Da stehst du, so schön, so anders, so voller Freude. Dein Lächeln gilt auch mir. Dass wir Nacht für Nacht hier sitzen und reden, nicht selbstverständlich, nicht geplant, nicht gesucht, aber entschieden zu bleiben. Wenn sich deine Lippen bewegen, scheint alles einfach. Alles andere ausgeblendet, im off. Nur wir zwei. Unsere Worte füllen Stunden, deine Worte füllen Risse, Kratzer, die sich viel zu oft wie Krater anfühlen. Auch du kennst sie nur zu gut.
Aber zwischen den Zeilen ist mehr, sind wir nicht allein. Wir beide haben jemanden mitgebracht. Ganz nah sitzen sie, drängen sich immer wieder dazwischen. Dein Dämon tanzt mit meinem. Zwei Schatten, die sich umeinander drehen, sich umgarnen und versuchen, uns in ihre Welten zu ziehen. Wir, ganz bei uns, überrascht von dieser Begegnung. So seltsam und unerwartet sie war, tut sie uns genau jetzt so gut.
Jede Stunde, jeden Tag füllen wir mit uns, bewusst, weil wir es wollen, den anderen teilhaben lassen, ihn näher an uns heran rücken lassen wollen. Jede Euphorie, jedes Lächeln, das ein Wiedersehen begleitet, kann trotzdem nie richtig ausgelebt werden. Zweifel schwingen immer mit. Wie ein riesen Rucksack, der beim Tragen einschneidet, Spuren auf den Schultern hinterlässt. Keine, die nach Ablegen der Last langsam wieder verschwinden. Die Art von Spuren, die sich eingebrannt haben, wie Narben, die bei Wetterumschwung schmerzen, um zu erinnern, dass sie immer noch da sind.
Jede Interessensbekundung könnte Gefahr bedeuten, jeder Schritt auf dich zu, ein Angriff mit gezücktem Messer sein.
Deine Skepsis gilt mir, nicht weil ich zwiespältig, zweifelhaft bin, sondern deine Wunden nach Vorsicht schreien. Jede Interessensbekundung könnte Gefahr bedeuten, jeder Schritt auf dich zu, ein Angriff mit gezücktem Messer sein, das ich dir im richtigen Moment in den Rücken ramme. So sehr du mich ergründen willst, glauben willst, je tiefer du in meine Seele blickst, umso näher rückt deine Hand an den Knopf, der den Schleudersitz betätigt, der dich in Sicherheit katapultiert.
Ich dagegen kann nur mit erhobenen Händen vor dir stehen, unbewaffnet, immer wieder den Vormarsch wagen, auch wenn es sich anfühlt, als würde ich gegen Windmühlen kämpfen. Meine gehisste weiße Fahne scheint dich nicht zu überzeugen. Deine Armee befeuert sie schon beim kleinsten Versuch, in deinen Orbit zu treten, um dich zu schützen. Sie strahlt schon lange nicht mehr blütenweiß. Zerrissen und mit Blut befleckt weht sie alles andere als stolz im Wind.
Werde mich preisgeben, zeigen, entkleiden, damit man sieht, dass ich unter meinem Mantel keine Waffen trage, sondern nichts mehr als mich und mein Herz.
Kein Grund zur Kapitulation. Solange ich Kraft habe, sie zu halten, werde ich sie erheben. Werde mich preisgeben, zeigen, entkleiden, damit man sieht, dass ich unter meinem Mantel keine Waffen trage, sondern nichts mehr als mich und mein Herz.
Mein Heer aus Stolz und Selbstachtung schreit vor Wut. Auch es versucht, jede Enttäuschung von mir zu wenden. Jede falsche Anteilnahme, jede Spielerei soll von Anfang an ferngehalten werden. Aber ich laufe und laufe. Beratungsresistent. Auch wenn die Liebe sich bei mir jedes Mal entschieden hat, in die andere Richtung zu schauen und sich andere Wege gesucht hat. Auch wenn mir das Leben die Pistole an den Kopf gesetzt hat, bevor ich die Fahne hissen konnte.
Mein Heer aus Stolz und Selbstachtung schreit vor Wut. Auch es versucht, jede Enttäuschung von mir zu wenden.
Auch wenn sich Menschen, Worte, Gesten gedankenlos nur das nahmen, was sie brauchten. Sich mit meinen Federn schmückten, in meinem Licht sonnten, um ihre Tränen zu trocknen ohne dabei merken zu wollen, dass auch meine Augen feucht sind. Schneller weg waren, als sie gekommen sind.
Wenn Hoffnung verloren ist, schon beim Erblühen welk war und die Dämmerung viel schneller kommt als der Sonnenaufgang und das Ende somit viel klarer ist, als es der Anfang je hätte sein können, wenn es immer schwerer wird, jemand zu sein, der erhobenen Hauptes voranschreitet, unbedarft, hüpfend, dann gibt es nur zwei Wege, die du einschlagen kannst.
Du hast entweder zu viel Angst, dass du dich und deine Mauern zu groß gebaut hast, dass dich am Ende keiner fallen sieht, und verkriechst dich dahinter. Oder du machst einfach weiter. Du akzeptierst dein Gepäck und machst Platz für neues, du öffnest die Arme und kassierst weiter schmerzhafte Schnitte, die oftmals so nah an deinem Puls sind, so lange bis du bei dem angekommen bist, der dir statt der Rasierklinge ein Pflaster reicht.
Headerfoto: Junge Frau mit Nachthemd via Shutterstock.com. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!