Es war am ersten schönen Frühlingswochenende dieses Jahres. Ich flanierte über das Tempelhofer Feld und beobachtete, wie sie alle wieder aus ihren Löchern gekrochen kamen, diese wunderschönen „Generation y“-Abkömmlinge. Wie aus dem Hipster-Ei gepellt. Jung, strahlend schön und das freie Leben zelebrierend. Ja. Die Luft roch nach freiem Leben. Nach einer Energie des Neubeginns. Nach Liebe zum Leben. Es war einer dieser magischen Tage, wo das perfekte Tinder-Bild hätte entstehen können. Ein Tinder-Bild, das einen freien, schönen, jungen Menschen zeigt, der sich ekstatisch dem Leben und der Liebe hingibt. Die Illusion eines freien, schönen, jungen Menschen. Eine Illusion, die den freien Geist zu träumerischen Beziehungsprojektionen verleitet. Eine Illusion, die jegliche Art der Verletzlichkeit ausklammert.
Ich fühlte mich an diesem Tag ein bisschen wie ein Außenseiter. Fühlte mich verletzlich und unsicher. Ein bisschen Liebeskummer. Der Schmerz des „Abgelehnt-Werdens“. An sich nichts Besonderes. Ja, irgendwie sogar ein schönes Gefühl, diese Verletzlichkeit und Bedürftigkeit so intensiv zu spüren, ihr so frei Raum zu gewähren, wo ich mich als Verfechter der freien Liebe, als Verfechter einer Liebe, die nur in sich selbst zu finden ist, bereits ein bisschen unverletzlich wähnte. Bullshit, realisierte ich und genoss die triumphale Rückkehr meiner Verletzlichkeit und Bedürftigkeit, die ich unter dem Deckmantel des freien Liebenden in die Tiefen meines Unterbewusstseins verdrängt hatte. Auch ich wollte frei, jung, schön, ja unabhängig durch und durch sein. Souverän durch dieses Spiel der Liebe tänzeln. Und habe dabei ausgeblendet, dass wahre Vollkommenheit, wahre Beziehungsfähigkeit, ja wahrer Mut zur Nähe nur dann entsteht, wenn ich mir meine Schwäche und Bedürftigkeit ebenso eingestehe wie all die anderen Facetten, die mich in diesem Liebesspiel unserer Generation vermeintlich attraktiv machen.
Darin liegt nämlich die Krux dieser Generation, die sich selber mitleidig als beziehungsunfähig betitelt und doch hart daran arbeitet, genau diese Fähigkeit zur Nähe zu verhindern. Wir versuchen zu sehr, frei, unabhängig und stark zu sein, kreieren unterbewusst eine Fassade der grenzenlosen Freiheit und Unverletzlichkeit und entziehen uns damit jede Möglichkeit der wahrhaftigen emotionalen Verbindung. Der wahrhaftigen Nähe, die nur dann entsteht, wenn wir uns emotional nackig machen mit uns innewohnenden schwachen, verwundbaren Attributen, die auf dem Dating-Markt nicht gerne gesehen werden. Weil zu anstrengend. Weil zu needy. Weil zu einengend. Weil zu sehr fordernd.
Wie wäre das? Treffen sich zwei junge, schöne, freie, wie aus dem Hipster-Ei gepellte Menschen auf ein Tinder-Date und erzählen sich von ihren Ängsten statt von ihrem super aufregenden, freien Leben. Davon, dass sie manchmal richtig Panik bekommen, wenn man sich nach dem ersten Date nicht sofort bei ihnen meldet. Wie sie träumen von der großen Liebe und warum sie doch immer wieder daran scheitern. Ich fände das schön! Fände das schön, wenn die selbstkreierte Unnahbarkeit einer authentischen Nähe weicht.
Emotionale Nacktheit mag zuweilen ein großes Risiko der Ablehnung in sich bergen. Es erscheint so viel bequemer, in Rollen zu verharren, die alles vermeintlich Unbequeme ausklammern. Alle Schwächen auszumerzen versucht, die uns emotional verwundbar erscheinen lassen auf einem Dating-Markt, in dem Freiheit und Unabhängigkeit den Ton angeben. Wer aber mehr emotionale Nähe und Authentizität fordert, muss die vermeintlich unerwünschte Bedürftigkeit zurück in sein Liebesleben holen. Der Verletzlichkeit in seinem Herzen Raum gewähren. Und dadurch einen Weg ebnen, der zurück in die wahrhaftige Beziehungsfähigkeit führt. In eine Nähe, wo wir uns die Erlaubnis geben, nackt dazustehen. Mit all unseren Stärken. Und all unseren Schwächen. Mit all unser Freiheit. Und all unserer Bedürftigkeit.
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Ich gehöre zu dieser Generation „Beziehungsunfähig“. Zu dieser Gruppe von Menschen, die frei und vor allem unabhängig sein wollen. Stark durch den Tag laufen und die sich am Abend im Bett heimlich einen Partner zum kuscheln wünschen. Doch wir sind dann am nächsten Morgen wieder dankbar, dass wir unser Leben, ohne Einschränkungen und Rücksicht auf eine geliebte Person, geniessen können.
Beziehungsunfähig ist das falsche Wort. Wir sind eher die Generation „Widersprüchlich“. Wir wollen keine Grenzen, die uns einzäunen, trotzdem suchen wir verzweifelt nach Geborgenheit und Beständigkeit in unserem Leben. Dass das eine ohne das andere nicht funktioniert, ist uns tief im Inneren bewusst. Doch was sollen wir tun? Wir haben Angst davor unsere wahren Gefühle zu offenbaren, weil die schmähvollste aller Eigenschaften in unserer Generation die Schwäche ist. Schwach sein, kann sich niemand leisten. Stark bedeutet Erfolg. Erfolg streben wir an. Wir wurden doch so erzogen.
Widerspruch fügt unserer Seele Schmerzen zu. Immer zwischen verschieden Fronten zustehen, die man sich selber gemacht hat, ist ein kriegerischer Akt gegen sich selbst. Es ist ein hin- und her. Man wägt auf der Waage des Lebens ab, welche Vor- und Nachteile man bei jeder Entscheidung hat.
~ Lieber Ludwig. Vielen Dank für deine Gedanken. Du hast mir wieder einmal vor Augen geführt, dass wir uns mit diesem Schutz keinen Gefallen tun. Du hast absolut recht – frei sein bedeutet, seine Gefühle zeigen zu können, sich verletzlich machen und das Leben mit allen guten und schlechten Facetten zu geniessen.
Alles Liebe