Da sitz ich und scrolle durch deine Facebook-Seite. Durch deinen Blog. Durch unsere Nachrichten. Tausende Nachrichten. Durch all die WhatsApp-Fotos. Finde es beschissen, dass es kein Foto von uns beiden gibt, das ich jeden Tag anstarren kann. Vielleicht nur, um mir zu versichern, dass das mit uns real war. Wirklichkeit. Und ich mir nicht nur alles eingebildet habe. Natürlich, da sind deine Worte. Überall in meiner Wohnung und in meinem Kopf. Verschwinden jeden Tag ein kleines Stückchen mehr, werden so viel weniger greifbar. Wir ersetzen sie mit neuen Worten, ohne Gefühl und ohne Herz. Sporadisch, so, als schriebe man einem entfernten Bekannten, dass es mal wieder regne.
Die letzten Wochen war Dauerregen. Und Gewitter und Sturm. So viel Sturm in meinem Kopf. Dieser Moment, in dem der Kopf versteht, dass es zu Ende ist, aber das Herz sich noch immer wehrt. Das dich nachts in irgendwelchen viel zu realen Träumen auftauchen und mich am nächsten Morgen niedergeschmettert die Decke über den Kopf ziehen lässt. Das genau diesen einen scheiß Song zum tausendsten Mal hören will, weil zu viele Erinnerungen daran hängen. Und das mir einredet, dass es alleine nicht geht.
Aber es geht. Immer weiter.
Und vielleicht ist genau das das Schönste und Schlimmste zugleich. Schön, weil wir nicht daran zerbrechen, wenn ein Mensch geht. Auch, wenn es sich im ersten Moment so anfühlt. Und wenn es vielleicht einen weiteren Riss in einer wenig makellosen Fassade hinterlässt. Schön, weil wir vielleicht erst in solchen Momenten spüren, was zu überdauern wir tatsächlich in der Lage sind. Und dass Herzen gewitterfest sind.
Aber mit jedem weiteren Schritt, mit dem wir dem Sturm den Rücken kehren, entfernen wir uns ein Stück weiter voneinander. Balancieren in entgegengesetzte Richtungen auf diesem Drahtseil, solange, bis ich deine Schwingungen kaum mehr unter meinen nackten Füßen spüre. Und du die meinen nicht mehr spüren kannst. Schließen Türen hinter Gefühlen, die es nur zwischen uns beiden gab. Verschließen uns. Was wir waren gibt es nicht mehr. Und die Nähe, die wir uns aufgebaut haben, zerfällt in Staub.
Will dich nicht als ein weiteres Kapitel eingereiht neben all den anderen Kapiteln gefüllt mit Menschen wissen, die, einst so nah, heute ferner sind denn je. Will daran festhalten, dass wir uns nicht hassen müssen, nur weil wir uns einmal zu sehr gemocht haben. Aber vielleicht haben wir uns dafür zu lange in Emotionen und Bettlaken verheddert. Haben zu viele Wellen geschlagen, die sich nicht einfach glätten lassen. Denn, was auch immer wir waren, einfach waren wir nicht.
Ich sitze da und lächle. Höre den Song, den du eben bei Facebook gepostet hast. Wünsche mir für dich, dass du ihn nach den Worten ausgewählt hast und die Worte ehrlich sind. Dass es dir besser geht. Ich habe Angst, dich in ein paar Jahren nicht mehr zu kennen. Dass es so wird, als hätte es uns niemals gegeben. Nur dich und mich, kein undefinierbares uns. So wird es aber werden, flüstert die Stimme in meinem Kopf, die ich nur allzu gut zu ignorieren weiß.
Und trotzdem bin ich dankbar. Dir. Für die Erinnerungen und das, was wir waren. Für das, was du mir beigebracht hast. Über mich. Und darüber, wie das Leben sein kann. Für jedes Stückchen Nähe und so viel Ehrlichkeit. Und meinem Herzen. Dafür, dass es mir jedes Mal zeigt, dass es einfach weiter schlägt. Ich es noch immer spüren kann, wenn ich nachts meine Hand auf meine Brust presse, um mich dessen zu versichern. Und dafür, dass es sich immer wieder in Gefühle stürzt, auch wenn mein Kopf lautstark protestiert. Und es am Ende doch gewinnen lässt.
Also scheitere ich weiter. An der Liaison zweier Herzen. Weil Scheitern immer eine Option bleibt, wenn es echt ist. Und ich keine unechten Gefühle will. Und weil vielleicht erst das Scheitern manchen Erinnerungen ihren ganz eigentümlichen Glanz verleiht. Ein bisschen Nostalgie und ein Stück Sehnsucht. Ohne den das Leben farblos wäre. Makellos schwarz weiß.
Headerfoto: Carly Webber via Creative Commons Lizenz! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!