Partnerschaften enden fast nie wie Privatgrundstücke – in den seltensten Fällen gibt es eine klare Grenze, ein großes schmiedeeisernes, nein, weiß lackiertes Gartentor zum Beispiel, das wir einfach hinter uns schließen und damit unsere Verflossenen aus unserem Leben halten. Auch wenn es manches Mal besser wäre.
Meist sind destruktive Beziehungen eher wie ausschleichende Krankheiten: Wir werfen nicht einfach ‘ne Ibuprofen ein und eine Minute später haben wir uns vom Fieberwahn der Leidenschaften erholt. Es braucht Zeit, voneinander loszukommen. Zu eng sind wir auf sozialer und emotionaler Ebene miteinander verflochten, oder glauben zumindest daran, es zu sein. Das führt manchmal zu monate-, manchmal zu jahrelangem Trennungsschmerz. Und hin und wieder passieren Dinge, die das Herzwehpflaster einfach von seiner Stelle abrupfen und die bereits verschorften Stellen auf unserer Brust wieder aufreißen. Einer dieser sadistischen Übeltäter ist der Sex mit dem Ex.
Die Gründe dafür, wieso wir uns auf den intimen Austausch von Körperflüssigkeiten und möglichen venerischen Krankheiten mit unserer beendeten Beziehung einlassen, sind so vielfältig wie die Farb- und Strähnchenpaletten billiger Friseurketten. Da ist diese Nähe, die man einmal für einander empfunden hat und vielleicht immer noch empfindet. Da ist das Gefühl von Geborgenheit oder Attraktivität, oder vielleicht die Verlockung des Spiels mit dem Feuer. Sex mit dem Ex ist ein zwar bekanntes, aber kaum erforschtes Phänomen zwischen ehemaligen Partnern, die sich nach wie vor regelmäßig treffen – die Dunkelziffer ist bestimmt ungeheuer hoch. Es ist fast wie ein physikalisches Gesetz, wie Gravitation, die beschreibt, dass das Treffen mit einer vergangenen Liebe eine Tendenz zum Stelldichein aufweist.
Zurück bleiben am nächsten Morgen verwirrte Gedanken, ein schwerer Kopf, womöglich Sehnsucht oder ein schlechtes Gewissen. Man ruft die beste Freundin oder den besten Freund an, erntet wieder einmal einen hitzigen Tadel und kann sich doch nicht erklären, wieso man aus Fehlern einfach nicht lernen will.
Es gibt aber auch einen Moment, in dem schließlich die Ernüchterung siegt und die rosa-rote Brille, die uns seit dem allerersten Date wie von Sekundenkleber gehalten auf der Nase sitzt, zerbricht. Einen Moment der Erkenntnis, wenn alle Mechanismen der Selbsttäuschung endgültig versagen und wir uns einfach nichts mehr vormachen können. Der Grund für den faden Input liegt auf der Hand: Wie alles in unserer durchgewirtschafteten Welt hat der Sex mit dem Ex eine ertragreiche Zeit und irgendwann kommt der Moment der Notschlachtung. Letzterer ist erreicht, wenn einem klar wird, dass man diese Beziehungs-Kuh bis auf den letzten Tropfen ausgequetscht hat (I know, kinky shit!), der süße Geschmack der Vergangenheit aber ein für alle Mal erschöpft ist. Plötzlich schmeckt der Sex mit dem Ex nur noch wie Low-Fat-Joghurt – nach gar nichts mehr. Die Magie ist verflogen, Mitternacht längst vorbei, nicht einmal Triebbefriedigung wird erreicht.
Dieser Moment kann mitunter ein trauriger sein, ein wehmütiger, melancholischer, er kann aber auch wie ein Befreiungsschlag daherkommen. Wenn man endlich merkt, man ist frei. Frei im Kopf und frei im Herzen. Und frei in der Hose.
Headerfoto: Felipe Alonso via Creative Commons Lizenz 2.0! (Gedankenspiel-Button hinzugefügt.) Danke dafür!
