung genau da: Liebe ist mit einer Partnerschaft verbunden. Im Gegenteil, Liebe finde ich in der Familie, in Freundschaften, in meiner Mutter-Kind-Beziehung. Und diese Beziehungen zeigen mir, wie sich Liebe anfühlt und welche Erwartungen ich an sie knüpfe. Und unsere Erwartungen sind es, die es uns nicht leicht machen zu lieben, uns, andere, zu hoffen, zu bestehen, zu bleiben.

 

Du bist du, ich bin ich

Auf dem Weg zu mir selbst brauche ich nicht nur meine eigene Reflexion, sondern auch den Blick der Anderen. Wie gehe ich wirklich mit anderen Menschen um und warum? Ein wichtiges Spiegelbild, durch das ich Macken, Schrulligkeiten, aber auch Schönheiten entdecken kann. Wichtig dabei ist für mich, dass ich durch diese Reflexion an kleinen Unzulänglichkeiten arbeiten kann, neuen Mut und Motivation gewinne, das Gefühl habe, richtig zu sein, auch mit meinen vermeintlichen Defiziten. Das ist das, was ich erwarte: Nimm mich, wie ich bin, ich lasse dich, wie du bist!

Das ist nicht immer einfach, gibt es doch oftmals Charakterzüge, die mehr als nur Augenrollen verursachen. Der Mensch, der mich berührt, wird allerdings durch eine Schwäche nicht hässlicher, unbedeutender. Was ich auch gelernt habe, ist, dass man sich mehr darauf konzentrieren sollte, den anderen so anzunehmen und zu lassen, wie er eben ist, als zu erwarten, dass man selbst so angenommen und verstanden wird. Und das ist nicht sehr einfach. Wenn ich gebe, dann will ich auch zurückbekommen! Genau das ist eine Erwartung, die uns wahrscheinlich immer unglücklich machen wird. Immer und immer wieder.

Kein Familienmitglied, kein Freund und kein Partner kann uns genau das zurückgeben, was wir geben oder geben wollen. Weil sie nun mal nicht wir sind, sie denken anders, haben ebenso andere Erwartungen, reflektieren nicht so wie wir, hinterfragen vielleicht auch nicht alles so wie wir, sind anders erzogen worden, können Dinge nicht so ausdrücken wie wir. Sie sind eben anders. Da zu bleiben, zu vergeben, einen Weg zu finden, anzuerkennen. Das Problem mit den Erwartungen ist, dass diese im eigenen Kopf entstehen und auch oftmals dort bleiben. Mein Gegenüber hat gar keine Ahnung davon und kann somit fast nur daran scheitern. Trennen wir uns also zu oft lieber von einem Partner oder Freund, weil er unsere Erwartungen nicht erfüllt, als von unserem Ideal der Liebe?

 

Das Ideal der ewig währenden Beziehung

Die große, die eine, die richtige Liebe hält für immer! Ich denke nicht, dass das so ist. Es ist definitiv möglich. Aber eine kurze Beziehung heißt nicht automatisch, dass sie nicht richtig war. Alles hat seine Zeit, seine Bestimmung und eine „kurze“ Beziehung kann genauso erfüllend sein, wie eine „lange“. Ein Mann, der mich zwei Jahre begleitet hat, kann mir vielleicht auch mehr mit auf den Weg gegeben haben, als jemand, der 20 Jahre neben mir her lief. Wichtig ist, was er mir in diesem Moment gegeben hat, wie er mich in dieser Zeit berührt hat. Vielleicht sollte er mich genau in diesem Moment, in dieser Zeit berühren, aber eben nur für diese Zeit. Weil er nicht der Mensch war, der mich für den Rest meines Lebens bewegen sollte. Ich ihn nicht weiter bewegen sollte.

Das Ideal der ewig währenden Liebe ist also auch nur eine Erwartung, die wir einem Mann oder eben Freund aufstülpen, die er aber nicht erfüllen kann. Erst recht nicht gleich von Anfang an, denn wer weiß das schon? Ich denke also, es ist besser, nicht nach diesem Ideal zu streben, denn es ist viel zu groß gedacht und kann ja fast nur hoffnungslos machen. Und wieder die Frage: Trennen sich deswegen gerade so viele, weil sie zu schnell aufgeben, zu viel wollen, zu groß denken, die Suche fortsetzen, erstrebt, das Bessere, Längere, Richtigere zu finden? Übersehen wir das Gute, nur weil es nicht das auslöst, was wir erwarten, nicht flasht, nicht lange genug flasht?

 

Crash, Boom, Bang

Liebe soll erschüttern und umhauen, mit ganz viel Leidenschaft. Der Eine, der Unsere, ganz allein, konzentriert auf mich, bedingungslos. Der Schoß, in den ich mich legen kann, der mich hält, niemals verletzt, auffängt. Das ist es oft, was Menschen von der Liebe erwarten. Ein Feuerwerk der Gefühle, Hurrikan und Tsunami in einem. Wow, hier ist sie, die Liebe, der Mensch, der dies gerade auslöst ist es, yeah! Wie oft habe ich genau dies empfunden? „Dieses Kribbeln im Bauch, das man nie mehr vergisst …“ geht doch manchmal schneller vorbei, als man am Anfang denkt. War das dann nicht die Liebe, der Richtige? Möglich.

Aber vielleicht sind es nicht die markerschütternden Gefühle, die wir spüren, wenn wir den „Richtigen“ treffen. Vielleicht sind diese Schmetterlinge im Bauch auch kein Gefühl, das man dauerhaft bewahren kann. Will man das eigentlich? Wenn ich liebe, weicht dieses Kribbeln nicht einem Gefühl der Vertrautheit, der Nähe, in der nichts mehr kribbeln muss, nichts unbekannt, unvorhersehbar und ungewiss ist? Denn sind wir mal ehrlich, diese Aufgeregtheit beim ersten Date, den ersten Treffen, den Annäherungen, Gefühle der Unsicherheit – für mich eher lästig, als wunderbar erfüllend.

 

Der Liebesanker

Verliebt sein ist keine Liebe! Ich bin nicht du. Wir ist eine verklärte Wunschvorstellung, Du mit dir und mir, ich mit mir und dir, ein Weg, den man gehen sollte, stolpernd, fliegend, beherzt, steinig. Und genau das Stolpern ist es, das wir annehmen sollten. Jetzt, wo alles sich schnell und fortwährend ändert, wünschen wir uns Beständigkeit, ankommen, bleiben. Und das suchen wir im Partner, der Liebe. Die Liebe als Anker, der, der alles hält, auffängt, da wo alles gut ist. Wenn ich weiß, dass etwas anhält, dann geht es mir gut, dann bin ich sicher, dann habe ich keine Angst. Das ist aber nur eine Illusion und derer müssen wir uns bewusst werden. Ich denke, je weniger wir nach dem Welt-aus-den Angeln-hebenden Gefühl streben, umso weniger schauen wir nach außen, suchen nach Fehlern, Möglichkeiten, die eintreten könnten, Verbesserungen, Neuerungen, dem Großen und noch Größeren.

 

Mehr Verstand als Herz

Wie oft habt ihr schon etwas entschieden, weil euer Kopf lauter war, als euer Herz? Ich denke, das kennt jeder. Ich auch. Unser Verstand reagiert, weil er in der Vergangenheit lebt, daraus schöpft er seine Erfahrungen, schützt uns, bremst uns aber genauso oft auch aus. Das Herz entscheidet aus dem Hier und Jetzt. Es nimmt das, was gerade da ist, fühlt, spürt, nimmt an, ohne Wertung. Der Kopf schmeißt die Wertung hinterher. Das kann oftmals hilfreich sein, aber ich glaube, wir sind mittlerweile zu verkopft. Lassen Momente, Möglichkeiten verstreichen, weil wir zu viel denken, zu lange überlegen. Weil der Verstand all die negativen Erfahrungen binnen Sekunden nach oben wühlt, uns unter die Nase reibt und lähmt.

Die Momente, in denen man spontan gehandelt, Freude damit empfunden hat, geatmet, gefühlt, erlebt hat, bleiben dabei oft vom Verstand unerwähnt. Das Herz kennt diese, bleibt aber ungehört. Wiedermal stehen wir uns im Wege, zwiegespalten. So verbleiben wir in Unverbindlichkeiten, trauen uns nicht in Verbindlichkeit, riskieren lieber nichts, fliehen vor möglichen Enttäuschungen und enttäuschen uns letztendlich trotzdem selbst. Mutlos, den Verstand auf voller Lautstärke, das Herz im off.

 

Und nun?

Ich plädiere auf Freiheit des Herzens, Unkompliziertheit, Offenheit, mehr Erwartungsfreiheit, mehr Mutausbrüche, mehr Glauben, mehr Hoffnung, weniger Angst, weniger Hoffnungslosigkeit, mehr Zu-mir-selbst, mehr Hallo, weniger Aufnimmerwiedersehen, mehr Liebe, mehr Freude, mehr Leidenschaft, mehr yeah, mehr Leichtigkeit, mehr Leben!

Headerfoto: Ed Gregory via Stokpic.com! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür.

JULE ist ein Katzentyp und liebt das Meer. Die Twentysomething hat sie schon überschritten, was die Welt aber nicht davon abhält, sie mit pubertierenden, verängstigten und feigen Typen zu beschäftigen. Aber jeder Mensch tritt nicht ohne Grund in dein Leben, denkt sie, also nimmt sie auch die mit Humor. Nur mit Geduld hat sie es nicht so. Ansonsten schreibt und zeichnet sie, dann aber lieber Frauen. Mehr von ihr gibt´s auf ihrer Webseite, außerdem illustriert sie hier.

3 Comments

  • Schöner Artikel. So sehe ich das auch – Liebe ist eine Entscheidung, eine Willenserklärung und eine Fähigkeit. Und sie leidet, wenn man sie überfrachtet mit Erwartungen. Was nicht fehlen darf sind Offenheit und Ehrlichkeit. Und Respekt auf Augenhöhe. Dies allerdings scheint oft ein schieres Ding der Unmöglichkeit. Eine Erfahrung (nicht die erste und hoffentlich nicht die letzte in diesen Dingen) : https://beatekalmbach.home.blog/2019/12/15/ladies-first/

  • Toller Artikel, ich habe mich dort wiedergefunden. Ich habe mit meiner erfahrung gelernt, das es nicht immer Erwartungen sind. Ich tausche das Wort „Erwartungen“ gegen „Wertevorstellungen“ aus… Wetevorstellungen bedeutet für mich, eine Idee oder einen sinn von mir selbst zu erkennen und zu leben. Wenn ich bereit bin zu Lieben, wenn ich mich dafür entscheide mich einzulassen auf meinen Gegegenüber, liegt es vielleicht auch daran, das bestimmte Emotionen bei mir geweckt werden und Bedürfnisse welche erfüllt werden. Das Bedürfniss nach Respekt voreinander oder Das Bedürfniss nach Klarheit miteinander.
    Zurück zu den Wertevorstellungen. Mit der Zeit stelle ich während meiner Beziehung fest, das mein Partner/in , geizig ist oder egoistisch ist oder versucht mich zu verändern oder andere Formen von Werten liebt, welche mit meinen Werten nicht konform gehen… dann liebe ich den Menschen dennoch, und ich lasse ihn wie er ist. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit und die Nähe miteinander bleiben…auch wenn unsere Werte auseinander laufen… Zurück bleibt ein Gefühl von Sehnsucht wenn ich mich auf Grund der unterschiedlichen Werte trennen würde… Ich nenne es „Unglücklich verliebt“. Liebe heilt auch einen Teil unseres kindlichen Schmerzes. Hier beginnt für mich die Arbeit mit sich selbst. An dieser Stelle lerne ich mich selbst zu lieben, mich so zu respektieren wie ich bin. Ich entwickel einen Sinn von mir selbst und lebe dieses Leben. Das bedeutet nicht, das ich für den Rest meines Lebens, nur meine eigenen Idde von mir selbst entwickel, es bedeutet, das ich mich entscheiden kann, andere daran teilhaben zulassen und andere lassen mich an ihrem Weg teilhaben. Dies setzt die Werte Vertrauen und Klarheit voraus.
    In diesem Sinne, danke für den schönen Impuls hier diese Zeilen zu schreiben…
    love & peace

  • Durch einen Like für diesen Artikel einer ehemaligen Arbeitskollegin bei Facebook wurde ich neugierig. Dieser Artikel ist wirklich großartig vom ersten bis zum letzten Satz. Allerdings gehöre ich nicht zu eurer ‚Zielgruppe’… Ich bin seit über 12 Jahren glücklich verheiratet und eigentlich leben meine Frau und ich genau so unser Leben wie es hier beschrieben ist. Hätten wir immer auf unseren Verstand gehört, nur weil der gerade laut brüllt, wären wir nicht in diesem Hier und Jetzt. Man kann nicht jahrelang im Gleichschritt voranlaufen, denn dann läuft man nur nebeneinander her und merkt nicht das der Abstand langsam aber stetig immer größer wird. Mal läuft sie vor, mal ich. Wir zählen aber nicht und rechnen nicht auf, wer was wie oft gemacht hat. Und das funktioniert prima!

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