Es ist Winter und wir erleben einen dieser Abende, die sonst gefühlt nur in Filmen und gut geschriebenen Büchern vorkommen. Gediegene Musik, Kerzen brennen, wir kochen und es duftet fantastisch. Die erste Weinflasche wird geöffnet. Immer wieder schiele ich zu dir hinüber.
In zwei von drei Fällen begegnen sich unsere Blicke und wir bleiben kurz aneinander haften. Meist folgt daraufhin ein Lächeln oder du ziehst eine Augenbraue hoch, schmunzelst. Dabei frage ich mich, wann ich das letzte Mal einen Menschen getroffen habe, in dessen Augen man sich so herrlich verlieren kann.
Die Stimmung ist ausgelassen und behaglich. Es scheint, als würde man seit jeher nichts anderes tun, als gemeinsam Zeit zu verbringen, sich gegenseitig hochzuschaukeln und über den noch so blödesten Witz zu lachen. So fühlt sich das also an, mit jemandem auf einer Wellenlänge zu liegen. Halt so richtig, von vorne bis hinten. So ganz ohne Wenn und Aber. Ganz ohne einen Katalog an Zweifeln, den man schon insgeheim ab Minute eins mit sich herumträgt. Ohne die innerliche Checkliste, welche man meistens doch viel zu schnell hervorholt, um anhand dieser festzustellen, wie gut man tatsächlich harmoniert. Bei dir steht das vollkommen außer Frage.
Der (gute, gute) Rotwein hilft uns dabei, näher aneinander zu rücken und damit zu beginnen, Geschichten aus der Vergangenheit zum Besten zu geben, Vertrautheiten auszutauschen. Aus vielen kleinen Puzzleteilen vervollständigt sich das Bild von dir mit der Zeit immer mehr, und immer mehr will ich dir sagen: „Ich glaub, ich mag dich. Sehr.“ Ist jetzt natürlich kein Heiratsantrag, aber dennoch eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich auch nur einen Hauch davon für jemand anderen empfunden habe.
Immer mehr will ich dir sagen: „Ich glaub, ich mag dich. Sehr.“
Während wir also über das Leben in all seiner Pracht und vermeintlichen Dramatik philosophieren, kommen wir irgendwann auch auf das Thema Liebe zu sprechen. Nervös fange ich an, auf meiner Unterlippe zu kauen, denn ich weiß, dass es da eigentlich jemanden gibt, an den du denkst. Jemand, der nicht ich ist und der das Glücksgefühl des Abends immer wieder leicht überschattet.
Auf einmal hebst du bedeutungsvoll dein Glas: „Lass mich dir etwas sagen …“ Du verkündest mit glänzenden Augen, wie wichtig es in der Liebe sei, immer alles auf eine Karte zu setzen. Dass man immer zu seinen Gefühlen stehen solle und Mut beweisen. Ganz egal, wie schlecht die Zeichen auch stehen mögen, man solle in jedem Fall niemals verpassen, einer Person zu sagen, was man für sie empfindet.
Die Angst davor, auf die Nase zu fallen, solle kein Grund dafür sein, dass man so manche Chance vertut. Dabei siehst du mich ganz lange und intensiv an. Die Situation kommt mir vermutlich aufgrund des Alkohols prägnanter vor, als sie ist. Dennoch wird mir klar: Richtig – wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und so belasse ich es am späten Abend nicht beim klassischen „Bin gut zu Hause angekommen!“, sondern füge hinzu, dass ich dich mag. Sehr.
Die Angst davor, auf die Nase zu fallen, solle kein Grund dafür sein, dass man so manche Chance vertut.
Der Rausch des Abends vergeht, meine Worte aber bleiben und am nächsten Morgen trifft mich deine nüchterne Antwort direkt wie eine Faust in den Magen. Da ist nicht mehr viel übrig von langen Blicken und vermeintlich zufälligen Berührungen. Viel mehr kann man förmlich greifen, wie unangenehm und angespannt die Situation ist.
Du benimmst dich, als hättest du meine Nachricht nie wirklich gelesen, beginnst einfach ein anderes Thema. So bleibt mein zaghaftes Geständnis unbeachtet, wie ein ungeliebtes Geschenk unter dem Weihnachtsbaum.
Seitdem warte ich auf ein Lebenszeichen von dir. Darauf, dass mein Handy vibriert, weil du geschrieben hast. Ich warte auf eine neue Gelegenheit, dich zu sehen. Vor allem aber darauf, dass die Hoffnung endlich aufhört, mir leise ins Ohr zu flüstern: „Vielleicht wird ja doch noch alles gut? So wie in den Filmen und gut geschriebenen Büchern, weißt du …“
Headerfoto: Alexandra Baggs via Creative Commons Lizenz 2.0!
So so schön geschrieben und mir genauso passiert. Manchmal ärgere ich mich über meine Entscheidung gesagt zu haben was ich fühle, Aber was hätte das schon gebracht. Im Zweifel noch weitere fiese Wochen der Ungewissheit in der ich immer näher an ihn und er immer weiter von mir rückt. Deshalb: mutig sein ist etwas tolles und auch wenn man dabei auf die Nase fällt erspart einem das doch so viel mehr Leid und kann im besten Falle sogar zu einem von dir genannten Happy End führen. Danke für deinen Text!
ich bin sachlich und ehrlich und hoffe hier mein Glück zu finden