Jetzt muss ich warten, bis du mir wieder egal bist. Bis ich nicht mehr alles in der digitalen Welt nach dir absuche, um zu sehen, was du gerade machst. Wo du es machst. Mit wem du es machst. Auf der Suche nach dir. Auf der Suche nach irgendeinem Hinweis, dass du an mich denkst. So sehr, wie ich es tue. Dass du genauso in den Bildern und Sequenzen dieser Nacht hängen geblieben bist wie ich.
Einzelne Sätze, Blicke, Gesten. Dein Lachen, dein ruheloser Körper neben mir in dieser Bar. Du redest und redest, rauchst und rauchst. Du bist viel. So viel. Irgendwie zu viel. Genau die Überdosis, die mir jetzt zum Verhängnis wird. Jedenfalls für die nächsten Stunden. Wenn ich Pech habe für die nächsten Tage.
Unverbindlicher Sex ist normalerweise nichts, das mich noch lange gefühlsmäßig umtreibt oder gar verwirrt. Ich sitze die Bindungshormone, die nach dem Sex ausgeschüttet werden und machen sollen, dass ich Kinder mit diesem Mann zeugen möchte, einfach aus. Dieses klitzekleine Bisschen Verknalltsein ist ja in gewisser Hinsicht auch Sinn der Sache und so genieße ich es, so kurz es eben dauert.
Darin bin ich mittlerweile Meisterin. Die Oberhand zu behalten. Den Abend so zu lenken, wie ich es will.
Für mich ist es mittlerweile ganz normal, einen Mann in meiner Stammdatekneipe in Hamburg zu treffen. Erste Halbblinddates habe ich immer erst mal in einer Kneipe. Auch, weil es mir sicherer erscheint, aber vor allem, weil ich erste Dates liebe und zelebrieren will. Diese süße Aufregung, die ich den Männern nicht zeige, sondern hinter meiner souverän starken, aber nicht unnahbaren Fassade verstecke. Darin bin ich mittlerweile Meisterin. Die Oberhand zu behalten. Den Abend so zu lenken, wie ich es will.
Es amüsiert mich, wie das Spiel des Abends seinen Lauf nimmt. Wir rauchen, wir trinken, wir reden, wir gucken, wir küssen, wir gehen zu dir oder ins Hotel. Manchmal schlage ich einen anderen Ort vor. Wir küssen, wir ziehen uns aus, wir lecken, wir ficken, wir kommen, wir lachen, wir reden, wir schlafen. So läuft das. Und es läuft gut. Unkompliziert und mit diesem kleinen Kick, der die Sache so spannend macht. Und am nächsten Tag bin ich wieder in meiner eigentlichen Welt. Und freue mich auf das nächste Mal.
EIGENWERBUNGAber manchmal. Manchmal begegne ich Männern wie dir. Männern, die mein System aushebeln und mich überraschen, mich überrumpeln, mich überfordern. Anders sind oder anders handeln als vermutet. Die mich wie aus dem Nichts an sich ziehen und leidenschaftlich küssen. Einfach weil sie wollen. Sie lenken. Für dich war es das Selbstverständlichste der Welt, mich und alles an diesem Abend zu lenken. Und du lenkst in eine ganz besondere Richtung. Du baust Intimität auf. Und das ist genau mein Schwachpunkt.
Ich ficke gerne den ganzen Menschen. Nicht nur den Körper.
Ich ficke gerne den ganzen Menschen. Nicht nur den Körper. Ich muss ihn auf Anhieb mögen, mich mit ihm wohl fühlen. Ihn als Ganzes heiß finden. Mich auf sicheres Terrain begeben können, weil ich einen Vertrauensvorschuss gebe. Nur dann ist der Sex für mich wirklich gut. Weil ich mich fallen lassen kann. Weil ich mich darauf einlassen kann zu hören, zu spüren, was mein Gegenüber anmacht, und ihm dasselbe zeigen. Ganz unverblümt. Laut sein, versaut sein.
Wenn Intimität dazu kommt, verändert sich alles. Die Gespräche, die Gesten, das Lachen, die Küsse, der Sex. Alles wird nah. Pseudonah, aber nah. Und das ist, was in diesem Moment wichtig ist. Nur diese eine Person rückt für ein paar Stunden in meinen Fokus. Als würde es nur uns geben.
„Wir kennen uns schon“, sagst du zu mir, als wir uns tief in die Augen gucken und glauben, uns schon in einem anderen Leben begegnet zu sein. Und ja, es mag das cheesigste auf der Welt sein, so etwas zu sagen. Aber erst morgen. Heute, hier und jetzt ist es wahr.
Für diese eine Nacht lieben wir uns. Eng umschlungen, verletzlich, zart und wild. Versunken in unsere gemeinsame Welt.
Und so wird auch der Sex zum einzigen Rausch. Zum Liebesrausch. Denn für diese eine Nacht lieben wir uns. Eng umschlungen, verletzlich, zart und wild. Versunken in unsere gemeinsame Welt, in der wir uns erkennen, während du langsam in mich eindringst. Jede Bewegung eine Offenbarung. Jeder Orgasmus eine weitere Verschmelzung. Und gleichzeitig ist jeder Kuss ein kleiner, schmerzhafter Abschied. Weil jeder Moment schon wieder vorbei ist, sobald er gekommen ist.
Und jetzt? Jetzt muss ich warten. Warten, bis es nachlässt. Dieser mentale Kater der Sehnsucht nach dieser Nacht. Ich will den Rausch. Genau diesen Rausch noch mal. Und nur mit dir.
Morgen wird mir langsam klar werden, dass du nicht nur Sympathie, sondern eben genau diese konstruierte Nähe brauchst, um guten Sex haben, dich fallen lassen zu können. Nicht mehr und nicht weniger.
Aber eben erst morgen. Heute möchte ich noch nicht loslassen. Dich noch nicht loslassen. Alles weiter für wahr halten. Dich und mich. Und diese Nacht.
Headerfoto: Beryl Chan via Creative Commons Lizenz 2.0! („Sexy Times“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
Als würde es bei dieser Story, bei dieser so treffend formulierten Situation, dieses sinnlichen Erlebnisses um den TITEL gehen – ob ONS oder Affäre spielt keine Rolle.
Bin ich der einzige, der den Titel für unzutreffend hält? Müsste es nicht lauten: „Wenn der ONS zu intim wird?“ Von einer Affäre wird doch gar nicht erzählt?