Der Wecker zeigt drei Uhr zweiunddreißig. Meine Beine wollen mal wieder nicht zur Ruhe kommen. Es gibt keine Position, in der ich mich entspannen kann, loslassen kann. Und wieder auf die andere Seite. Das eine Bein unter der Decke, das andere darüber. Oder vielleicht den rechten Arm hinter den Kopf. Doch dann fällt mir die Dunkelheit um mich herum ein, sodass ich alles zurück in die sichere Umarmung meiner Decke ziehe. Es ist zu heiß. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen, der mich hier befreien würde. Immer wieder jagen sie von der einen zur anderen Ecke des Zimmers.
Ich drehe meinen Kopf zur Seite und dann bist du da. Ich kann deinen Geruch wahrnehmen. Das Parfum haben wir zusammen ausgesucht. Es war einer dieser Nachmittage, an denen man viel zu viel Zeit hat und den wir zusammen verbracht haben. Ich hätte so gerne den grünen Pullover behalten, den du mir geliehen hast. Denn darin würde ich den Beistand finden. Er wäre wie eine Rüstung im Kampf um meinen Schlaf, den ich mir so sehnsüchtig herbeiwünsche.
Und dann erklingt deine Stimme ganz leise neben meinem Ohr, spricht Buchstaben und Worte. Ich höre den Klang deiner Stimme. Wie du das R aussprichst, leicht gerollt, in deinem Akzent, der mich zum Schmunzeln bringt. Wie ein leises Schlaflied lausche ich der Melodie deiner Sprache. Und dann sind es Sätze, die ihren Weg durch den Kopf in mein Herz finden. Sätze, wie nur du sie bilden würdest, mit diesen kleinen grammatischen Fehlern. Hier mal ein falscher Artikel, dort mal eine nicht ganz durchdachte Deklination. Doch das macht deine Sprache und damit dich so einzigartig.
Es ist eine Mischung aus verschiedenen Sprachen, die wir sprechen müssen, damit wir nicht aneinander vorbei reden. Obwohl es uns trotzdem häufig genug passiert. Besonders mir. Wir sprechen über nichts Weltbewegendes, aber es ist mich-bewegend. Jedes einzelne in deinem Kopf entstandene Wort ist wie Balsam für mein Herz und lässt mich näher zu dir rücken, sodass wir nicht umhin kommen uns zu berühren. Du streifst leicht meine Hand. Unbedacht, was du bei mir damit auslöst.
Doch ich schweige. Ich kann die Worte nicht aussprechen, die dir klar machen würden, was ich sagen möchte. Wie sehr ich es genieße, wenn du in meiner Nähe bist. Wie sehr ich dich für die kleinen Gesten mag. Dieses Gefühl hilft mir durchzuhalten. Zu wissen, dass du da bist, wappnet mich gegen die Dämonen in meinen Kopf. Es sind deine Worte, die sie zu bändigen wissen. Doch es sind auch diejenigen, die mein Herz zum Stehen bringen.
Wenn du wieder von ihr sprichst. Wenn du davon sprichst, wie es ist, bei ihr zu sein und wie hübsch sie ist. Und ich beginne von neuem an mir zu zweifeln, ob ich genauso hübsch bin, ob ich nicht zu burschikos bin mit den kurzen Haaren und der robusten Figur. Und frage mich, warum ich nicht einfach mal genug bin.
Ich gebe dir Ratschläge, wie du einen besseren Eindruck bei ihr hinterlassen kannst. Obwohl du den besten Eindruck schon bei mir gemacht hast, ohne es zu merken. Du erzählst von ihr und ich frage nach. Um mehr zu erfahren oder um mir nur immer wieder vor Augen zu führen, wie es in Wirklichkeit ist. Dass du mit ihr glücklich bist und dass ich nun mal die Freundin bin, die ich sein sollte. Und zwar die beste. Ich bin diejenige, die dich darauf hinweist, wie du sie für dich gewinnen kannst. Ohne darauf zu achten, dass mein Herz dabei immer langsamer schlägt.
Wie sollte es denn auch anders sein, wenn ich nach so langer Zeit erst meine eigenen Gefühle verstehe? Warum sollte sich auch etwas ändern, wenn ich nicht in der Lage bin, den Mund aufzumachen und endlich die Worte zu sprechen, die dir alles erklären würden. Doch die Dämonen in meinem Kopf halten meine Zunge fest. Sie flüstern mir Dinge zu, die meinen Atem ins Stocken bringen. Und so lässt dich jedes meiner Worte näher zu ihr rücken und ich bleibe alleine in der Dunkelheit meines Zimmers zurück.
Der Kühlschrank summt leise. Ich drehe mich auf die andere Seite.
Headerfoto: Leanne Surfleet via Creative Commons Lizenz! („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt.) Danke dafür!

So schön geschrieben und doch so traurig und schmerzhaft. Dilemma.