Eine Laube mit Jalousien aus Holz. Überall liegen Kissen mit Kordelnähten. Samtig kommt die Umgebung daher. Neben mir liegt eine blonde Frau, die mir bekannt vorkommt. Sie scheint meine Freundin zu sein. Der Boden vibriert und ich höre wildes Gestöhne und Gejauchze. Es ist wundervoll. Die Sonne fällt durch die Lamellen und lässt das Holz leuchten. Ich schlage die Augen auf – Raufasertapete – mache sie schnell wieder zu. Enttäuschung. Ich mache meine Augen wieder auf. Es stöhnt. Meiner Nachbarin wird gerade die Seele aus dem Leib gefickt. Ich bekomme eine Erektion, trinke hastig das Glas auf dem Nachtisch aus und halte es an die Wand, gehe in die Küche, mache mir einen Tee – „Heiße Liebe“ heißt der – sitze im Schneidersitz im Bett und nippe am Tee, höre zu. Der Traum war schön. Ich muss in die Redaktion. Die blonde Frau war meine Kollegin, ganz sicher, die mit den vollen Lippen – Aileen. Ich stelle mir vor, wie sie eigentlich Barbara heißt. Stehe in der Bahn und stelle mir vor, wie ich mich verspreche, während ich ihren Namen brülle, stolpere über die Wiederholung der Silben, und denke an wilde Männer mit Äxten. Ich schmunzle vor mich hin und hoffe damit eine positive Wirkung auf meine Umgebung zu projizieren. Irgendwann spricht mich mal eine an. Warum grinst du so?, fragt sie mich und ich heirate sie dann zwei bis vier Jahre später. Ein Traum.
Meine Jeans sitzt sehr weit heute. Das dritte Loch des Gürtels habe ich ja noch nie benutzt. Vor den Glastüren des Redaktionsgebäudes nehme ich einen letzten Zug Frischluft, bevor ich an der Zigarette ziehe und sie ausdrücke. Wie ein Asche spuckender Vulkan betrete ich den Empfang, grüße den Portier. Er öffnet mir die Tür zu den Fahrstühlen mit einem Schalter. Es macht Klick. Ich fahre in den dritten Stock, setze mich an meinen Schreibtisch, der mitten im Flur steht. Leute laufen an meinem Tisch vorbei, werfen ihren Müll in meinen Papierkorb. Das macht mich aggressiv. Ich lege die Stirn in Falten. Meine Kollegin sitzt auch auf dem Flur. Wir sind Praktikanten. Sie hat keinen Papierkorb. Ich versuche beschäftigt zu wirken und arbeite, Kopfhörer in den Ohren. Ich schreibe, den ganzen Tag. Ich bekomme kein Geld, aber ich lächle, grinse, schmunzle. Ich frage Aileen, wie ihr Wochenende war. Total klasse, sagt sie. Meins war scheiße, sage ich nicht, wurde auch nicht gefragt, wie meins war, lächle, frage, was sie zu tun hat. Nicht viel, sagt sie. Ich grinse, sage, dass ich von ihr geträumt habe. Sie fragt: Was denn? Ich sage, dass sie meine Freundin war. Sie sagt nichts, ich schmunzle, arbeite weiter. Wir gehen zusammen Mittag essen. Sie hat keinen Freund, ich keine Freundin. Sie hat aber noch ihren Ex und ich habe das nicht nötig. Ihre Lippen sind so voll. Barbara. Ich schmunzle. Warum grinst du? fragt sie mich. Da ist es, denke ich, sage: Ach, nichts. Wir gehen weiter. Zurück in der Redaktion sitzen wir alle an einem Tisch. Viele Frauen, keine über 35. Ich bin 25 und esse meinen Salat, stecke mir die kleinen Mozzarella-Bällchen in den Mund, italienische Feinkost. Ich lächle. Warum grinst du?, fragt mich Barbara. Da ist es, denke ich, sage: Ach, nichts. Wieder am Schreibtisch fehlt mir die Motivation. Ich verwickle Aileen in ein Gespräch. Ich sehe mich reden. Durch ihre Augen sehe ich mich. Ich sehe einen Typen, der redet und schmunzelt und rumalbert, der in die Erotikschublade greift und ein Handvoll Dildos und Arschperlen rausholt, wieder grinst. Ich hasse diesen Kerl. Ich sage Tschüss, Fahrstuhltaste E, sage Tschüss zum Portier, die Stirn in Falten, eine Zigarette im Mundwinkel, finster.
Laufe zum Bus, der kommt gerade an, fährt ohne mich. Stehe an der Haltestelle und rauche, finster. Der nächste Bus hält. Ich steige ein, kaufe ein Ticket, setze mich, fahre zwei Stationen, steige aus, gehe zur S-Bahn. Der Gürtel ist im dritten Loch, die Jeans ist weiter als sonst. In der S-Bahn beobachte ich die Menschen. Alle schauen leer in die Finsternis. Ich laufe nach Hause. Es ist Montag. Jeder Tag ist der gleiche. Es ist Freitag. Jeder Tag ist der gleiche. Es ist Sonntag. Morgen ist wieder der gleiche Tag. Ich lächle. Ein Türke fragt mich aggressiv, warum ich grinse, ich denke, das ist es nicht, ich sage nichts, renne davon, nach Hause.
Zuhause mache ich mir ein Brot mit Wurstsalat. Es ist Freitag. Ich trinke eine Flasche Wein. Ich bin allein. Barbara ist nicht da, warum sollte sie? Ich schaue in den Badezimmerspiegel, das Weinglas in der Hand, sage Prost, hebe das Glas, führe es zum Mund, nippe. Ich gehe aus dem Bad, starre in die Finsternis. Warum grinst du eigentlich?, frage ich mich, denke, das ist es, sage: Ich kenne dich nicht mehr. Ich trinke das Glas aus, laufe in die Küche, fülle das Glas, sitze wieder auf der Couch, starre in die Finsternis, trinke das Glas aus, taumle in die Küche, fülle das Glas, sitze auf der Couch, finster. In meinem Kopf brodelt es. Es brodelt, wie ein Kochtopf voll mit Wasser, das kocht. Ich grinse. Was gibt es eigentlich zu lachen, du Vollidiot?, frage ich mich. Ach, nichts, sage ich. Ich falle in die Küche, trinke, fülle das Glas, trinke und starre in das Glas, finster. Der Fußboden ist aus Holz, der Wein sickert hinein. Das Holz wird ganz dunkel. Die Weinflasche ist leer. Ich sitze wieder auf der Couch, in der Hand eine Flasche Jägermeister. Ich proste mir zu, auch ohne Spiegel. Das Telefon schweigt. Der Gürtel ist offen. Ich sehe mich durch die Augen von Barbara, wie ich masturbiere, die Stirn in Falten. Ich hasse diesen Kerl, wie er da sitzt auf der Couch. Barbara ist weg. Ich stolpere über „Bar“, komme nicht mehr zum finalen A, finster. Meine Gedanken drehen sich im Kreis, wie mein Körper, und ich ziehe es vor mich hinzulegen. Im Badezimmerspiegel putzt sich einer die Zähne, neben ihm steht niemand. Er sieht traurig aus, wie ihm so die Zahnpasta aus dem Mundwinkel läuft, übers Kinn, auf den Fußboden tropft. Die Fliesen werden nicht dunkel. Im Bett windet er sich und erbricht italienische Feinkost über den Parkettboden. Es sickert alles hinein, wird dunkel. Ein Schlafzimmer mit Vorhängen aus Stoff. Überall liegen Socken mit Löchern. Chaotisch kommt die Umgebung daher. Neben ihm liegt Barbara, sie scheint mal seine Freundin gewesen zu sein. Der Boden stinkt nach Erbrochenem. Als er aufwacht fragt er sie, warum sie grinst und sie denkt, das war es, sagt, dass es das war. Er weint und vor seinen Augen fließt Barbara dahin bis nichts mehr von ihr bleibt. Er macht die Augen zu, starrt in die Finsternis hinter seinen Lidern, macht sie schnell wieder auf – Raufasertapete.
Fortsetzung folgt.
Headerfoto: Meghan Holmes via Unsplash.com. („Gedankenspiel-Button“ hinzugefügt.) Danke dafür.
Ich danke dir Philipp, für dieses grandiose Stück Text!