Heiß-kaltes Klassentreffen | Part 1

Einmal im Jahr sehen wir uns. Alte Heimat. Weihnachten. Ehemaligentreffen. Die gleiche dunkle Kneipe mit den großen Stehtischen aus Holz, dem Kicker, der schon immer schief stand, und derselben Musik, die aus den schlechten Boxen dröhnt. Wenigstens ist es deutscher Oldschool-Rap.

Meine Blicke wandern umher. Die meisten sind schon da und es wird langsam eng. Es riecht nach Kippen und Raclettekäse. Du bist noch nicht da. Na gut, dann eben doch noch ein bisschen lästiger Smalltalk. Es ist schon irgendwie seltsam – das ganze Jahr über denke ich nicht an dich, habe keine Ahnung davon, wie es dir geht, was du machst, wen du fickst, wen du liebst. Manchmal weiß ich nicht mal, in welcher Stadt du gerade lebst. Und dennoch bist du einer der Menschen, die zu meiner Geschichte gehören. Einer der Menschen, die bleiben und die zu meiner Beerdigung kommen sollen.

Jedes Jahr ist es wieder ein bisschen anders. Wir werden älter. Das sieht man auch. Aber wir haben mit der Zeit aufgehört, Spielchen aus Unsicherheit heraus zu spielen. So wie wir es taten, als wir 16 waren. Kränken, um zu sehen, ob der andere einen auch mag.

Meistens wissen wir jetzt, dass wir uns mögen. Was wir sicher wissen, ist, dass wir uns begehren. Jedes Mal, wenn wir uns sehen. Seit Jahren und das war nie anders. Manchmal war es erlaubt, manchmal nicht. Dir war das immer egal. Du magst das Verbotene an mir. Und ich mag das Verbotene mit dir. Und somit steigen meine Erwartungen an diesen einen Abend im Jahr schon ein paar Wochen vorher an. Jede Pore freut sich auf dieses heimlich kurze aber heftige Wiedersehen. Mein Körper weiß, auf was er sich freuen kann. Jährlich grüßt der Langzeitlover. Oder so.

Während meine alte Klassenkameradin darüber monologisiert, wann der richtige Zeitpunkt ist, nach der Elternzeit wieder in den Beruf einzusteigen, kommst du endlich zur Tür rein. Du und deine Jungs. Jetzt höre ich ihr noch weniger zu. Jedes Jahr trefft ihr euch alle vorher im Haus deiner Eltern. Das Haus deiner Eltern. Ich kenne nur den hinteren Teil, dein Reich, weil ich immer heimlich kam und ging. Damals hatte man keine Affären. Man hatte Beziehungen. Und wir hatten keine.

Ihr bewegt euch durch den Raum, hier ein Handschlag, hier eine Umarmung, ihr lacht. Und dann stehst du vor mir. „Hi, na?“, sagst du und grinst mich vielsagend an. Wir umarmen uns. Etwas zu eng, etwas zu lang. Da ist er wieder, dein Geruch. Für einen Moment bin ich wieder 16. Wir lösen uns voneinander und schauen uns an. Wir sind definitiv nicht mehr 16. Aber ich erkenne den Jungen hinter den kleinen Lachfalten um deine Augen. Schön bist du. Lange kann ich dich jedoch nicht angucken. Auch das war schon immer so. Wir konnten uns nie lange in die Augen sehen. Vielleicht weil wir uns dann zu sehr gesehen hätten.

Wir fangen an zu trinken. Alle ehemals coolen Leute aus der Raucherecke der Schule stehen jetzt dicht gedrängt um die Stehtische herum, feiern sich selbst und erzählen laut aus ihrem letzten Jahr. Von den fancy Fernreisen, den gekauften Häusern und den ersten Gehversuchen der Kinder. Der Vorteil am Älterwerden ist, dass man sich jetzt Schnapsrunden für alle leisten kann und so wird die Stimmung immer ausgelassener.

Du stehst neben mir im Gedränge an einem dieser Stehtische. Ganz dicht. Es scheint niemandem aufzufallen wie dicht. Wir reden über den Tisch hinweg mit anderen Menschen. Du mit einem deiner alten Kumpel über eine amerikanische irgendwas Liga. Herrje. Ich mit irgendjemandem über etwas sehr Witziges. Die Stellen, an denen sich unsere Körper berühren, genießen jedoch meine eigentliche Aufmerksamkeit. Dort fühle ich besonders hin. Sie glühen förmlich. Es sind diese kleinen Bewegungen, mit denen wir uns enger aneinander drücken und die nur wir spüren. Das Vorspiel hat begonnen.

Meine Hand tastet sich langsam unter dem Tisch zu deinem Oberschenkel. Ich merke sofort, wie du dich anspannst. Damit hast du scheinbar nicht gerechnet. Umso besser. Ich lasse meine Hand weiter wandern und muss schmunzeln, als ich deinen harten Schwanz durch die Hose spüre. Also schon die ganze Zeit. Noch besser. Du willst es also genauso wie ich. So gut es geht, umfasse ich ihn und übe langsam immer mehr Druck aus. Ich merke, wie du dabei tief einatmest. Wie lange wirst du dem Gespräch wohl noch folgen können?

Dann spüre ich deine Hand auf meiner. Du nimmst sie und zeigst mir, wie fest ich ihn anfassen soll. Sehr fest. Du schaust mir kurz aber direkt in die Augen. Schließt deine Lider ein kleines bisschen länger. Du genießt das. Deine Hand löst sich von meiner und streicht noch ein paar Zentimeter meinen Arm hoch. Dann schiebst du sie vorsichtig unter mein kurzes Kleid und auf der Strumpfhose entlang zwischen meine Beine. Gut, dass es so voll und das Gedränge groß ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand das alles mitbekommt, der es nicht mitbekommen soll, steigt eh schon mit jeder weiteren Berührung. Lang darf das hier drin nicht gehen. Deine Finger kommen an meiner sensibelsten Stelle zum Erliegen. Kleine, feine Bewegungen, ein bisschen Druck, sanftes Streicheln. Quälend schön. Das warme Kribbeln, das vorher ziellos durch meinen Körper strömte, konzentriert sich nun auf diese eine Stelle. Fließt dort zusammen. Auch ich atme tief ein.

Wir atmen, du streichelst, ich massiere. Wir unterhalten uns weiter mit den anderen und gucken uns immer wieder kurz aber tief in die Augen. Ich kann dein Verlangen sehen. Und du meins. Minutenlang geht dieses Spiel. Wir lachen mit dem Rest und ficken in unseren Köpfen. Ich merke, wie feucht ich bin. Unsere stille Lust erregt mich. Lange halte ich das nicht mehr aus. Ich will dich, deine Lippen auf meinen, deinen Körper auf mir, deinen Schwanz in mir. Jetzt.

Abrupt drehst du dich zu mir und flüsterst. „Ich geh raus. Komm in fünf Minuten nach.“ Und weg bist du.

Ich seh dich auf der anderen Straßenseite stehen. Es ist ein Winter, der kein Winter ist, aber ein bisschen kalt ist mir trotzdem. Du führst mich wortlos in eine der kleinen Nebenstraßen. Dann schließt du ein Auto auf. „Es ist das Auto von Noahs Vater“, sagst du, als ich dich fragend angucke. Noahs Vater ist Chefarzt und das Auto dementsprechend groß und protzig.

To be continued. Teil 2 findet ihr hier.

Headerfoto: HannaElise via Creative Commons Lizenz 2.0! („Sexy Times“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

ANNA ZIMT ist 33 Jahre alt, isst am liebsten salzige Pommes mit Mayo und fühlt sich sexuell befreiter denn je. Sie lebt in Hamburg, liebt erste Dates und Großstadtabenteuer. Einst Streetworkerin in Berlin, hat sie gerade zwei Bücher veröffentlicht: "In manchen Nächten hab ich einen anderen" (könnt ihr hier kaufen) und "Leck mich!" (könnt ihr hier kaufen). Frau Zimt ist in ganz unterschiedlichen Welten unterwegs. Ihr Zuhause hat sie aber schon vor vielen Jahren gefunden.

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