Teil 1 dieses Textes findest du hier, Teil 2 findest du hier.
Meine Freundin war eine natürliche Schönheit, ich will nicht auf Details eingehen, aber sie entsprach zu einhundert Prozent dem, was ich als schön empfand. Sie war eine Frau, für die man sich viel Mühe geben musste, wollte man sie heute noch erobern. Oder man musste ein natürlich gutaussehender, charismatischer Typ mit breiten Schultern und großem Wuchs sein, der entweder ein Mysterium ist oder irgendwas Tolles macht: Schriftsteller, Arzt, Regisseur, Architekt.Sie hatte gesunde Haut und ein schönes Gesicht. Sie war intelligent und leicht introvertiert. Sie hatte einen tiefen, verlorenen, schwer zu lesenden Blick, aber ein Gesicht, das sofort alle Emotionen verriet. Mir vorzustellen, dass sie mir jemals einen anderen Mann vorziehen könnte, ließ mir alle Eingeweide krampfen und Tränendruck aufsteigen. Auch ich war ein attraktiver Typ und viele Frauen standen auf mich. Doch man will nicht die, die man leicht bekommen kann, nicht wahr?
Wenn ich sonst schöne Frauen sah, solche, die meinen Vorstellungen von einer schönen Frau entsprachen, solche, die mich innerlich vor Aufregung erzittern ließen, weil sie eine Aura der Schönheit versprühten, fühlte ich mich schwach und hässlich und armselig. Ich konnte ihnen nicht in die Augen sehen. Ich konnte flirten, musste aber sachlich bleiben, denn ich war schließlich vergeben, was meine Armseligkeit und Schwächlichkeit nur noch verschlimmerte. Und so maß ich mir selbst keine guten Chancen zu, jemals noch so eine schöne Frau von mir zu überzeugen. Aber so lief das auch gar nicht im wirklichen Leben und das wusste ich – den Kopf voll mit pubertärem Paarungsverhalten – auch.
„Dann fick doch einfach eine andere“, hatte sie gesagt. Aber was wäre das für eine andere? Es wäre eine sehr viel Jüngere, die zu mir aufschaut, eine, mit der ich leichtes Spiel hätte, für die ich meine Freundin niemals aufgeben müsste. Sie entspräche nicht meinen Idealvorstellungen, wohl aber meinen Bedürfnissen. Oder es wäre eine Ältere, eine Erfahrene, die genau weiß, was das für ein Spiel ist, das wir spielen. Eine, in die ich mich vielleicht sogar verlieben würde, obwohl wir nur funktionalen Sex hätten und die mich zu dem reifen Mann wünschen würde, den sie bisher nicht hatte. Oder es wäre eine Gleichaltrige, vielleicht hübsch, vielleicht einfach nur sexy. Eine, mit der ich Sex hätte wie ein Gleichberechtigter, eine, die auch Erfahrungen hätte, vielleicht selbst einen Freund, obwohl das doch sehr unrealistisch war für die Frauen, wie ich sie kannte und wie sie mich umgaben.
Es wären Legionen aus Frauen, die mich enttäuschen, die ich enttäuschen und verletzten würde, beschädigte Frauen, Frauen mit Makeln, Frauen, die ich bekommen könnte. Und ich würde sie alle ficken und lecken und fingern und wieder dieses adoleszente Gefühl vom ersten Mal haben – hundertmal. Ich würde ihnen meinen Penis überall reinstecken, in den Arsch, in die Fotze, den Mund und wenn sie das nicht wollten, dann würde ich mir die Nächste suchen. Und nur meiner Freundin zu Hause würde ich mit Liebe begegnen, mit verlogener Liebe, weil ich alles verheimlichen würde, egal ob sie es mir gewährte oder nicht, weil ich es nicht ertragen könnte, auch nur darüber zu sprechen, nicht ertragen könnte, das Uns kaputt zu machen, zu gefährden.
Und meine frustrierte Morgenlatte wüsste, wo sie abends oder in Mittagspausen reingesteckt werden könnte, wo immer ein feuchter und warmer Ort für sie wäre, um das kalte trockene Brennen im Innern zu lindern. Und meine Freundin, sie würde sie riechen, die anderen Frauen, und würde mein Herzrasen fühlen und nicht wahrhaben wollen, dass es da jemanden gibt, obwohl sie es bestimmt sofort wüsste. Und wir würden uns in der Vorstellung, dass unser Partner auch andere hat, nur immer weiter sexuell entfremden.
Allein in der Nacht und ohne echtes Bewusstsein würden wir noch aneinander rumfummeln, weil wir beide nach etwas verlangen, das wir nur beim anderen finden könnten. Vielleicht wäre es das Uns, das uns jede Nacht in fragwürdigem Sexualverhalten zusammenführt oder es wäre das Es von jedem einzelnen, das spürte, das wir doch irgendwie zusammengehören und passen, dass unsere Sexualkurven kompatibel sind, hinter all den Erwartungen und Komplexen, dem Stress und den Idealen. Das Es oder das Uns, das über kein Erinnerungsvermögen verfügt und nur das sieht, was ist, sonst alles vergisst und immer wieder die erste Begegnung herbeiführt.
Die Fortsetzung findest du hier …