Zurück zu Punkt 0 – wie ich mein Herz in Greifswald verlor

Greifswald. Kennen einige vielleicht; vom Hören-Sagen. Mindestens eine Person im weitesten Freundeskreis kennt sicher jemanden, der an der Ostsee studiert hat. Make Ostsee great again, Studieren in Fern-Ost, sowieso mit Meerwert. Welch schönes Wortspiel, danke Pressestelle or whoever der Uni Greifswald. 60.000 Einwohner, Volluni, super viele Berliner und Hambuger, coole peoples, die nicht so viele Drogen nehmen wie die Ersti-Kids in Berlin oder Leipzig. So zumindest meine Erfahrung.

Warum ich das jetzt alles erzähle? Ich habe dort auch mal studiert. Gelebt. Geliebt, gewohnt, geträumt, getäuscht, geweint, am Hafen gesessen und an der Linie 1 ein Bier bestellt. Getrunken, gespaßt, Sex gehabt. Tinder gab es damals noch nicht, can you believe it?

Greifswald. Du kleine, schöne Stadt, du. Du hässlicher, hässlicher Abschied damals.

Greifswald. Du kleine, schöne Stadt, du. Du hässlicher, hässlicher Abschied damals. Wie gesagt, ich habe dort geliebt. Meine erste Beziehung an den Studienort verloren, due to Fernbeziehung. Dann eine zweite, völlig zerstörende Fern-“Beziehung“ angefangen, die ihren eigenen Text verdient hätte (thx, Paul). Und dann eine fast vierjährige Langzeitbeziehung geführt. Mit bitterem Ende. – Ich wollte erst „offenes Ende“ schreiben, denn das war es kurz auch mal – eine Art offene Beziehung. Völlig bescheuert. Also nicht offene Beziehungen per se, aber unsere, die war völlig daneben.

Zurück ist das Stichwort. Ich habe mich von Greifswald im Regen und mit Tränen all over verabschiedet – als ich das letzte Mal dort am Fernbusbahnhof (der gleichzeitig Hauptbahnhof, Busbahnhof und Fahrradausleihstation ist) stand, wurde gerade mit mir Schluss gemacht. Ich habe es also verpasst, mich von „meiner“ Stadt positiv zu verabschieden. Das war das letzte Mal, dass ich Greifswald sah, spürte, sehen wollte. Beziehungsweise nie wieder sehen wollte.

Eine Teerwelle solle alles unter sich begraben, sagte ich manchmal. Ihn, all unsere Plätze, all seine neuen Fickweiber. Ja, ich war eben wütend. Auch auf die Stadt. Oder auch nicht, ich weiß es nicht.

Trotzdem

Meine Freundin Ramona fragte mich, ob ich nicht mitfahren wollen würde, wenn sie im Sommer mal an die Ostsee schippert. Kleiner Ausflug, raus aus Leipzig. Ich horche (bisschen esoterisch, I know) in mich hinein: kein sofortiges Sperrgefühl, kein automatisches NEIN!, ein leises, feines, Wohlgefühl. Greifswald.

Vielleicht geh ich dann mal auf den Dom, fahre alleine mit der Stubnitz, der kleinen Fähre am Hafen? Esse ein Fischbrötchen, allein, verabschiede mich. Eine romantische Vorstellung bricht in mir hoch. Warum-eigentlich-nicht? Ja, warum eigentlich nicht. Ich sage zu.

Zweiter Gedanke: Treffe ich mich mit ihm? Meinem Ex? Schreckliches Wort. Ist das überhaupt ein eigenständiges Wort? Ihn habe ich zumindest mal sehr geliebt. Bis er mir mein Herz zertrat, sicher nicht absichtlich, aber trotzdem. (Totschlagargument #1: TROTZDEM!)

Treffe ich mich mit ihm? Meinem Ex? Ich überlege, winde mich. Wie kommt das rüber, ist es nötig?

Ich überlege, winde mich. Wie kommt das rüber, ist es nötig? Ist das unentzweibar verbunden? Es ist lange her. Na und, tut trotzdem noch weh, irgendwie aber auch nicht, je nach Laune und Selbstbewusstseinslevel. Von eben jenem, als es auf Hochkurs lag, ließ ich mich hinreißen. Schrieb ihm: „Hey, wie geht’s dir, was machst du?“ Es nahm seinen Lauf. Luft anhalten, frag ihn.

Frag ihn, ob er da wäre, kämest du noch mal nach Greifswald. Er tippt, die drei Punkte in einer kleinen grauen Wolke tanzen vor mir her und vor meinem inneren Auge fährt ein Film des Wiedersehens ab, ich weiß jetzt schon, welches Gefühl ich auf der Zugfahrt haben werde, bis ich ihn sehe. Dieses Nicht-richtig-atmen-können-Gefühl wird es sein, ja.

Wie wird das sein, wo werden wir hingehen, wie lange trifft man sich, wenn man dem Exfreund nach über 1,5 Jahren begegnet? Und falls er absagt, fahre ich natürlich trotzdem. Ist doch klar. Verabschieden, diesdas, tüdeldü, Ostsee. Antworte. Bitte.

Long story short

Die Punkte tanzen nicht mehr. Er wünsche mir viel Spaß, er sei nicht da. Ich bin nicht hingefahren.

Headerfoto: Thomas Reichl. Danke dafür!

NASTI lebt und arbeitet in Leipzig. Als Medienwissenschaftlerin ist sie notorisch smartphonesüchtig und lässt euch bei Instagram alles miterleben, was sie so macht. Sie schreibt noch den ein oder anderen Text über Erlebnispornographie, Sex und Beziehung unter dem Pseudonym Antoinette Blume bei Mimi & Käthe.

1 Comment

  • Krasse Geschichte, beim Zulesen merke ich wie ich mich auch als ein Teil von ihr fühle.
    Denn ich habe eine ähnliche Geschichte zu erzählen:

    SIE, mit der ich fast vier Jahre meiner Jugend ging, wollte mich in Greifswald das erste Mal besuchen nachdem wir seit 4 Jahren getrennt waren und dazwischen Tina (du weißt wen ich meine ) lag.

    LSS: Naja, sie schrieb mir, ob ich dann da wäre wenn sie Greifswald mal so besucht und ich, dass ich nicht da sei. Sie ist nie gefahren und meldet sich bis heute nicht.

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