Leben ohne Dich – wann wird es endlich nicht mehr wehtun?

Vor drei Monaten habe ich mich entschieden, dass es besser ist, zu gehen als zu bleiben. Dass ich nicht mehr länger warten kann, ob oder bis Du Dich in mich verliebst. Dass ich lieber den schmerzhaften Cut jetzt nehme, als das beschissene Gefühl bis zum Sankt Nimmerleinstag hinterher. Und ich will nicht die ganze Litanei des Heartbreaks wiederkäuen – we’ve all been there, we all suffered. 

Was machte ich also? Nun ja, ich trank Wein, viel Wein, ich heulte, kotzte den Wein wieder aus, meldete mich zum xten Mal bei gleich mehreren Dating-Apps an, ich stürzte mich in Arbeit. Ich legte mein iPhone mit der Leiter ganz oben auf den Küchenschrank, schrieb Dinge, die ich Dir schreiben wollte, statt in WhatsApp lieber in meine Notizen und starrte auf Dein Profilbild und auf die Anzeige „Zuletzt online“. Ich rief meinen besten Freund an und sagte ihm 1:1 die Worte, die ich Dir sagen wollte.

Ich stellte mich sprichwörtlich auf den Kopf, um bloß das Einzige nicht zu machen, was ich auf gar keinen Fall machen durfte und darf: Dir schreiben.

Kurzum, ich machte und mache immer noch alles, um mich abzulenken. Ich stellte mich sprichwörtlich auf den Kopf, um bloß das Einzige nicht zu machen, was ich auf gar keinen Fall machen durfte und darf: Dir schreiben. Dich anrufen. Zu Dir gehen. Auf meine Gefühle hören. Zu meinen Gefühlen stehen – weil das eben gar nichts bringt.

Das Blöde aber an dem Wein, den man ja eigentlich trinkt, damit er einem hilft und man den ganzen Kummer vergisst, ist, dass er nach dem dritten Glas erbarmungslos an die Oberfläche zerrt, was ich doch so sorgfältig verbuddelt hatte. Dieser Verräter.

Ich werde also immer mal wieder nicht ganz nüchtern von meiner eigenen Erkenntnis überrumpelt, wie sehr ich Dich vermisse, wie sehr ich die Vermissung irgendwo in mir drin vergraben habe und gleichzeitig heuchlerisch beteuere, ich sei ja so cool und drüber hinweg. Etwas anderes kann mein Umfeld auch gar nicht mehr hören.

Wenn ich zugäbe, dass ich Dich heute unheimlich vermisse und dass es immer noch wehtut, würden meine Eltern und mein bester Freund mich nicht in den Arm nehmen. Sie würden die Augen verdrehen und so etwas sagen wie: „Scheiße, Nina, ernsthaft?“

Und das Blöde an den Dating Apps, die man ja eigentlich nutzt, um andere Männer kennenzulernen und sich selbst einen kleinen Ego-Push zu verschaffen, ist, dass sie einen – auf profanste Weise arrangiert – mit Menschen für meist oberflächliche Gespräche zusammentreffen lassen.

Die Dates, die ich gerade habe, schreien mir entgegen, dass jeder von ihnen nicht Du ist.

Aber leider erinnern sie mich genau dadurch daran, dass unser – Dein und mein – Zusammentreffen für mich so gar nicht profan und arrangiert, sondern nur – klingt kitschig, aber dennoch – magisch und zufällig war. Und die Dates, die ich gerade habe, schreien mir auch entgegen, dass jeder von ihnen nicht Du ist.

Die Wahrheit ist also leider Folgende: Ich habe Sehnsucht nach Deinem spitzbübischen Lächeln, Deinen gezogenen „Ähms“, Deinen blonden, verstrubbelten Haaren, Deinen warmen, langen Küssen, Deinem Geruch und ja, auch dem phänomenalen Sex mit Dir. Irgendwo ganz tief in mir versteckt – so tief, dass sie nie rauskommen, dass sie nie Tageslicht sehen, dass keiner sie ahnt, dass ich sie manchmal selbst schon vergesse.

Bis sie mich dann einholen und mich, wie jetzt gerade, unterdrückt schluchzen lassen und jeder Knochen in meinem Leib schmerzt und ich verdammt noch mal eigentlich nicht weinen will.

Und wieso geht das alles überhaupt? Nun ja, zum Glück ist mein Herz ein Masochist mit Elefantengedächtnis, der auf der Frequenz, auf der mein Hirn mit ihm spricht, taub ist. Die beiden leben seit 26 Jahren nebeneinander her und nie hört der eine auf den anderen oder ihm auch nur zu.

Und jetzt, gerade jetzt, wo es einfach mal schön wäre, einzusehen, dass das Ganze nichts bringt, dass es besser so ist, wie es jetzt ist, oder dass wir uns hier im Kreis drehen und sich nie etwas ändern würde – ist mein Herz weiterhin quengelig, stur und bockig.

Liebes Herz, Du bist ein Muskel, der wichtigste, den wir haben. Du bist wichtig, ohne Dich kann niemand leben. Aber das Ding mit dem Pumpen ist im Grunde auch schon alles, was Du tun sollst. 

Liebes Herz, Du bist ein Muskel, der wichtigste, den wir haben. Aber eben auch nur ein Muskel. Du bestehst aus vier Hohlräumen, verteilt auf zwei Hälften. Jeweils einem Vorhof und einer Herzkammer, genannt Atrium und Ventrikel. Deine Aufgabe besteht darin, sauerstoffreiches Blut in unseren gesamten Körper und sauerstoffarmes Blut zurück zu Dir und in die Lungenstrombahn zu pumpen.

Du bist wichtig, ohne Dich kann niemand leben. Aber das Ding mit dem Pumpen ist im Grunde auch schon alles, was Du tun sollst. Was Du nicht tun sollst, ist bei jedem Date mit einem Mann, der halbwegs vernünftig, klug, sympathisch, gutaussehend, was auch immer zu sein scheint, in der Ecke zu sitzen und zu schmollen.

Für aufgeregtes Herzklopfen und Funken überspringen bist Du viel zu beschäftigt und zwar damit, motzig zu gucken und Deine Schnute und Deinen Blick sagen zu lassen: „Aber er ist nicht er“. Danke, ich bin ja nicht dumm, das weiß ich selber – zu gut, leider.

Und mein Hirn ist langsam genervt, ich bin es auch, denn ich muss beide ja schließlich ertragen. Der eine Typ ist also zu nett, der andere sieht zu gut aus, der dritte küsst schlecht, der vierte ist langweilig. Sie sind alle nicht Du – auch die nächsten zehn werden es nicht sein.

Vorgestern Abend auf dem Rückweg von einem Date kam ich, viel zu nüchtern, an Deinem Haus vorbei und mich traf in voller Wucht, wozu es nach meiner erlernten Logik mindestens drei Flaschen Wein gebraucht hätte.

Mir tat schlagartig alles weh, der Kloß im Hals war wieder da, das Bild, mit Dir auf dem Sofa zu sitzen, alles.

Mir tat schlagartig alles weh, der Kloß im Hals war wieder da, das Bild, mit Dir auf dem Sofa zu sitzen, alles. Es war abrupt wieder Oktober und Tränen stiegen mir in die Augen, mein kompletter Oberkörper wurde von feinen, ziependen Stichen durchzogen. Ich versuchte weiterzugehen, aber ich konnte es nicht.

Ich blieb stehen und starrte die dunklen Fenster Deiner Wohnung an, dachte an Dich, daran, wo Du jetzt sein konntest, ob Du alleine bist. Ich musste schlucken und aussprechen, was ich dachte: „Nina, das wird doch noch eine ganze Weile dauern. This is not over yet.“

Und gestern, auf dem Rückweg von einem anderen Date, kam ich leider wieder an derselben Ecke vorbei und – was noch schlimmer war – ich sah Dein Wohnzimmer erleuchtet. In mir stieg hoch, was ich kaum kenne: eine hässliche Wärme, die von einer wohligen, schönen Erinnerung an uns zehrt und sich gleichzeitig widerlich an der Eifersucht erhitzt, Du könnest da gerade jetzt mit einer anderen sitzen, wo vor drei Monaten ich mit Dir saß. Wo ich Dich geküsst, gehalten, ins Bett gezogen habe.

Der Typ neben mir hat in diesem Moment keine Ahnung von meinen Gedanken, er sieht mein versteinertes Gesicht im Dunkeln nicht, er redet vor sich hin, keine Ahnung über was.

Ich setze einen Fuß vor den anderen, lebe einen Tag nach dem nächsten, erledige meinen Job, lache, manchmal bin ich auch glücklich.

Ich setze einen Fuß vor den anderen, lebe einen Tag nach dem nächsten, erledige meinen Job, lache, manchmal bin ich auch glücklich. Aber ich verstehe es einfach nicht: Wir sollen doch darauf vertrauen, dass unsere Gefühle uns in die richtige Richtung führen. Aber meine Gefühle haben keine Richtung. Sie verlaufen in keiner Linie, sie drehen sich auch nicht im Kreis. Wenn sie irgendeiner Form ähnelten, so wären es zufällige, temporär irgendwo auftauchende Punkte. Ein bisschen wie Malen nach Zahlen – am Ende kommt irgendwas raus, aber schön ist es nicht.

Meine Gefühle führen mich gar nicht, sie verwirren mich nur. Wahrscheinlich sind sie selbst viel zu verwirrt – nach drei Monaten schlimmer denn je. Dazwischen, dass sie nicht wissen, ob ich in Dich verknallt oder verliebt war oder ob ich Dich geliebt habe, ob ich Dich vermisse oder das Gefühl, das Du mir gegeben hast. Oder ob ich nur einsam bin, ob Du mich vermisst – sehr wahrscheinlich nicht, sonst hättest Du Dich längst gemeldet – und wann es aufhört, so zu sein wie es gerade ist.

Wann es aufhört, wehzutun, wann ich weiterkomme im Leben, wann ich nicht mehr nachts an Dich denke und wann die Stimme in meinem Kopf über einen Mann mir gegenüber endlich nicht mehr sagt: Er ist eben nicht Du.

Headerfoto: joyce huis via Unsplash.com. („Gedankenspiel“-Button hinzugefügt, Bild gecroppt.) Danke dafür.

NINA wurde Anfang der 1990er in Mainz geboren, lebt mittlerweile in München und macht dort irgendwas mit Pharma. Dinge, die sie begeistern: Trockenbeerenauslese, Leute beobachten, sich schwarz anziehen, Möpse (Rasse Hund, nicht Brüste), Sachen, die man eigentlich nicht im Bett macht, im Bett machen. Dinge, die sie nicht mag: Dating habits der Generation Y, Nazis, Sexismus, Kapern & Gin Tonic (weder alleine noch in Kombi). Analysiert wird alles, was sie beschäftigt und worüber sie nachdenkt auf ihrem Blog.

9 Comments

  • Hmm, mag unsensibel klingen…aber es ist ja nun mal selbstgemachtes Leid, da geht mir dann irgendwie das Verständnis ab.
    Wieso erst trennen, wenn’s direkt bereut wird?
    Warum andere treffen, wenn man eh nicht für sie offen oder bereit ist?
    So werden unter Umständen noch Unbeteiligte als „Ablenkungsopfer“ verletzt.
    Also lieber erstmal mit sich selber ins Reine kommen, denn scheinbar sitzt dort ein Problem, alles andere ist unfair!

  • Oh man! Während ich diesen Text lese, sitze ich nickend und mit Tränen in den Augen daheim in meinen eigenen 4 Wänden. Seit 2 Monaten getrennt und seit einer Woche den Kontakt komplett abgebrochen weil es einfach für mich nicht mehr ging…. und es kommt mir jetzt schon vor wie eine Ewigkeit. All deine Worte spiegeln gerade meine Gedanken und Gefühle wider. Danke ❤️

  • Liebe Nina,

    am liebsten würde ich dir jetzt ein High Five geben, Auch ich habe diese „am Fenster vorbeigehen – Licht an/Licht aus“ Momente gehabt. Es war, als wenn ich den Text selbst geschrieben hätte,
    Schreib es dir von der Seele, kommt Zeit kommt Rat. Es dauert nur halt wirklich sau lange … man muss Geduld mit sich selbst haben.

  • Danke für den diesen Text. Wie allen Anderen hier, geht es auch mir im Moment genau gleich. Mein ‚Moment‘ hält nun schon seit 7 Monaten an und ich habe das Gefühl, dass es mit jeder Woche schlimmer wird.
    Das ironische ist, dass ich beim Lesen ständig darauf gehofft habe, dass es doch noch zu einem happy end kommt und dass einem die eigenen Gefühle eben doch in die richtige Richtung leiten.
    Aber ich erkenne, dass eben genau das wohl mein Problem ist. Obwohl ich allen Kontakt abgebrochen, alle Bilder und Chats gelöscht habe und mich von allen gemeinsamen Orten fernhalte, kann ich trotzdem nicht aufhören zu hoffen.

    Ich bin übrigens ein Mann, also ja, das kann auch uns passieren.

  • Dieser Artikel spricht mir aus der Seele…
    So schaut es bei mir auch aus und das immer noch nach 2 Monaten. Auch ich ging freiwillig, weil es nicht anders ging. Sich selbst das Herz zu brechen, ist hart, da man total gegen seinen Instinkt handelt und auch damit weitermachen muss. Kopf hoch und durchhalten. Irgendwann steht er da, der Typ der dann nicht mehr „Er“ ist, der Typ der Ihn überschattet, selbst wenn wir „Ihn“ vielleicht nie vergessen. 🙂

  • Danke für diesen 1 zu 1 auf mich passenden Text. Wie ich einfach nickend auf meinem Bett gesessen habe, ihn ausdrucken und mir übers Bett hängen möchte 😄

    Genau die richtigen Worte für Dinge, die man kaum aussprechen kann.

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