„Es gibt wirklich nur wenige Menschen, die mich zur Weißglut bringen können.“
„Wenn ihr mich sucht, ich bin das blonde, schwarz gekleidete Mädchen mit der goldenen Brille, welches aussieht als ob es nicht aus dieser Zeit stammt.“ Mit diesen Worten beschrieb sich Minetta vor unserem Date selbst.
Ein verregneter Sonntagvormittag. Der Charme der Erfurter Innenstadt versinkt im nassen Grau. Die Straßen sind leer. Eine große Baustelle zieht sich vom Fischmarkt bis zum Domplatz, wo wir uns mit Minetta treffen. Sie hat das Café Hilgenfeld vorgeschlagen. Dort sei sie oft zu finden – mit „Milchkaffee und Bukowski“ –, wie sie schrieb. Am Vorabend fand dort die Vernissage ihrer neuesten Ausstellung statt. An den Wänden hängen nun Minettas analoge Schwarz-Weiß-Fotografien: Körperlandschaften, die den Blick auf Haare frei legen. Lange Haare, kurze Haare, Achselhaare. Schlichte Bilder.
Ein bisschen Angst habe ich schon: Hoffentlich ist Minetta nicht zu verkünstlert, hoffentlich müssen wir nicht die ganze Zeit über ihr Werk sprechen. Ich bin Punkt 10 da, Minetta sitzt bereits ganz schwarz gekleidet mit Hut und Milchkaffee am Fenster – nur Bukowski fehlt. Blonde Haare blitzen unter ihrer Melone hervor. Wir schauen uns kurz fragend an, sind beide für eine Millisekunde verunsichert. Doch da springt Minetta schon auf, begrüßt mich mit einem offenen Lächeln und offenen Armen und ich weiß sofort: Ich brauche keine Angst zu haben, diese Frau ist der Knaller!
So herzlich ist sie, dabei nie aufdringlich, immer interessiert. Und sie hat so viel zu sagen und zu zeigen. Seit acht Jahren wohnt die gebürtige Bad Langensalzaerin in ihrer „Herzstadt“ Erfurt. Hier hat sie zunächst Religion und Kunst im Bachelor studiert, danach Sammlungsbezogene Wissens- und Kulturgeschichte. Sieben Leute sind sie im Jahrgang. In den nächsten Wochen wird sie ihre Masterarbeit über Margaretha Reichardt beenden. Ihr Ziel nach dem Studium? Sie will in einem Museum, in einer Galerie oder Ähnlichem arbeiten.
Wir sitzen im Café und plaudern. „Das fühlt sich irgendwie an wie ein Date“, sagt Minetta. Stimmt. So viele Fragen an sie: „Echt komisch, die ganze Zeit nur von sich zu erzählen!“ Seit 28 Jahren sind Minettas Eltern glücklich verheiratet. „Ich bin ein absolutes Wunschkind“, sagt sie und grinst. Die Grundschule war direkt gegenüber, aber so richtig viel gibt es da nicht zu erzählen. „Ich war eher ruhig und schüchtern.“ Und irgendwie scheint diese Ruhe auch jetzt noch durch. Ich kann nicht sagen, dass Minetta besonders still oder zurückhaltend ist, aber auf jeden Fall ist sie auch nicht der lauteste, extrovertierteste Typ.
Minetta liebt das, was sie tut. Sie liebt die Stadt, in der sie lebt, sie liebt ihre Arbeit als Fotografin, ihr Studium und ihre Freunde. Sie ist ernsthaft, ohne pathetisch zu sein. Und sie ist „überhaupt kein Großstadtmensch“ wie sie betont. Es kann gut sein, dass sie nach ihrem Studium aus Erfurt wegziehen wird, um ihren Traumjob zu finden. Das tut ihr auf der einen Seite weh, auf der anderen Seite weiß sie aber, dass sie „immer wieder zurückkommen kann. Und das ist ein total gutes Gefühl.“ Leipzig oder Dresden kann sie sich als nächste Station vorstellen, um dort ein Volontariat zu beginnen.
Die ersten Touristen schleichen am Fenster vorbei. Ob sie die vielen Touristen in Erfurt manchmal nerven, frage ich. „Nein überhaupt nicht, ich hab ja meine Spots und Rückzugsorte. Naja, und an einem Samstag trifft man mich nicht unbedingt in der Altstadt.“ Minetta hat einen großen Freundeskreis, ist viel unterwegs: Im Kleinvenedig genießt sie die Sonne und lässt die Füße ins Wasser baumeln, donnerstags tanzt sie im Kalif Storch, sie mag den Speicher und das Retronom, das Kunsthaus und den Kinoklub am Hirschlachufer. Ihre Lieblingsfilme? Into the Wild, Monuments Man, Loving Vincent, The Danish Girl. „Die haben echt alle was mit Kunst zu tun, merk ich gerade!“
Nach unserem Kaffee brechen wir auf und wollen in Minettas WG. Damit hat sie gar nicht gerechnet – freuen tut sie sich aber trotzdem: „Jetzt fühlt es sich so richtig an wie ein Date.“ Wir gehen aus dem Café, Minetta verabschiedet sich von der Kellnerin, die sie gut zu kennen scheint, und schon nach wenigen Metern winkt sie den erste Leuten auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ganz klar: Erfurt ist ihre Stadt!
Auf dem Weg zur Wohnung erzählt sie mir, dass sie seit drei Jahren Single ist, was „eine ziemlich bewusste Entscheidung“ war. Von im gegenteil hat sie von einer Freundin erfahren und hatte einfach Bock, mitzumachen. „Ich bin gespannt, was passiert.“ Wir laufen durch die leeren Straßen Richtung Blumenviertel, wo sie wohnt. Es wird immer kälter. War nicht gestern noch Sommer? Auf dem großen Balkon in ihrer WG sieht man wenig später die Spuren der letzten, heißen Monate: Alle Pflanzen sind gestorben.
Hier sitzt Minetta gern mit ihren Mitbewohnern, trinkt ein Bierchen oder einen Wein. „Meer oder Berge?“, frage ich als wir nur, um noch schnell ein paar Foto zu machen, auf dem viel zu kalten Balkon im Nieselregen sitzen: „In diesem Sommer ganz klar: Rügen.“
Wir betreten Minettas Zimmer, es läuft Chateau von Angus and Julia Stone. Ich sehe sofort: Das schwarz-weiß Prinzip ihrer Fotografien zieht sich also nicht nur durch ihren Kleidungsstil, sondern auch durch ihr gesamtes Zimmer. Witzig, dass sie auf dem Weg zur Wohnung noch Sorge hatte, dass vielleicht ein paar Socken rumliegen könnten. In diesem Zimmer wurde nichts dem Zufall überlassen. Ich bin tief beeindruckt von so viel Stil, so viel Ordnung, so viel Raum auf so wenigen Quadratmetern.
„Ich muss viel Weiß an den Wänden lassen, sonst erdrückt mich das“, sagt Minetta. Alles wurde mit Bedacht angebracht, die Bücher sind sorgsam aufgereiht. Doch es wirkt nicht aufdringlich oder aufgesetzt. Das Zimmer passt perfekt zu Minetta und dem, wie sie sich gibt. Die Möbelstücke reichen von Ikea über klassisch bis hin zu verspielt oder „hab ich von meinem Mitbewohner bekommen“. Es passt einfach. So wie der schwarze Hut zu ihr passt. „Der gehört zu mir!“, sagt sie. Für ein Foto möchte sie ihn nicht absetzen: „Das geht nicht!“ Und das glaube ich ihr. Sie hat sogar einen zweiten, einen Ersatzhut zum Ausgehen: „Mein Partyhut.“
Schon im Café hatte sie sich selbst als Nostalgikern bezeichnet. „Ich würde mir niemals einen Ebook-Reader kaufen und einen Fernseher habe ich auch nicht.“ Jetzt in ihrem Zimmer sieht man, was sie meint: Schön abgegriffen ist ihr momentanes Lieblingsbuch, das sie mehrmals gelesen hat – auf deutsch und englisch: Just Kids von Patti Smith. Neben einer Schreibmaschine, auf der sie gern Gedichte oder Prosa schreibt, finden sich in ihrem Zimmer auch zwei Polaroid- und unzählige weitere analoge Kameras.
Und dann will ich ihr noch eine Frage stellen, die mir gar nicht so leicht über die Lippen kommt. „Komm, sag schon“, fordert Minetta mich gespannt auf. Wen sie eigentlich sucht, frage ich, als hätte ich die ganze Zeit über vergessen, dass Minetta ja eigentlich auf der Suche ist. Doch so wirkt diese geerdete Frau einfach nicht. Minetta findet die Frage gar nicht komisch und überlegt.
„Jemanden, der oder die eine Passion hat, für etwas brennt.“ Wenn sie an einer Person immer wieder neue Facetten erkennen kann, wenn peu à peu Unerwartetes zum Vorschein kommt – dann beißt sie an. Wenn der- oder diejenige kreativ wäre, würde sie das auf jeden Fall sehr reizen, aber das ist natürlich keine Bedingung. „Offen, authentisch, aufgeschlossen und ehrlich“ sollte er/sie sein.
Unser Date neigt sich dem Ende und ich frage noch schnell nach den Zielen für die nächsten Jahre. „Für die nahe Zukunft: viel reisen! Für die ferne Zukunft: mit einer guten Freundin ein Künstlercafé eröffnen!“ Minetta will sich treiben lassen, und doch merkt man ganz genau, dass sie dabei nicht völlig planlos ist. Minetta begleitet mich langsam Richtung Tür. Erst jetzt wirft sie zum ersten Mal einen Blick auf ihr Smartphone, auf dem unzählige Nachrichten aufblinken. „Was ist denn hier los?“ Und ein Anruf in Abwesenheit von Mama: der Sonntagsanruf, noch ein echter Klassiker!
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Sorry, Minetta ist gerade nicht auf der Suche. Aber keine Panik, mehr Singles aus Berlin gibt es hier.