Juist ist eine ganz tolle Insel und zu jeder Jahreszeit eine hervorragende Entschleunigungs-Option. Ich war schon oft dort – im Sommer, im Herbst, im Frühling, mit Freunden, für Hochzeiten und kürzlich erst mit meiner Mutter. Im Gepäck hatte ich neben meinem Handy auch meine analoge Olympus AF10 Super. Knipsi, knipsi!
Worum ging’s? Ach ja – Juist. Juist ist ein Strich in der Landschaft, der parallel und kurz vor Holland an der Nordseeküste entlangläuft. Juist gehört zu einer Perlenschnur von fünfzehn teils unbewohnten Inseln zwischen Borkum im Westen und Mellum im … auch im Westen, nur halt weiter östlich. Nach Juist fährt man mit der Fähre von Norddeich-Mole oder fliegt in einer sehr kleinen Maschine für nen Fuffi von Norden. Flugdauer: Sechs Minuten. Die Anreise ist – zumindest von Berlin aus – langwierig, aber absolut lohnenswert.
Es gibt mehr Ferienwohnungen auf Juist als Einwohner. Die meisten wurden in den Neunzigern möbliert, reichen aber voll aus. Die Flora der Insel besteht aus Hagebutten und Sanddorn, die Fauna aus Fasanen und Möwen. Auf Juist gibt es keine motorisierten Fahrzeuge, was geil ist, weil es gibt immer genügend Parkplätze für alle und man kann mitten auf der Straße spielen. Müssen Dinge oder Personen transportiert werden, stehen dafür Bollerwagen und Pferdekutschen bereit. How very Cinderella! Auf Juist kann man gut Radfahren. Pro: Die Insel ist absolutes Flachland. Contra: Der Sturm ist gefühlt immer entgegengesetzt der Fahrtrichtung.
Die Crime-Rate ist auf Juist echt low, der radelnde Dorfpolizist spielt mehr Sudoku als dass er tatsächlich ausrückt. Niemand schließt sein Haus ab. Räder, Jacken und Koffer werden ohne Beaufsichtigung rumstehen gelassen – ohne gestohlen oder gesprengt zu werden. Fairerweise muss ich dazu sagen, dass in meiner Anwesenheit dort mal ein Mädchen ermordet und am Strand verbuddelt wurde. Aber das war nur ein Versehen – und sagen wir mal so: Der Typ kam auf den fünfzehn Quadratmetern Inselfläche nicht sonderlich weit.
Auf Juist gibt es hauptsächlich Rentner, Ü40-Pärchen im Partnerlook und kleine Kinder. Alle jüngeren Leute tragen blonde Pferdeschwänze, weiße Turnschuhe und Fliegerbrillen. Sie legen sich ihre Pullis gerne lose um die Schultern und trinken abends Sprudeliges aus langstieligen Gläsern. Willkommen im Westen!
Juist kann in drei Teile geteilt werden: den Westen, die Mitte und den Osten.
Ganz im Westen befindet sich die sogenannte Bill, die man am besten mit dem Rad erreicht. Die Bill ist eine Art Sandbank, auf der Zugvögel Zwischenstopps einlegen. Das Gefühl von Weite ist hier grandios, der Sand scheint bis in den Horizont zu reichen, der Wind weht, kaum jemand ist da. Auf dem Rückweg kann man an der Domäne Bill Erdbeerkuchen essen und schnapsversetzte Heißgetränke degustieren. Ebenfalls auf dem Weg liegt der völlig unterschätzte Hammersee, den ich erstmalig bei meinem fünften Besuch auf der Insel anpeile. Der Hammersee ist der größte Süßwassersee der ostfriesischen Inseln, ein Biotop und besticht durch einen verwunschenen Wanderpfad einmal außen rum, für den man mindestens eine Stunde einplanen sollte.
Das östliche Ende der Insel wird durch ein Naturschutzgebiet besiedelt, als wortwörtliches Ausflugsziel bietet sich hier der kleine Flughafen der Insel an. Hier kann man gemütlich auf der Terrasse des Cafés sitzen und den Mini-Fliegern beim Starten und Landen zugucken. Vom Zentrum aus kann man den Weg zum Flughafen laufen. Dahinter befindet sich noch der sogenannte Kalfamer, ein Naturschutzgebiet mit eingeschränkten, aber schönen Wandermöglichkeiten. Wer keine Lust auf den Rückweg hat, nimmt sich eine Kutsche für nen Zehner. Gönn dir!
In der Mitte der Insel liegt das Dorf Juist, das optisch vom glasverkuppelten Kurhaus dominiert wird. Das Dorf ist klein, man findet sich schnell zurecht. Es gibt zwei Supermärkte mit fortschrittlichen Öffnungszeiten, ein paar Souvenirshops und die Diskothek Zappel. Das Zappel ist absolut legendär – bitte nicht entgehen lassen. Das ebenfalls empfehlenswerte Inselkino bietet ein wöchentlich wechselndes Programm und die Getränke werden direkt am Tisch serviert. Profitipp: Grüne Wiese für 4,60€. Schnäppchen!
Was auf Juist wirklich immer geht, ist der 17 Kilometer lange, breite, buhnenbefreite Strand. Da die Insel sehr schmal ist, ist man nie weit davon entfernt. Sogar orientierungsbenachteiligte Menschen wie ich finden ihn. Die Strandaufgänge beim Dorf sind mit Strandkörben verziert (Sonnenbrand bei 17 Grad und Wolken? Challenge accepted!) und in den Sommermonaten durch so ne Art Baywatch-Crew gesichert. Ebbe und Flut machen, dass das Wasser manchmal ganz nah ist, manchmal einfach verschwunden. Geführte Wattwanderungen, anyone?
Und für alle Sammelnerds unter euch hab ich hier noch was Feines: sortierte Strandaccessoires. Dreht die Miesmuscheln einfach mal um und erlabt euch an dem Glanz. Mmmmmh. Und wer mehr als vier rosa Krabbenplatten findet, sagt bitte Bescheid.
Disclaimer: Alle Fundstücke wurden dem Strand später wieder fachmännisch hinzugefügt. Keine Muschel musste während der Sortierarbeiten leiden.