Wenn ich ein Berg wäre, wärst du das Meer.
Ich steh so da und rühr mich nicht, während du mich umspielst.
Bevor ich meine Meinung ändere, wächst an meinen Füßen Moos.
Doch du folgst dem Mond und seinen Gezeiten.
Mal kletterst du an mir hoch – mal treibst du raus in unerreichbare Ferne.
Du veränderst mich.
Es mag nicht so wirken, weil sich meine Grundfeste langsam ändern.
Aber du veränderst mich.
In mancher Hinsicht bist du zerstörerisch –
Meine Klippen bröckeln in die See:
All meine Kanten nimmst du mir und lässt mich hohl zurück
Doch das wär zu kurz gefasst.
Meine Starrheit formt auch dich, setzt dir einen Rahmen.
Während du so rastlos treibst, stehe ich in der Brandung und schaue in die Ferne.
Ich sehe über dich hinweg.
Ich sehe Wellen kommen und gehen.
Und am Ende zerschellen sie an mir – nicht umgekehrt.
Ich habe Tausende Gesichter, während deines in der Gicht vergeht.
Ich weiß immer, wo ich bin, denn ich habe meine Wurzeln.
Deine Wellen amüsieren mich, sie kitzeln mich und zwingen mich loszulassen, nachzugeben.
Das ist gut so: Nichts ist mehr, wie es war.
Ich gesteh es liebend gerne ein –
Dass du mich formst und biegst, während du meine Knie umspielst.
Ich genieße es – manchmal sogar viel zu sehr.
Aber wenn du an meinen Klippen brichst, wenn du aufs Meer raus treibst, dann bleib ich stehen.
Und wenn du in tiefem Sturm wirbelst, dann leuchte ich.
Wie vielen habe ich den sicheren Hafen gezeigt?
Wie viele haben sich an mir orientiert?
Du bist wunderschön, aber du bist schneller vergangen, als man blinzeln kann.
Wer nur auf dich vertraut, ertrinkt.
Ich aber werde immer da sein – vor allem auch für dich.
Denn was ist ein Meer ohne Brandung?
Aber Küste ohne See ist nur ein Stein…
Also spiel mit mir, beweg und forme mich, wirbel hoch und wild.
Das geht gut, solang wir uns einig sind:
Es gibt das Hoch nicht ohne Tief.
Headerfoto: Lilit Matevosyan via Creative Commons Lizenz 2.0! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
